Henryk M. Broder / 07.03.2021 / 12:00 / Foto: HMB / 81 / Seite ausdrucken

Doppelspitze oder: Es geht ums Ganze

Es war keine Überraschung, dass beim Online-Parteitag der LINKEN zwei Frauen an die Spitze der Partei gewählt wurden, Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, und Susanne Hennig-Wellsow, Fraktionsvorsitzende im Landtag von Thüringen. Es gab zwar anstandshalber auch zwei männliche Kandidaten, aber die waren dermaßen unwichtig und aussichtslos, dass sie in der Berichterstattung rund um den Parteitag nicht einmal erwähnt wurden. Alles drehte sich um die beiden Frauen, die schon vor ihrer Wahl als „designiert“ galten, wobei die eine dem „linken Flügel“ zugerechnet wird, die andere dagegen als „Pragmatikerin“ gilt. Weswegen auch immer.

Die „linke“ Hessin Janine Wissler sagte in ihrer „Bewerbungsrede“: „Von diesem Parteitag sollte ein Signal des Aufbruchs ausgehen, es geht nicht nur um ein größeres Stück vom Kuchen, es geht um die Bäckerei, es geht ums Ganze.“ Ums Ganze geht es auch der „pragmatischen“ Thüringerin Susanne Hennig-Wellsow, die sich in ihrer Rede einen vielsagenden Freud‘schen Versprecher leistete: „Ich werbe dafür, dass wir die CDU/CSU aus der Bundesrepublik… aus der Bundesregierung vertreiben. Aus dem einfachen Grund, dass es für alle Menschen in diesem Land mit uns viel zu gewinnen gibt…“

Blumen vor die Füße

An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass es die Vorsitzende der LINKEN-Fraktion im thüringischen Landtag war, die dem am 5. Februar 2020 zum Ministerpräsidenten gewählten FDP-Abgeordneten Thomas Kemmerich einen Blumenstrauß vor die Füße warf, weil er sich auch mit den Stimmen der „Alternative für Deutschland“ wählen ließ. Nachdem die Bundeskanzlerin diese Wahl als einen „Fehler“ bezeichnet hatte, der „rückgängig gemacht“ werden müsste, wurde neu gewählt, mit dem Ergebnis, dass Thüringen von einem in sich und seine Phrasen verliebten Ministerpräsidenten aus den Reihen der LINKEN regiert wird, der bis heute daran festhält, die DDR sei weder ein Rechtsstaat noch ein Unrechtsstaat gewesen, denn „Unrechtsstaat“ sei ein „nicht justiziabler Begriff“. 

So rächt es sich mit über 30 Jahren Verspätung, dass nach dem „Beitritt“ der DDR zur Bundesrepublik versäumt wurde, die staatstragende Partei der DDR zu einer kriminellen Vereinigung zu erklären, was wiederum dazu führte, dass die SED sich mehrmals häuten, ihr beachtliches Vermögen retten und in die Rolle einer demokratischen Partei schlüpfen konnte, die heute in zehn von 16 Landtagen vertreten und in drei Ländern (Berlin, Bremen, Thüringen) an der Regierung beteiligt ist.

Ihre Funktionsträger machen kein Geheimnis daraus, dass sie gerne nach der kommenden Bundestagswahl auf der Regierungsbank Platz nehmen möchten, egal mit oder neben wem. Das Comeback einer Truppe, die 40 Jahre lang die eigene Bevölkerung drangsaliert hat, ist eine bemerkenswerte Leistung, ein weiterer Beleg dafür, dass die Deutschen ein vergessliches Volk sind.

Die Stunde der Versager

Man kann die Wiedergutwerdung der SED in Gestalt der LINKEN auch als eine Folge der allgemeinen Verwahrlosung der politischen Sitten sehen. Versager wie Verkehrsminister Scheuer, Gesundheitsminister Spahn oder Digitalministerin Bär treten nicht zurück. Und wenn ein SPD-Nachwuchspolitiker und Mitglied im erweiterten Landesvorstand der Berliner SPD auf Twitter darüber phantasiert, wie „hilfreich“ es sein könnte, ein „Vermieterschwein“ zu erschießen und was für eine „klammheimliche Freude“ er verspüren würde, „sollte jeff bezos eines tages unerwartet den folgen einer sprengstoffverletzung erliegen“, gibt er zwar hinterher seine „Funktionen“ innerhalb der Partei auf, muss aber nicht befürchten, dass er aus der Partei ausgeschlossen wird – wie es Thilo Sarrazin widerfuhr. 

Gewaltexzesse und Aufrufe zur Gewalt werden danach beurteilt, von wem sie ausgehen und gegen wen sie sich richten. Wird zum Beispiel ein AfD-Stand auf dem Marktplatz einer Kleinstadt in Baden-Württemberg von „15 bis 20 Menschen“ überfallen, welche die Polizei „der Antifa-Szene“ zuordnet, wobei ein „AfD-Mitglied zu Boden gerissen und geschlagen wird“, muss das Opfer der Aktion mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht“ werden; die öffentliche Empörung über den Vorfall hält sich aber in engen Grenzen. Die dpa meldet, „fünf Beteiligte im Alter zwischen 18 und 25 Jahren seien vorläufig festgenommen und befragt worden“. Dabei bleibt es.

Es hat ja keinen Unschuldigen erwischt. Wer “rechte“ Positionen öffentlich vertritt, geht damit ein Risiko ein, für das er haften muss. Die Vertreter der „demokratischen Parteien“ raffen sich bestenfalls dazu auf, „Gewalt als solche“ zu verurteilen, die „kein Mittel der Auseinandersetzung“ sein darf; es geht ihnen jedes Verständnis dafür ab, dass sich die Wut der Antifa-Schlägertrupps gegen sie, die „demokratische Mitte“, richten wird, sobald die AfD keine Rolle mehr im politischen Leben spielt. 

Die Antifa schreitet voran, mit ruhig-festem Schritt.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: HMB

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j. heini / 07.03.2021

Eine Schande für einen Staat, der zwei Diktaturen hinter sich hat.

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