Rainer Bonhorst / 14.02.2018 / 17:30 / 15 / Seite ausdrucken

Donna Clara und das Knie des Anstosses

Als (selbstverständlich empörter) Sammler politisch unkorrekter Dichtung aus schlichteren Zeiten bin ich neulich mal wieder auf „Donna Clara“ gestoßen und auf den lieben Hans, der etwas mit dem Knie macht. Für beide, die Donna und den Hans, ist der Textdichter Fritz Löhner-Beda verantwortlich. Er soll hier auch gebührend zur Rechenschaft gezogen werden. Seine Donna muss noch einen Moment warten. Zuerst möchte ich mich der Frage widmen: „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans, mit dem Knie, lieber Hans, beim Tanz?“

Eine zutiefst alarmierende Frage. Erstens: Was der liebe Hans mit seinem Knie beim Tanz macht, kann ja wohl nichts Gutes sein. Und zweitens: Warum nennt die vom Knie betroffene Tanzpartnerin den Hans weiter einen „lieben Hans“? Offenbar fühlt sie sich dem Knie ausgeliefert und wagt es nicht, dem Hans, der sie knieweise bedrängt, ihre Abscheu klar und deutlich auszudrücken. Sie wagt nur die zaghafte Frage: „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans, mit dem Knie, lieber Hans, beim Tanz?“ Diese Frage an Hans ist zwar kein klares „Nein“, aber auch kein klares, rechtsverbindliches „Ja“. Ein Zweifelsfall also. Es besteht zumindest der Anfangsverdacht einer sich anbahnenden sexuellen Nötigung.

Ist Hansens Partnerin also ein weiteres Opfer männlicher Kniegewalt, das erst in einem viele Jahre späteren Me-too-Aufschrei zur Ruhe käme? So scheint es. Doch der Schein trügt. Bei näherer Analyse des Gesangs stellt sich heraus, dass Hans gar nicht wegen einer unangemessenen körperlichen Annäherung getadelt wird, sondern wegen seines kritikwürdigen Tanzstils. Dies wird sonnenklar, wenn die Tanzpartnerin im weiteren Verlauf des Liedes fragt: „Warum hüpfst du wie ein Floh hin und her?“ Dies ist der Unschuldsbeweis. Wer wie ein Floh hin und her hüpft, kann nicht gleichzeitig mit dem Knie Ungebührliches in unmittelbarer Nähe der Partnerin machen. Kurz: Das Knie hat ein Alibi.

Das politisch korrekte Knie verhält sich ruhig

Ist Hans also freizusprechen? Hans ja. Aber nicht der Textdichter Fritz Löhner-Beda. Er hat sich zumindest einer bewussten Zweideutigkeit schuldig gemacht. „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans, mit dem Knie, lieber Hans, beim Tanz?“ Wer diesen Text als Schlüsselpassage eines Liedes wählt, nimmt billigend in Kauf, in anzüglicher Weise missverstanden zu werden.

Dies mag nicht zu einer posthumen Verurteilung wegen Anstiftung zur sexuellen Belästigung reichen. Aber Bedenken gegen das Lied bleiben. Ein Knie, das beim Tanz bange Fragen aufwirft, passt nicht mehr in unsere genderpolitisch aufgeklärte Zeit. Auch ein unschuldiges hat nicht das Recht, sich völlig frei und womöglich komisch zu bewegen. Das politisch korrekte Knie verhält sich ruhig und vermeidet jedes Aufsehen.

Noch bedenklicher ist der Fall der Donna Clara, zu dem wir jetzt kommen. Hier hat sich Beda endgültig als Dichter genderpolitisch unakzeptabler Liedtexte entblößt. „Oh, Donna Clara, ich hab dich tanzen geseh'n.“ Gegen diese Zeile ist zunächst nichts einzuwenden, aber schon der anschließende Hinweis, dass der Betrachter „ein Genießer aus Posen“ ist, wirkt verstörend. Er erinnert in fataler Weise an Eugen Gomringers „Bewunderer“ von Alleen, Blumen und Frauen.

Bedauernswerten Fall von Fußfetischismus

Aber bei Donna Clara kommt es noch heftiger. Der Genießer aus Posen ergötzt sich nicht nur daran, dass „bei jedem Schritte und Tritte“ sich ihr „Körper genau in der Mitte“ biegt. Er zeigt sich auch noch von ihren „Füßen, den süßen, entzückt“. Und nicht genug mit diesem bedauernswerten Fall von Fußfetischismus. Der unverfrorene Genießer begnügt sich nicht damit zu singen, „ich hab dich tanzen geseh'n“. Nein, „im Traume“ hat er Donna Clara auch noch „im Ganzen geseh'n“.

Im Ganzen geseh'n? Hier werden um eines zugegeben kühnen Reimes willen nun wirklich Grenzen überschritten. Von einer bloßen Zweideutigkeit kann nicht mehr die Rede sein. Fritz Löhner-Beda mag im Falle des tanzenden Knies noch auf „nicht schuldig“ plädieren. Wenn aber ein Genießer, ob er nun aus Posen oder anderswo her kommt, Donna Clara „im Ganzen geseh'n“ hat, gibt es nichts mehr zu verschleiern. Die Geduld der Gemeinschaft der Korrekten ist endgültig erschöpft. Einem Texter wie Beda würde heute das Lachen vergehen.  

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Karla Kuhn / 14.02.2018

Ist, wie die meisten Gassenhauer einfach ein schönes Lied. Mein ältester Enkelsohn hat es schon als Kind geliebt und kräftig mitgesungen. Und trotzdem ist er ein “anständiger"Mensch geworden. Natürlich gehört die Donna Clara auch zum Repertoire. Man kann sich sogar die “Gassenhauer Box bestellen “frech, frivol und witzig” und da diese “schnöden” Lieder früher nur der “Pöbel”, das “Pack” gesungen haben soll, paßt es doch wieder.

Martin Müller / 14.02.2018

Politische Korrektheit und Genderwissenschaft haben alle Merkmale sozialer und intellektueller Totalität.

Wolfgang Luf / 14.02.2018

Man sollte endlich mit höchster Priorität eine Kommission einsetzen, die sämtliches Liedgut in Deutschland unter die politisch-korrekte Lupe nimmt. Als erstes fällt mir hier das schöne Lied “Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe” von Bill Ramsey ein. Hier gibt es z.B. den sexistischen Text “Und mancher Wüstensohn hat sie schon als Fata Morgana gesehn”. Außerdem müßte das deutsche Liedgut auf Hinweise nach dem Wort “Heimat” untersucht werden. Denn dieses Wort ist ja nun wirklich stark belastet - meint zumindest Herr Wolfgang Thierse. In einem Interview mit der “Freien Presse” würde er dieses Wort gerne durch “Beheimatung” ersetzen. Auf welchen Unsinn nur manche Leute kommen?

Roland Stolla / 14.02.2018

Herrlich geschrieben, Herrn Bonhorst, und doch so verstörend! Bitte durchforsten Sie weitere Schlager, damit unvorbereiteten Hörern nichts Erschreckendes widerfährt! Und in den Opernlibretti von Barock bis in die Moderne wimmelt es nur so von eindeutigen sexuellen Nötigungen! Ich erinnere mich noch an die “Aktion saubere Leinwand” in den 50er Jahren. Da wir heute wieder ebenso moralinsauer sind wie in den angeblich miefigen 50ern, muß eine “Aktion saubere CD und saubere Bühne” her!

Bernhard Maxara / 14.02.2018

Oh weh, wie wird es da erst Ralph Benatzkys armer “Luise” ergehen, die noch die Zeilen aushalten muß: “Und die Beine, ach Luise, die in zartem Rund sich biegen nannt’  Romanbeine ich scherzend, weißt du noch? Denn am Anfang glaubt man immer, daß die zwei sich niemals kriegen, gegen’s Ende aber kriegen sie sich doch…” Überhaupt noch ein weites Feld für die neuen “Sittenkommissionäre”, die sich schon zu Johann Strauß’ Zeiten den Opferstatus in den Operetten für sich reklamieren konnten!

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