Rainer Bonhorst / 29.04.2017 / 06:20 / Foto: Andy Fitzsimon / 8 / Seite ausdrucken

Donald Trumps Bierdeckel-Reform

Moment mal. Nur noch drei Einkommens-Steuerklassen? 10, 15 und 35 Prozent? Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor. War da nicht mal was mit einem Bierdeckel? Komisch. Bei den Amerikanern sind Bierdeckel doch gar nicht so verbreitet. Und trotzdem will Donald Trump seine Landsleute jetzt für eine Einkommenssteuer-Reform begeistern, die auf einen deutschen Bierdeckel passen würde. Ja, darf der das denn?

Friedrich Merz durfte nicht, als er im Jahr 2003 seine 12-24-36-Reform in die Debatte warf. Das war natürlich nur eine Plauderei. Eine solche Vereinfachung des Steuersystems wäre schlichtweg undeutsch gewesen. Merz wurde dann auch wegen undeutscher Steuerumtriebe in die Wüste der Privatwirtschaft geschickt, wo er als Besserverdiener seither vom hochkomplizierten und reichlich mit Ausweichmanövern versehenen deutschen Steuermonster profitieren kann.

Ob Trump jetzt mit seiner Bierdeckel-Lösung durchkommt? Nun gut, er ist der Präsident und hat keine Angela Merkel und keinen Wolfgang Schäuble über sich. Aber seine bisherige Durchsetz-Bilanz ist nicht beeindruckend. Schauen wir also mal.

Im Prinzip müsste er es leichter haben als seinerzeit Friedrich Merz. Amerikaner haben keine so abgrundtiefe Abneigung gegen Steuererleichterungen wie wir Deutschen. Die arme FDP hat ja schon mal eine Wahl grauslich verloren, weil sie sich unverhohlen für Steuersenkungen eingesetzt hat. Diese Zumutung hat natürlich einen verheerenden Sturm der Empörung bei den anderen Parteien und bei einem großen Teil der Medien ausgelöst. Steuersenkung? Das ist genauso undeutsch wie Steuervereinfachung.

Das Steuersystem der USA ist ein ähnliches Labyrinth wie unser deutsches, aber die amerikanische Psyche ist wohl etwas anders. Es könnte durchaus genügend Amerikaner geben, die sich vor einem einfachen Steuersystem und vor Steuersenkungen, wie jetzt vonTrump präsentiert, nicht so sehr fürchten wie die deutsche Seele.

Das Totschlagargument heißt „Gegenfinanzierung“

Das Totschlagargument ist natürlich immer das Wort „Gegenfinanzierung“. Aber was haben wir von unserer extrem hohen Steuer- und Abgaben-Kultur mit ihrer wunderbaren Gegenfinanzierung? Schulen, Straßen und Brücken bröckeln trotzdem vor sich hin. Wieso eigentlich? Ach ja, wir müssen die Griechen retten und (psst! psst!) die Einwanderer integrieren.

In Amerika müssen sich die Einwanderer selber integrieren. Aber das ist Amerika. Die Straßen sind dort zwar noch schlechter als bei uns. Aber auch das will Donald Trump ändern. Infrastruktur als Arbeitsbeschaffung. Ob seine Rechnung aufgeht? Wer weiß. Aber welche politische Rechnung geht schon auf? Die schlechteste amerikanische Straße ist nicht so verkommen wie der Weg, der in Berlin zu einem neuen Flughafen führen soll.

Stellen wir uns einfach mal vor, Donald Trump bringt sein 10-15-35-Prozent-Steuerprojekt durch. Dann hätte er doch tatsächlich etwas Interessantes zustande gebracht. Auch da wieder die Frage: Darf der das denn? Darf Donald Trump etwas Vorzeigbares zustande bringen? Das können wir doch nicht dulden. Es ist doch ausgemachte Sache, dass der Mann nicht satisfaktionsfähig ist. Dem darf einfach nichts gelingen, schon um unser Weltbild nicht ins Wanken zu bringen.

Eine andere Frage ist, ob dank Donald Trump nun auch das tote Bierdeckel-Projekt des Friedrich Merz bei uns wieder auferstehen könnte. Nein, nein, da müssen wir keine Angst haben. Bei uns gilt nun mal das Gesetz der Theke. Und das geht so: Auf einen deutschen Bierdeckel gehört ein kühles Helles und keine Steuerreform.

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Leserpost

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Jan Stunnenberg / 29.04.2017

Bitte drei Bier, auf Deckel! Weiter so.

Petr Cejp / 29.04.2017

Schön, man muss den Präsidenten Trump doch nicht immer in Fake-News-Art zum Monster erklären - mal schauen!

Ernst Siegel / 29.04.2017

Das Totschlagargument heißt meines Erachtens eigentlich nicht Gegenfinazierung, sondern “rot-grün-links-Totschlagargumente”, denn es darf nichts gut sein, was einen konservativen Ursprung hat. Und die sog. Gegenfinanzierung ist bei rot-grün-links immer die Umverteilung von der Menge der hart arbeitenden Mittelschicht an die Unterschicht. Solange, bis es keine Mittelschicht mehr gibt, und daran wird ja fleißig gearbeitet!

Karla Kuhn / 29.04.2017

” Dem darf einfach nichts gelingen, schon um unser Weltbild nicht ins Wanken zu bringen.”  Nicht UNSER Weltbild, das einer bestimmten Kaste.  Ob das Bierdeckelprojekt von Merz wirklich so effektiv sein soll wie behauptet, weiß ich nicht aber eine Steuerreform, die den Namen auch verdient, ist bitternötig.  Viele Köche verderben allerdings den Brei.  Schade, so wird die Ungerechtigkeit immer weiter zunehmen.  Denn diejenigen, die gar keine Steuern auf ihr Einkommen zahlen müssen, sind in der Minderheit. Alle anderen müssen entlastet werden und nicht nur durch Freibeträge, die sind für mich eh sehr fragwürdig.

Heinz Bannasch / 29.04.2017

Vereinfachte Steuerreform ? Klären uns unsere Superweisen nicht permanent darüber auf, dass es keine einfachen Lösungen gibt ? Jeder gute Ingenieur konstruiert nach dem KISS-PRINZIP (keep it smart and simple). Aber unter Politikern gibt es ja keine guten Ingenieure.

Georg Siegert / 29.04.2017

Es ist ja schon in den Medien thematisiert worden, dass in absehbarer Zeit das mittlere Einkommen die Schwelle zum Spitzensteuersatz erreichen wird, und natürlich dann auch ungebremst überschreiten wird. Ich habe das Gefühl, dass es sich bei entsprechenden Meldungen um einen politischen Testballon handelte. Man wollte wissen, ob solche Tatsachen irgend einen nennenswerten Aufschrei auslösen würden. Dem scheint nicht so zu sein. Deshalb ist zu erwarten, dass sämtliche Parteien mit einem herzhaften “weiter so” auf den Lippen die Steuer- und Abgabenlast nach oben schrauben werden.

Roland Richter / 29.04.2017

Herr Trump erinnert mich immer mehr an Seehofer und die CSU. Laut brüllen, dann einknicken.

JF Lupus / 29.04.2017

Mein Steuerberater gibt freimütig zu, dass er sich nicht auskennt. Denn wenn er sich alles zu Gemüte führen würde, was die da oben sich an Gesetzen, Verordnungen und anderem einfallen lassen, hätte er keine Zeit mehr für seine Mandanten. Das mag ein wenig übertrieben sein, trifft aber den Kern der Sache. Das deutsche Steuerrecht ist schreiendes Unrecht. Kein Normalbürger vesteht es, die Steuereinnahmen werden großenteils sinnlos verplemper, zur Verantwortung gezogen wird niemand. Wer, wie Merz oder Professor Kirchhoff für Vereinfachung und gerechteres Steuersystem steht, der wird absviert. In unserem Lande ist so viel faul, dass man den Baum, der solche Früchte (giftig!) trägt, endlich fällen sollte.

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