Gunter Weißgerber / 19.04.2025 / 14:00 / Foto: Montage achgut.com / 47 / Seite ausdrucken

Donald Trump und das Prinzip Ohrwurm

Donald Trumps bisherige Regierungspraxis ist experimenteller Natur. Donald Trump und seine Administration spielen beinahe täglich an allen Hebeln, die der Weltmacht USA zur Verfügung stehen. Ist das „learning by doing“ – auf gut deutsch „Versuch macht klug“?

Der Cowboy im Oval Office lässt die Welt rätseln. Freunde werden wie Feinde, Feinde wie Freunde behandelt. In Jahrzehnten gewachsene Sicherheiten erodieren, westliche USA-Hasser schauen genauso wie bedröppelt wie US-Sympathisanten auf die plötzliche Nacktheit ihres Daseins im nun spürbar gewordenen eisigen Wind aus Moskau und Pjöngjang. Europa ist allein zu Haus, Papa spielt hinterm großen Teich scheinbar verrückt. Mit dem ist vorerst nicht mehr zu rechnen. Oder?

Donald Trump und seine Administration spielen beinahe täglich an allen Hebeln, die der Weltmacht USA zur Verfügung stehen. Spielen sie mit Sinn und Verstand oder ist das „learning by doing“ – auf gut deutsch „Versuch macht klug“? Falls ja, dann wird es noch mächtig interessant. 

Auch ich bin hin- und hergerissen. Was seine Front gegen die Massenzuwanderungen, gegen die Klimasekte, gegen den Wokismus, gegen den Islamismus und für Israel angeht, bin ich froh, dass Donald Trump US-Präsident ist. Diese den Westen zerstörenden Bewegungen können nur von der westlichen Weltmacht ausgehend gestoppt werden. Die europäischen Staaten, die alle für sich überlegen, ob sie Vaterländer sind und Muttersprachen haben oder vielleicht gar nicht existieren, die sind fast alle irgendwie vermerkelt und wirken dem untergehenden Westrom näher als nach Leben und Aufstieg dürstenden Populationen. 

Hinsichtlich der von Russland überfallenen Ukraine waren meine Hoffnungen in den neuen US-Präsidenten von vornherein nicht allzu groß. Dass er nun sogar Putins Geschichtsverdrehungen je nach Lust und Laune übernimmt, das widert mich unbeschreiblich an. Inzwischen ist er mitschuld am Sterben der Ukraine. Er hätte Putins Krieg längst beenden können. 

Experimentelle Regierungspraxis

Ich setzte bei Donald Trump auf Mark Aurels weise Erkenntnisse, der in seinen Selbstbetrachtungen schrieb, dass er als Alleinherrscher nur sehr wenige Entscheidungen selbstbestimmt treffen konnte. Fast alle Entscheidungen lagen in Korridoren, die er nicht allein formen konnte. Nahezu alle Entscheidungszwänge resultierten aus Zusammenhängen, die den Tisch des Imperators zwar streiften, jedoch nicht auf dessen Tisch entstanden. 

Mark Aurel war klug, machte deshalb keine Experimente, von deren Ausgang er keinerlei Ahnung hatte. Die römische Welt, die er zu beherrschen glaubte, die hielt er für damalige Verhältnisse trotz gewaltiger außen- und innenpolitischer Herausforderungen in seinem Regierungszeitraum relativ gut zusammen. Mit den Hebeln der Macht spielte dann sein Sohn und Nachfolger Commodus. Was dem Reich weniger gut bekam.

Ob Donald Trump Mark Aurel gelesen hat? Ich hege Zweifel. Seine bisherige Regierungspraxis ist experimenteller Natur. Ausgang in jeder Hinsicht offen. Um bei den römischen Kaisern zu bleiben, Donald Trump möchte vielleicht ein Augustus werden, doch Caligula scheint im Moment näher zu liegen. 

Doch Hilfe aus Rom naht. Die Oval-Office-Besucherin Georgia Meloni weiß Knöpfe zu drücken. Donald Trump findet die EU seit dem 17. April 2025 wieder sympathisch, setzt auf Kompromisse im Streit um die Zölle und will mit der flotten Römerin den Westen wieder groß machen. 

Donald Trumps jeweils aktuelle Meinungen scheinen seinen jeweils letzten Eindrücken und Positionen seiner Gesprächspartner zu folgen. Kommt beispielsweise nach Meloni Putin zu Besuch, wird TheRealDonald Putins Meinung öffentlich vertreten. Ob er das mit innerer Überzeugung tut oder es seine sehr spezielle Masche ist, das weiß allein der Wind.

Georgias Positionen in Trumps Ohren

Deshalb mein Zeremonialvorschlag: Die Staatsgäste mögen eingangs nicht nur Trumps Frisur, sondern ihn überhaupt loben. Das Prinzip Ohrwurm sollte ebenfalls immer bedacht werden. Was einmal drin ist, bleibt drin im Ohr. Die Reihenfolge der Gäste ist dabei außerordentlich wichtig. Einem Bösewicht sollte sofort eine Fee in der Besucherliste folgen. 

Deshalb: Georgia Meloni muss nach einem Trump-Putin-Gespräch unbedingt Donald Trump erneut die Aufwartung machen! Keine Zeit verlieren. Damit der Putinquark, den Mr. Trump nach seinem Tête-à-Tête mit Genossen Putin verkünden könnte, eine kurze Halbwertzeit bekommt und beispielsweise durch Georgias Positionen überdeckt wird.

Ich erinnere mich in diesen Zusammenhängen des „Chores der Schmeichler“ in den Mosaik-Heften von Hannes Hegen (ich gehöre zu den Ostzonendödels, die sich zu den Liebhabern dieser Comics rechnen). Im Heft 118 „Hochzeitsvorbereitungen“ wird dem Kaiser Andronikus ordentlich der Kopf gewärmt:

Wer ist das Licht, das immer leuchtet, obwohl es von unten bis oben befeuchtet? Das ist nicht die Sonne, die aufgeht im Meer – es ist unser Kaiser so stolz und so hehr!“

Ach so, ich hoffe natürlich, dass ich mit meiner Einschätzung schief liege und Donald Trump in seinem Wirken besser als sein jetziges Spiegelbild wird. Davon hängt eine ganze Menge für den ganzen Globus ab. Hier was zum Ohrwurm. 

 

Gunter Weißgerber (Jahrgang 1955) trat am 8. Oktober 1989 in das Neue Forum ein und war am 7. November 1989 Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Für die SDP/SPD sprach er regelmäßige als Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90. Er war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005). Den Deutschen Bundestag verließ er 2009 aus freier Entscheidung. 2019 trat er aus der SPD aus. Die Gründe dafür erläutert er hier. Er sieht sich, wie schon mal bis 1989, wieder als “Sozialdemokrat ohne Parteibuch”. Weißgerber ist studierter Ingenieur für Tiefbohr-Technologie. Er ist derzeit Unternehmensberater und Publizist.

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Steffen Huebner / 19.04.2025

Gegen Bilder- Satire, auch bei Trump, wenn sie nachvollziehbar treffend ist, gibt’s nix zu sagen. Aber im konkreten Fall kommt sie mir etwas zwanghaft vor, irgendwie nur Gaudi, da fehlt offensichtlich der Hintergrund.

Marc Munich / 19.04.2025

“Ach so, ich hoffe natürlich, dass ich mit meiner Einschätzung schief liege…..”  Don’t worry, Herr Autor!  Strauß würde sagen: “Einmal schief liegen ist menschlich. Immer schief liegen ist Sozialdemokrat - egal ob mit oder ohne Parteibuch!”  **** @Klar:  “Wer nix weiß , glaubt eben allen Scheiß ... Man lese die Kommentare hier .”  **** Erinnert an den berühmten Geisterfahrer auf der Autobahn.  Ein Klarer Fall von Nebelwand. Wie immer halt ...  ****

Talman Rahmenschneider / 19.04.2025

@ Gille: Sie haben hier recht, es ist Satire bzw Karikatur. Gestern hatten Sie unrecht mit der Gestalt, die Sie falsch als Stalinisten bezeichneten. Sie wuerden ihn unterstuetzen, waeren wir alle heute mit ihm in Jerusalem, denn er war gegen ein masslos gewordenes System mit hoher Korruption und fuer die Menschen. Ischwoer. Wir wuerden ihn vermutlich alle unterstuetzen. Man darf sich von der politisch verdrehten Kirche nicht von der Gestalt ablenken lassen. Karl Jaspers fuehrt sie richtig unter seinen “Vier Massgeblichen Menschen”.

A. Ostrovsky / 19.04.2025

@Karsten Dörre : >>Experimentalpolitik kenne ich nur aus dem Sozialismus. CDU-Adenauer hat im Bundestagswahlkampf 1957 mit “Keine Experimente” erfolgreich geworben. Auch in der DDR-Wendezeit 1989/90 wurde mit “Keine Experimente” die Vorstellung von Bürgerrechtlern und Bündnis90 zu einer föderalen DDR abgewehrt. Mittlerweile scheinen politische Experimente in den USA ein Bewusstsein zu entwickeln. Was aber nicht wundert, da die USA gesellschaftspolitisch völlig heruntergekommen und ruiniert sind und sich neu definieren muss. Also ein Omen für Europa, weil hier alles später als in den USA kommt.<< ## Ich habe da eine fast entgegengesetzt Auffassung. Ich glaube, dass schon der erste und der zweite Weltkrieg mit allen Auswüchsen ein sozialdarwinistisches Global-Experiment war. Ich bin überzeugt, dass Trotzky, Stalin, Hitler, Tito, S. Zweig, sich bereits seit 1909, aber besonders 1912 mehrmals persönlich begegnet sind. Hitler und Lenin spielten in Wien Schach miteinander und im Central Cafe traf man sich in Hinterzimmern. Aber Stalin geisterte auch als “Koba” in London herum, als er angeblich noch im Priesterseminar war. Ich denke, die wurden von den Hintergrund-Mächtigen ausgewählt, das große Spiel auf Leben und Tod zu spielen, das Experiment, welche Gesellschaftsform sich durchsetzt und alle anderen unterjocht. Und was Sie an Experimentellem im Sozialismus erkannt zu haben glauben, hatte in allen anderen “Teams” seine Entsprechung. Das Gemeinsame ist die Manipulation, die Ausnutzung der Psychologie und Psychoanalyse zur “politischen Willensbildung”. Wir erleben es gerade wieder in Vito. Aber immer werden und wurden auch durch pure Gewalt die Leitplanken abgesteckt, in welchen Grenzen experimentiert werden darf. Die Breite der Bahn wird immer enger.

Talman Rahmenschneider / 19.04.2025

Am Sterben an der Ukraine ist dann schon eher Boris Johnson schuld sowie diejenigen, die ihn dorthin vorgeschickt haben vor drei Jahren, also mutmasslich die Regierung Biden. Im Moment sind die Europaeer schuld, die Friedensbemuehungen unter Gebietsabgabe boykottieren und gar Taurus liefern wollen. Ausserdem ein Komiker als Staatschef, der sich von Bandera erpressen laesst. Sowas Praktisches hatten Nazis noch nie: Einen Juden als Feigenblatt. Herr Hitler im Himmel ist richtig neidisch, dass er darauf nicht gekommen ist. Das Prinzip useful idiot. Abgesehen von dieser Passage - achgut-Agenda (alle Rheinmetall gekauft?) - ist das Stueck gar nicht so schlecht.

sybille eden / 19.04.2025

Ich versuche Trump wie einen Jazzmusiker zu verstehen. Er improvisiert, hat aber eine festgelegte Abfolge von Akkorden !

Franz Klar / 19.04.2025

“Dass er nun sogar Putins Geschichtsverdrehungen je nach Lust und Laune übernimmt, das widert mich unbeschreiblich an”. Wer nix weiß , glaubt eben allen Scheiß ... Man lese die Kommentare hier .

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com