Nachdem Donald Trump jr. eine Halbgans bei der Jagd erlegt hatte, wurde der Präsidentsohn wiederum von italienischen Tierschützern ins Visier genommen – obwohl diese ihm eigentlich dankbar sein müssten.
Als Hunter Biden, Sohn des gerade abgewählten US-Präsidenten Joe Biden, vorgeworfen wurde, in eine Bestechungsaffäre mit einem ukrainischen Energiekonzern verwickelt gewesen zu sein, wurden er und sein Papa von den meisten Medien mit Glaceehandschuhen angefasst. Schließlich wollte man dem senilen Präsidenten, der im Wahlkampf gegen Donald Trump keine gute Figur machte, nicht noch mehr Steine in den Weg legen.
Nach verlorener Wahl wurde Hunter wie andere mit dem Gesetz hadernden Getreuen von seinem Vater begnadigt, allerdings nicht in Sachen Ukraine-Connection, sondern wegen eines gegen den Junior laufenden Verfahrens wegen Steuerhinterziehung und illegalen Waffenbesitzes, was Trump als president elect postwendend als „Justizmissbrauch“ brandmarkte.
Donald Trumps ältester Sohn heißt zwar nicht Hunter („Jäger“), sondern Donald wie der Paps, doch wenn er sich etwas zuschulden kommen lässt, im aktuellen Fall wohl eher ein minderschweres Delikt, rauscht gleich ein Orkan der Windstärke zwölf durch den Blätterwald. Wenn man den Medien Glauben schenkt, sorgt derzeit ein Jagdausflug des 47-Jährigen in der Lagune von Venedig „für Empörung in Italien“.
Es geht um eine in den fachlichen Augen des prominenten Jägers „eher ungewöhnliche Ente für dieses Gebiet“, die dem Namen nach eine Gans ist, streng wissenschaftlich gesehen aber zur Ordnung der Entenvögel gehört, Unterfamilie Halbgänse. Der Name des Tieres, das Donald Trump jr. illegalerweise erlegt haben soll, lautet Rostgans (Tadorna ferruginea), ein durchaus auffälliges Tier mit leuchtend orangebraunem Gefieder und einem zimt- bis rahmfarbigen Kopf.
Trump hatte noch vor Amtsantritt seines Vaters als 47. US-Präsident in seinem Online-Magazin „Field Ethos“ ein Video seines Jagdausflugs südlich von Venedig veröffentlicht, bei dem auch besagte Rostgans gemeuchelt wurde. In den englischsprachigen Untertiteln des Videos heißt es, das betreffende Jagdrevier sei „privately managed“: Man sei im Besitz von Jagdkonzessionen „of these companies“. Man gehe dort nur einmal die Woche auf Jagd und respektiere den Lebensraum der Wildtiere.
Ursprünglich in Zentralasien beheimatet
Auf Facebook meldete sich sogleich ein, laut Bildzeitung, „italienischer Lokalpolitiker“ namens Andrea Zanoni, der die Tötung des Tieres als „Verbrechen“ bezeichnete. Zanoni ist allerdings keine so kleine Nummer, wie Bild suggeriert, sondern ein früherer Tierschutzaktivist, der zuletzt für den Partito Democratico (PD) im Europaparlament saß und sich, nachdem er nicht wiedergewählt wurde, der Ökopartei „Europa Verde“ anschloss.
Nicht näher bezeichnete Umweltschützer forderten von der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, den Trump-Abkömmling zur Rechenschaft zu ziehen, die Opposition im italienischen Parlament kündigte an, Anzeige zu erstatten. Den Berichten zufolge spielte sich die mutmaßlich illegale Jagd in einem Wasserschutzgebiet namens Valle Pirimpiè ab, etwa auf halber Strecke zwischen Venedig und Chioggia gelegen. Trump jr. trug dabei laut Bildzeitung „militärische Tarnkleidung“, was zusätzlich ein schlechtes Licht auf ihn werfen soll. Dabei ist Flecktarn bei vielen Jägern und Anglern eine durchaus übliche Bekleidung.
Rostgänse sind ursprünglich in Zentralasien beheimatet und verfügen über erstaunliche Flugfähigkeiten. Auf dem Zug in ihr Winterquartier überqueren sie regelmäßig den Himalaya und steigen dabei bis zu einer Höhe von 6.000 Metern auf. Das entspricht immerhin der Hälfte jener Flughöhe, die der Privatjet von Donald Trump senior erreicht, mit dem der Junior mutmaßlich nach Italien gereist ist.
Unhöflich und schlau
In Europa trifft man wilde Exemplare der Gattung Tadorna ferruginea nur selten an, dafür haben sich die Tiere als sogenannte Gefangenschaftsflüchtlinge etabliert. In Deutschland werden zurzeit etwa 240 Brutpaare gezählt, für die eine ganzjährige Schonzeit gilt. Rostgänse gelten als invasive Art und seien, so der Deutsche Jagdverband, an vielen Gewässern in Europa unerwünscht, da sie, ähnlich der Nilgans, andere Entenarten „vehement“ aus ihrem Brutrevier verscheuchten und so heimische Arten verdrängen könnten. Ein gefiederter Kotzbrocken also, wenn man ehrlich sein wollte.
Besonders wild trieb es die Rostgans in der Schweiz, wo sie ab 2005 als Neozoe bekämpft wurde. Leider sind die Tiere nicht nur unhöflich zu Artgenossen, sondern auch schlau und verlagerten ihren Wirkungsbereich auf die deutsche Seite. „2015 wurde für Baden-Württemberg ein Mitwinterbestand von 1233 ermittelt“, sechsmal so viel wie 2009. Wie groß der Bestand in der Lagune von Venedig ist, konnte im Zuge der Recherchen zu diesem Beitrag nicht ermittelt werden. Doch das invasive Verhalten der Tiere dürfte sich nicht wesentlich von dem hierzulande unterscheiden.
Eigentlich sollten die italienischen Tierschützer Donald Trump jr. dankbar sein, dass er wenigstens einem der Kotzbrocken den Schnabel gestopft hat.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.