Neulich ging ich so durch das Einkaufszentrum unseres Schtetls. Etwas Bestimmtes suchte ich nicht, nicht einmal Stress. Geistig beschäftigte ich mich mit der Frage, ob ich zum Mittagessen lieber die Spaghetti beim Türken oder den Döner vom Griechen oder den Lammspieß vom Italiener essen oder lieber gleich beim Restaurant „Zum goldenen M“ einkehren sollte. Da sprang mich von der Seite plötzlich ein Transparent der Thalia-Buchhandlung an: „Donald Trump liest nicht gern“ und drunter, kleiner: „Welt, bleib wach.“
Nun, es war ja Mittagszeit, also war ich schon ganz schön wach. Ich entschied mich für ein Eis in der Eis-Venezia (sie heißen in Einkaufszentrum immer „Eis-Venezia“, auch wenn sie so viel mit Venedig wie Thalia mit Politik zu tun haben), von der aus ich einen direkten Blick auf die Thalianer hatte.
Eine kurze Internet-Recherche (wobei „kurz“ bei der Qualität des Internets in Bayern ein relativer Begriff ist) ergab, dass es sich Thalia „zum Ziel gesetzt hat, Menschen wieder für das Lesen zu begeistern. Unsere Welt ist zunehmend schnelllebig und oberflächlich - geistiges Junk Food dominiert. Die Menschen haben verlernt, tief in Inhalte einzutauchen. Jeder Vierte liest überhaupt nicht mehr. Das wollen - und müssen - wir ändern.“ Nun, wäre ich ein Buchladen, dann wäre ich auch sehr daran interessiert, dass Menschen mehr Bücher lesen – am besten die aus meinem Buchladen. Aber was hat Donald Trump damit zu tun? Ich verstünde ja noch, „Andrea Nahles malt gerne Bücher aus – Welt, bleib bunt“, aber Donald Trump als Antipathieträger?
Ich nehme an, „Donald Trump“ soll der Trigger sein für alle, die Donald Trump so irgendwie nicht gut finden. Und wenn der nicht gerne liest, dann sollten alle wachen Gegner erst recht lesen. So nach dem Motto „Sei nicht wie Donald Trump – lies gerne. Bücher von uns!“ Denn sonst wird man am Ende wie Donald Trump und Präsident der Vereinigten Staaten. Das kann niemand wollen. Da muss man wach bleiben. Beispielsweise mit Büchern wie „Mein Buch vom guten Schlaf“ oder „das Schlaf-gut-Buch“ oder „Zwischen Schlaf und Traum“. Oder man kann auch wach bleiben mit der DVD „Deutschland erwache“, aber die kann man nicht lesen, sondern nur gucken und wäre damit wieder wie Donald Trump, was dann ja für einen selbst doof wäre. Außer, man ist Donald Trump.
„Angela Merkel liest gerne“
Nun will Thalia ja nicht Deutschland wecken, sondern zusehen, dass gleich die ganze Welt wach bleibt. Unter „Welt“ tun es die Retter der pluralistischen Einfaltsgesellschaft ja sowieso nie. Und wenn es Donald Trump schadet, dass ich ein Buch lese – ja, warum denn nicht? Ich finde ihn ja auch nicht gerade den Prototypen des Homo sympathicus. Ich könnte beispielsweise ein Buch über die politischen Erfolge von Barack Obama lesen. Die fünf Minuten hat man immer und dann würde sich Trump ärgern.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gefällt mir die Idee, den unschuldigen Donald Trump vor irgendwelche Karren zu spannen. „Donald Trump mag keine deutschen Autos!“ – und *zack* steigen die Umsatzkurven der deutschen KFZ-Hersteller. Natürlich weltweit – außer USA. Ich sehe hinüber zu dem griechischen Dönerstand. „Donald Trump hat hier Hausverbot“ – und schon ist der Laden rappeldicht. Eine Anzeige der Spasskasse: „Wir beraten alle außer Donald Trump!“ – und die Leute stehen Schlange, um von Herrn Juncker beraten zu werden. „Donald Trump geht nicht zum Friseur“ – und schon ist der Laden namens „Sahaira“ voll.
Nagelstudios, Goldankaufläden, ja sogar Bordelle und Zeitungen – Donald Trump wäre hier der absolute Kundenfänger, schlicht durch Abwesenheit und Nichtnutzung. Okay, wer in der Lage ist, einen Beliebtheitswettbewerb mit Assad, Putin, Kim Jong-un, Claudia Roth, Angela Merkel, Horst Seehofer und Alexander Gauland zu verlieren, dem gehört es wahrscheinlich auch nicht anders, als immer noch als abschreckendes Beispiel zu dienen.
Meine Gedanken laufen bei dem traditionellen „After-Eight“-Becher Zickzack, und das bringt mich auf die Idee, dass ich ja eigentlich einen Kurzurlaub buchen wollte. Südtirol soll um diese Jahreszeit recht schön sein – aber da fährt Angela Merkel immer hin. Möchte ich an einem Ort sein, an dem Angela Merkel Urlaub macht? Und wie käme die Werbung „Angela Merkel liest gerne“ an? Würden dann mehr oder weniger Leser bei der Thalia-Buchhandlung Bücher und physisch aufschlagen? Wie sieht es bei Cem Özdemir oder Renate Künast aus? Abschreckendes Beispiel oder positiver Trigger, oder käme das auf das Werbeumfeld an? Mit „Renate Künast – natürliche Schönheit kommt von Innen“ könnte beispielsweise L’Oreal Werbung machen. Oder Özdemir als Werbeikone für „Miles & More“.
Wenn das ginge – was könnte man da bewegen! Horst Seehofer auf Mittelmeerkreuzfahrt auf der AIDA. Mitten zwischen Flüchtlingsbooten. „Zu den schönsten Zielen der Welt!“ „Ralf Stegner hat unsere Persönlichkeitsseminare nie besucht: Auftreten! Reden! Begeistern!“
Mein Blick schweift aus dem Fenster, Richtung „Bayerischer Hof“. Draußen, im Freien, hocken Leute bei Bier und Schnitzel und rauchen Zigaretten. Der Laden ist rappelvoll. Und ich frage mich, ob die bayerischen Höflinge irgendwo ein Schild hängen haben: „Hitler war Nichtraucher, Antialkoholiker und Vegetarier. Welt, denk drüber nach.“