Rainer Bonhorst / 20.01.2021 / 13:30 / Foto: Curtis Hilbun / 38 / Seite ausdrucken

Dolly Parton, 75: Wie soll eine emanzipierte Frau aussehen?

Auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht: Dies ist kein Geburtstags-Artikel über die soeben 75 Jahre alt gewordene Dolly Parton. Dies ist eine gesellschaftspolitische Betrachtung. Sie widmet sich der Frage: Wie soll eine emanzipierte Frau aussehen?

Dolly Parton würde aus jeder deutschen Emanzipations-Gruppe wegen unpassenden Aussehens ausgeschlossen. Wahrscheinlich würde sie gar nicht erst rein gelassen, und wenn versehentlich doch, nach kurzer Inaugenscheinnahme wieder rausgeschmissen.

Barbie ist nur ein schwacher Abglanz gegen Dolly. Riesige Frisur, Wespentaille und dazu etwas, was man in vorkorrekter Zeit einen Atombusen nannte. Die klassische dumme Blondine. Die Herausforderung: Diese ins Karikaturenhafte zurechtgemachte Frau hat es aus einfachsten Verhältnissen nicht nur zu einem Super-Star der Country-Musik und zu einer ordentlichen Schauspielerin gebracht. Sie ist eine der herausragendsten Song-Schreiberinnen ihrer Zeit. Eine im doppelten Sinne kreative Künstlerin.

Die Liste ihrer Hits ist lang, nicht nur die ihrer eigenen sondern auch die der Songs, die sie für andere geschrieben hat. Ihr größter Hit „I will always love you“ erfuhr dank Whitney Houston ein zweites Leben als Welterfolg und ist zugleich ein Schock für viele Afro-Amerikaner – wenn sie erfahren, dass nicht „ihre“ Whitney sondern die platinblonde Dolly die Autorin und erste ebenfalls erfolgreiche Interpretin des Abschieds- und Liebeslieds ist. Als Autorin gab sie dem Lied auch die überzeugendste, nämlich – um das schöne deutsche Wort zu benutzen – die innigste Interpretation.

„Ich bin so frei“

Diese seltsame Frau ist nebenher eine erfolgreiche Unternehmerin (Dollywood) und sie ist eine großzügige Stifterin und Wohltäterin, ein als Barbie getarnter etwas kleinerer Bill Gates.

Wie ist das möglich, dass eine wandelnde optische Herausforderung an das konventionelle Emanzentum eine solche Lebensleistung hinlegt? Sie verkörpert im Wortsinne wahre Emanzipation. Nämlich wahre Freiheit. Ihr Motto könnte sein: „Ich bin so frei.“ Es ist ein sehr amerikanisches Motto. In Deutschland hätte sie so, wie sie auftrat, auch jenseits des emanzipatorischen Milieus keine Schnitte bekommen. Vielleicht gerade noch Dschungelcamp. In Amerika hat sie ihren Traum verwirklichen können, ohne den Konventionen ihrer kämpferischen „Schwestern“ zu folgen.

Das macht sie über ihre künstlerische Leistung hinaus bemerkenswert und erwähnenswert. Eine emanzipierte Frau muss weder wie Dolly Parton noch wie Alice Schwarzer aussehen, gegen deren Optik hier ebenfalls nichts gesagt werden soll. Die Emanzipation darf und sollte in vielerlei Gestalt kommen. Sie sollte keine Ideologie sein, sondern Ausdruck und Verwirklichung von Freiheit und Unabhängigkeit. Und, zum Schluss noch dies: Als emanzipierte Frau muss man auch keine Männer hassen. Dolly Parton ist seit fünf Jahrzehnten verheiratet. Und, jawohl, mit dem gleichen Mann. Auch noch spießig? Ja, Emanzipation darf sogar „spießig“ sein. 

Foto: Curtis Hilbun CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Marcel Seiler / 20.01.2021

Kluge Betrachtung. Unterstreichen möchte ich dies: “In Deutschland hätte sie [Dolly Parton] so, wie sie auftrat, auch jenseits des emanzipatorischen Milieus keine Schnitte bekommen.” So ist es leider, und vielen Dolly Partons [m/w/d] bei uns wird es ähnlich gehen. Wir haben stattdessen Otto Waalkeses, Til Schweigers und ähnliche, deren Namen mir nicht mal mehr einfallen.

B. Dietrich / 20.01.2021

Herr Bonhorst, wie können Sie nur? Sich einfach nicht ein weiteres Mal positiv über Herrn Trump auslassen?! Wie soll man sie als aufrechter Forist dann noch abwatschen, wenn Sie sich plötzlich Achgut-gerecht Anti-Gender-mäßig geben? Tse, tse… +++ Für die, die’s nicht verstehen: </ironie>

Gerd Quallo / 20.01.2021

Toller Artikel. Hat meine Sichtweise positiv erweitert und das eine oder andere Vorurteil ausgeräumt

Andreas Mertens / 20.01.2021

Chapeau und Gratulation zum 75. Geburtstag. Dolly Parton ist nicht nur emanzipiert, sie ist vorallem entspannt.  Sie kann fünf gerade sein lassen, knickt nicht bei Gegenwind ein und weiß trotzdem was sie will (und wie sie es kriegt)  Sie ist kein Heimchen am Herd, mag ihren eigenen Körper, mag Männer (wobei Frauen auch egal wäre) trotzt lebenslang allen neideischen Hatern (eher mehr den pseudo-emanzipierten Hater*innen) und liebt das Leben. Von solchen Frauen brauchen wir mehr. Viel mehr!

Frank Stricker / 20.01.2021

“Vielfalt auf der Achse”, jetzt sogar ein Exklusivbericht über Dolly Parton, obwohl das Bildchen im Andy Warhol-Stil doch eher an Dolly Buster erinnert. Was soll uns denn der tolle Bericht sagen, dass nicht alle Blondinen doof sind, oder was ? Das wußte ich bereits vorher, meine bessere Hälfte ist auch blondiert und trägt ihre Mähne selbstbewußt zu jeder Tageszeit , auch wenn sie dafür im Bad mindestens 5 x solange braucht wie ich….....

Sabine Schönfelder / 20.01.2021

Danke! Das ist doch mal ein originelles Thema. Ausnahmsweise bin ich heute 100% Ihrer Meinung, werter Autor. Dolly Parton ist eine echte Individualistin. Sie lebt und schaut aus, gerade so wie es ihr gefällt. Sie ist in jeder Beziehung unabhängig, bereitet Millionen Menschen Freude, ist hilfsbereit und clever! Es ist schön, daß Sie auf dieser Welt lebt und die Gattung Mensch mit ihrem großzügigen, herzlichen Wesen ziert. Stellen Sie sich vor, wie viele Menschen lächeln, wenn Sie den Namen dieser warmherzigen Frau hören…und danach, die ärgerlich und angewidert zusammenpressten Lippen all der Menschen, die den Namen Angela Merkel hören müssen….Gott segne Dolly Parton. Happy Birthday, chica guapa!

Gössing, Rolf / 20.01.2021

Emanzipation ist dem Gruppendruck zu entfliehen. Meine Schwester hat es schon in den 90ern auf den Punkt gebracht. Sie musste sich rechtfertigen warum sie zu Hause bleibt und für ihre 3 Kinder da ist. Sie, die politisch völlig desinteressiert war, fand Politiker alle häßlich und ich meine inzwischen auch, dass da wirklich was dran ist.

Claudius Pappe / 20.01.2021

Die andere ” große alte Dame ” aus Amerika. Bette Midler, hetzt immer noch gegen Trump.

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