Nach der Ankündigung des Vize-Landrats, die Impfpflicht nicht durchzusetzen, gab es Ärger und nun kommt ein Zurückrudern. Oder sind es nur beruhigende Worte?
Als „Ankündigung des kommunalpolitischen Ungehorsams" konnte man verstehen, was der Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) vor – nach Polizeiangaben – 2.150 Teilnehmern der montäglichen Demonstration gegen die Corona-Politik und insbesondere die Impfpflicht gesagt hat. Bezogen auf die am 15. März für medizinisches und Pflegepersonal in Kraft tretende gesetzliche Verpflichtung zu einer Injektion, die vor dem Coronavirus schützen soll, hieß es von ihm wörtlich:
„Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird ab dem 16.3., dann werden wir, unser Gesundheitsamt, unseren Mitarbeitern im Landkreis Bautzen in der Pflege und im medizinischen Bereich kein Berufsverbot aussprechen.“
Begründet hatte er diese Verweigerungsankündigung ganz nachvollziehbar:
„Ich kann Ihnen sagen, warum es bei uns am 16.3. das Betretungsverbot nicht geben wird. Es gibt eine ganz einfache Antwort auf diese Frage: Wer soll sich um diese Pflegebedürftigen und hilfsbedürftigen Menschen kümmern, wenn Sie nicht mehr da sind?“
Der demonstrative Ungehorsam währte nun nicht allzu lange. Der Druck auf den Vize-Landrat war auch deutlich. Aus der CDU-SPD-grünen Staatsregierung gab es heftige Kritik. Wirtschaftsminister und Vizeregierungschef Martin Dulig (SPD) habe dessen Verhalten „inakzeptabel“ genannt. Es dürfe nicht zugelassen werden, „dass zu einem Rechtsbruch aufgerufen wird“, zitiert ihn lr-online.de.
Auch seine Genossin und Gesundheitsministerin Petra Köpping habe gesagt: „Grundsätzlich hat sich jeder Landrat an Recht und Gesetz zu halten.“ Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei ein Bundesgesetz. Der Freistaat arbeite ferner an einem Erlass, in dem „Ermessensspielräume“ geregelt würden, die ein Landrat dann prüfen könne, habe Köpping in Dresden gesagt. Im Klartext heißt das wohl, dass der Freistaat eine Aufweichung der Impfpflicht überall dort zulässt, wo die Zahl umgeimpfter Pflegekräfte zu hoch ist, als dass man auf sie verzichten könnte.
Neben diesen Äußerungen sei der Landrat Michael Harig (CDU) in die Landesdirektion einbestellt worden, um dort Stellung zu nehmen. Harig hatte einen Brief an Ministerpräsident Kretschmer geschrieben und veröffentlicht, in dem er an seinen Parteifreund appellierte, die Chance zu einem gesichtswahrenden Kurswechsel zu ergreifen.
Jetzt rudern die Landkreis-Herren zurück. Der Landkreis Bautzen habe klargestellt, dass die berufsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte und Krankenhauspersonal auch in Bautzen gelten werde, meldet lr-online.de. Die Landesdirektion Sachsen hätte mit Blick auf Einträge in den sozialen Medien gebeten, die Aussagen von Udo Witschas einzuordnen, heiße es aus dem Landratsamt. Die durch den Bundestag beschlossene Impfpflicht werde umgesetzt – allerdings stehe die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle, so das Landratsamt am Dienstag. Geprüft werde stets im Einzelfall. Vize-Landrat Witschas hätte die Sorge vieler Beschäftigter entkräften wollen, dass für sie am 16. März automatisch ein Beschäftigungsverbot gelte.
Ist das nun ein tatsächliches Zurückrudern oder ein taktischer Rückzug? Denn das Umsetzen des Gesetzes und kein Beschäftigungsverbot für umgeimpftes Pflegepersonal – das passt schlecht zusammen. Statt eines demonstrativen Ungehorsams scheinen sich die Herren des Landkreises vorläufig für ein leises Umgehen der Vorschriften entschieden zu haben. Denn einen verschärften Pflegenotstand wollen sie sicher nach wie vor nicht riskieren. Auch nicht den kollektiven Unmut aller Ungeimpften, denn am 12. Juni wird im Landkreis Bautzen ein neuer Landrat gewählt. Da nehmen die Christdemokraten vor Ort am Ende vielleicht doch lieber den Unmut der Staatsregierung in Kauf als den Unmut ihrer Wähler.