Herbert Ammon, Gastautor / 13.05.2021 / 15:00 / Foto: Tomaschoff / 26 / Seite ausdrucken

Diverser Phrasendrescher in Gera gesucht

Im Leben gilt es Widersprüche auszuhalten, etwa im Umgang mit den Social Media – wir nutzen sie, obgleich wir sie aus prädigital anerzogenem Bildungshochmut heraus verachten mögen. Auch verdanken wir ihnen Informationen, die in den Qualitätsmedien kaum Beachtung finden. Gewiss: Wer sich in das Netz von Facebook begeben hat, kommt schwer wieder heraus. Auch muss man im Umgang mit den Friends (genderfrei) vorsichtig sein, es könnten unter den „Freunden“ (oder Freund:innen) einige fragwürdige Existenzen auftauchen.

Und doch: Die Mehrzahl meiner Facebook-Freunde erscheint mir als seriös, viele sogar liebenswert. Einer von ihnen übermittelte folgende Stellenanzeige im Bereich „Politische Bildung“, die mir als leidlich versorgter Pensionär – deutlich unter den Besoldungssätzen der unlängst in den Ministerien der ausgehenden Großen Koalition beförderten Referenten – entgangen wäre.

Es handelt sich um die Stelle einer Referentin / Referent (w/m/d) für den Fachbereich L „Politische Bildung und plurale Demokratie“ (FBL) in Gera.

Die Stellenbeschreibung lautet wie folgt: 

„Am Standort Gera baut die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb eine neue Außenstelle auf. Hier sucht die bpb für den Fachbereich L 'Politische Bildung und plurale Demokratie' (FBL) zum Aufbau und zur Übernahme des Aufgabenbereichs 'intersektionales Erinnerungs- und Transformationswissen' zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Referentin / einen Referenten (w/m/d). Das Beschäftigungsverhältnis ist unbefristet, das Entgelt bemisst sich vorbehaltlich einer noch durchzuführenden Arbeitsplatzbeschreibung nach Entgeltgruppe 13 TVöD.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist eine moderne und innovative Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und orientiert sich mit ihrem Bildungsangebot an den Grundfragen der demokratischen Entwicklung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Hauptdienstsitz der bpb ist in Bonn, weitere Standorte sind in Berlin und in Gera. Weitere Informationen über die bpb finden Sie im Internet unter www.bpb.de

Der Fachbereich 'Politische Bildung und plurale Demokratie' (FBL) hat die Aufgabe, die sich entwickelnden demokratischen Aushandlungsprozesse in einer diverser werdenden Gesellschaft im Kontext sozialer Strategien zum Thema politischer Bildung zu machen. Die Hauptaufgaben bestehen in der Auseinandersetzung mit Dimensionen der Politisierung und Dekolonisierung von Erinnerung, sowie der Erarbeitung von Erkenntnissen, Formaten und Didaktiken einer intersektionalen politischen Bildung. In den aktuellen Erinnerungsdebatten zeichnet sich immer deutlicher die Notwendigkeit ab, kollektive Erinnerungen zu dekolonisieren und damit zu diversifizieren. Gegenstand der ausgeschriebenen Stelle ist u.a. die kritische Auseinandersetzung feministischer Theorie, Gender Studies, postkolonialem Erinnern und deren Übersetzung in politische Bildungsansätze in Auseinandersetzung mit sozialer Ungleichheit und der Abschwächung von Machtasymmetrien im Bildungsprozess (sic!). Ungleichheit und Ungleichbehandlung im Bildungssystem ist nicht nur das Ergebnis so genannter 'sozialer' Benachteiligung und Deprivation, sondern geht auf Diskriminierungserfahrungen von Rassismus, Klassismus, Geschlechterdiskriminierung oder Behindertendiskriminierung zurück, die erhebliche Konsequenzen auch für politische Partizipationserfahrungen generieren. Mit verschiedenen Veranstaltungs- und Publikationsformaten setzt der FBL vorrangig an den Alltags- und Erfahrungswelten der Menschen in Transformationsregionen an und korreliert sie mit den pluralen Lebensentwürfen einer diverser werdenden Gesellschaft, insbesondere marginalisierter Gruppen und Communitys.“

Keine Frage: Die „Auseinandersetzung mit Dimensionen der Politisierung und Dekolonisierung von Erinnerung“ ist – vor allem im Hinblick auf die „Dimensionen“ – überfällig. Die „Ossis“ in Gera und Umgebung werden sich über die ihnen endlich eröffneten westdeutschen Bildungschancen freuen. Die älteren und weniger Bildungsfernen unter ihnen werden sich gleichwohl an den Phrasenkatalog erinnern, mit dem sie während des Studiums im Pflichtfach „Gesellschaftswissenschaften“ gefüttert wurden.

Merke: Der obige Text ist hier aufzurufen. Satura non est.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Herbert Ammon.

Foto: Tomaschoff

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g.schilling / 13.05.2021

Wieviel Kohle gibt es dafür im Monat? Ab 10.000 € mach ich das, aber nur in Teilzeit. Brauch ja noch ein wenig Life-Balance. Sonst gibt Burnout bei dem Stress.

Thorbjörn Johannson / 13.05.2021

Da fällt mir ein Artikel zu Tyota ein, vor Jahren in Die Zeit erschienen. Ich meine nach der Finanzkrise. Da kam auch ein Bandarbeiter Toyotas zu Wor, was er denn tun wolle in den Zeiten nach der Krise? Antwort: Mehr und besser arbeiten. Tja, und hier laufen haufenweise zwar irgendwie nobilitierte Leute rum und produzieren heiße Luft. Mehr ist es doch nicht, was diese Leute da raushauen, ok neben Bergen von Papieren die niemand liest, Wir brauchen eine andere politische Elite, diese müßte wieder zuvörderst die sogenannten Mintfächer hofieren, solchen Einrichtungen wie das FBL und vielen Anderen kann getrost der Geldhahn abgedreht werden.

Robert Korn / 13.05.2021

@Herr Zinga. Ich bin Deutscher,  nicht ungebildet - und kann mir auch nichts unter dekolonisierter Erinnerung vorstellen. Das mag Sie trösten, sofern Sie dessen bedürfen.

Thomas Brox / 13.05.2021

Die Deppen, die den schmarotzenden Staatsapparat durch abgepresste Abgaben und Enteignungen finanzieren müssen, dürfen ihre Verblödung auch noch selbst bezahlen. ++ Im Vergleich mit der staatstragenden Kaste Deutschlands ist die Mafia eine sympathische Organisation.

Gerhard Hotz / 13.05.2021

Erinnert irgendwie an Maleweibi (marxistisch-leninistische Weiterbildung).

Bernd Michalski / 13.05.2021

Postmodern-marxistische Propaganda durch Quasi-Beamte auf Kosten der Steuerzahler. Scheint wir sind wo angekommen, wo 95% der Bevölkerung eigentlich nicht dringend hinwollten. Deutschland verkommt zusehends.

Steffen Schwarz / 13.05.2021

Gera ist berühmt berüchtigt: Höcke Land, Wahlkeis Brandner,  fast OB Lauterbach (Afd) , Stadtrat stärkste Franktion AfD, mit einem Fraktionschef Verleger Dr. Frank, der sogar eine eigene Zeitung vertreibt und dort in ungeheuerlicher Weise AFD, Nazi und Coronaleugnern eine Bühne bietet, so schlimm, das sogar schon eine anonymes Bündnis Gera Nazifrei , bei den Werbekunden vorstellig wird. (Wir wissen wo Du wohnst.) Adresse der Bündnisses (obwohl anonym)  Stadtverband der Linken, im Stadtrat herrscht ständig Bestürzung bei SPD, Linken und Mini-grünen, das es ihnen nicht gelingt Mehrheiten zu beschafffen , da CDU und andere Wählergruppen mit der AfD gemeinsam Sache machen, usw. usf. immer über 25 % Afd Stimmen ohnehin , Da MUSS man doch die Leute bilden.

dr. michael kubina / 13.05.2021

Man kann ganz unten auf der Anzeigenseite der bpb diesen Beitrag mit ein bis 5 Sternen bewerten. Ich habe einen gegeben, vielleicht beteiligt sich ja noch der eine oder andere daran ...

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