Thilo Schneider / 10.06.2019 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 84 / Seite ausdrucken

Diskriminierung? Lasst die Leute doch in Ruhe!

Das gute Stück ist von 1986, von Blancmange, und trägt den Titel: „Why don’t they leave things, as they are? Why don’t they leave things alone?“ Ja, warum eigentlich nicht? Verfolge ich die Medien dieser Tage, so jagt ein Aufreger den nächsten. Hier eine gefälschte Wetterkarte, da eine Klimapanik, dort eine Partei am Abgrund – es ist alles furchtbar, es ist alles schrecklich, und wir werden alle sterben, wenn nicht der andere macht, was der eine will. Die Juden, die Muslime, die Dieselfahrer, die Amerikaner, alle sind unser Unglück und reißen uns in den Abgrund, in die Katastrophe, in den Krieg, in den Bürgerkrieg, in den Schlund der Hölle.

Warum lässt „man“ die Leute eigentlich nicht in Ruhe „ihren Schaff“ machen? „Et hätt noch emmer joot jejange“, wie der Kölner sagt. Vielleicht bin ich zu sehr Liberaler, vielleicht ist mein Menschenbild ja zu optimistisch und positiv – aber ich glaube, allen Menschen hierzulande ginge es besser, wenn man sie einfach machen ließe. Der Fleischereifachverkäuferin ist es egal, ob hier ein Hermaphrodit vor der Fleischtheke steht. Sie wird ihn ebenso bedienen wie die Lesbe nebendran. Der Klimatechniker repariert die kaputte Wasserleitung des beinharten Reichsbürgers ebenso wie die des fanatischen Erdoganwählers. Der Entsorger leert die Mülltonne des SPD-Mitglieds ebenso wie die des AfD-Vorstandes. Und der Bankkaufmann vergibt seinen Kredit dem „alten weißen, heterosexuellen Mann“ ebenso stoisch wie der jungen Vegetarierin. Hauptsache, die Bonität stimmt.

Ja, im Treppenhaus wird getuschelt, wenn der Rock der Jesidin knapp unter dem Schambein endet oder Yussuf plötzlich Kaftan und Häkelhäubchen trägt. Ja, es wird geredet, wenn Herbert Müller plötzlich seine Liebe zu Frauenkleidern entdeckt oder Petra mit Paula jeden Abend Hand in Hand grinsend das Haus betritt. Aber mal ganz im Ernst: Na und? Frau Schmitt aus dem Ersten und Frau Klöbner aus dem Dritten machen das ebenso. Die prüfen auch, ob Jason brav sein Fahrrad in den Fahrradkeller trägt, und es geht ihnen generell auf den Nerv, wenn in Permaschleife ein Ball gegen die Garagentore geschossen wird. Völlig unabhängig, ob das nun Martin oder Mohammed ist, der die Nerven seiner Mitbewohner einem Stresstest aussetzt. Lasst das doch Frau Schmitt und Frau Klöbner tun. Sie haben Freude daran, und beim Haus- oder Straßenfest klärt sich das dann bei Tee, Pita und gedecktem Apfelkuchen. Ja mei, dann isst Gökhan eben nicht von der Salami und Rajesh gibt seine Portion Rindswurst eben ab. Ist halt so.

Piefig, pedantisch, aber freundlich

Die allermeisten Menschen sind vom Grunde her sehr entspannt und es ist ihnen schnurzpiepegal, ob jemand Muslim, Jude, Katholik, Buddhist, Hindu, Sikh oder schwarz oder weiß oder braun oder rot oder gelb ist. Gut, bei grün oder blau würden sie misstrauisch, weil das nicht gesund aussieht, aber ansonsten interessieren sich 90 Prozent aller Bürger einfach nur dafür, ob ihr Gegenüber ein netter Kerl ist und sie ihn auch mal 15 Minuten mit den Kindern alleine lassen können, ohne dass das ein Posten in der Polizeistatistik wird. Und dass er vielleicht auch die Hausordnung macht, wenn er dran ist.

Das große Heer der Arbeitsameisen hier möchte einfach nur seine Arbeit machen und sich abends vor den Fernseher oder den Computer setzen, in seinem Hobbykeller basteln oder am Haus herumwerkeln. Am Wochenende ins Grüne fahren oder im Biergarten zwei Bier in netter Gesellschaft trinken, wenn er oder sie nicht sowieso auf dem Fußballplatz ist und dem Nachwuchs beim Kicken zuschaut. Und es wäre nett, wenn am Monatsende noch so viel übrig bleibt, dass man einfach mal in den Urlaub fahren oder fliegen kann. Ganz harmlose, nette, freundliche, sicher manchmal auch piefige und pedantische Menschen. Aber genau die sind es auch, die hier den Laden am Laufen halten.

Aber halt, aber nein! Diese Menschen brauchen Erziehung. Diese Menschen haben die AfD zu hassen und Milli Görüs zu lieben, von der Hamas begeistert und von Israel angewidert zu sein. Diese Menschen haben gefälligst ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn mal wieder ein Schleuserboot kentert oder ein Tornado über Florida hereinfällt. Diese Menschen müssen nachhaltiger leben, jeden Drecksack lieben und um Himmels heiligen Willen nicht nur wählen, sondern natürlich „die richtige Partei“. Je nachdem, wer gerade von der Seite quakt und was die Öffentlich-Unredlichen predigen. Diese Menschen sind zu dumm für eine eigene Meinung, und die sollen sie auch nicht haben.

Zahlen sollen sie. Einkommensteuer, Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, Energieumlage, Solidaritätszuschlag, Demokratieabgabe, Benzinsteuer, CO2-Abgabe, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung und dabei auch noch KITA-Gebühren, Schulgeld, Kopiergeld, Klassenfahrtgeld, Pflegeheim zahlen, zahlen und nochmal zahlen. Und gefälligst den Mund halten. Die demokratischen Politiker denken schon für sie. Wäre nett, wenn der Bürger sie aus Dankbarkeit für ihr segensreiches Tun zum Wohl des ganzen Planeten wiederwählen würde. Da hängen ja schließlich die eigenen Arbeitsplätze und Diäten dran.

Vorsicht, die Leute werden sonst „komisch“!

Politik muss seit knapp 20 Jahren sowieso nicht mehr erklärt werden, da jede Entscheidung aus Berlin eh alternativlos ist. Unten steigen die Belastungen, Vorschriften und Gängeleien, oben die moralischen Ansprüche an die Wählenden. Und wehe, Frau Klöbner oder Frau Schmitt ziehen nicht mit und weigern sich, sich voller Freude wegen der Eheschließung von Petra und Paula abzuklatschen. Dann ist aber was los.

Ich meine es wirklich ernst: Lasst endlich Frau Schmitt und Frau Klöbner in Ruhe. Die regen sich auf und wieder ab. Und machen dann die Hausordnung. Und sie werden Familie Özturk fragen, ob sie die Blumen während deren Türkeiurlaub gießen sollen. Im Gegenzug wollen sie kein freches Maul und kein „Nazi“, wenn sie sich beschweren, dass Klein-Mohammed oder Jonas quer durch die frisch gepflanzten Beete latschen oder ihre Fahrräder im Hausflur übereinander puzzeln.

Wenn sie aber gezwungen werden, dass sie gefälligst trotzdem „kultursensibel“ oder „gendersensibel“ oder „klimasensibel“ oder „sensibelsensibel“ sein sollen – dann werden sie genau das nicht mehr sein. Aus Trotz. Niemand muss nämlich den beiden das Leben erklären. Die haben ihre Kinder großgezogen und pflegen nebenher noch die demente Mutter. Den beiden sind Donald Trump und das Dritte Geschlecht herzlich egal. Die nehmen alles, wie es kommt, und das haben sie bisher ganz gut genommen. Hört auf, die beiden blöd von der Seite anzuquatschen. Die werden sonst „komisch“ und dann wird es wirklich unschön. Aber genau das passiert im Moment. Das ist nicht gut. CDU und SPD zahlen bereits den Preis dafür.

Foto: Timo Raab

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Bettina Rosberg / 10.06.2019

Leben und leben lassen setzt voraus, dass alle Beteiligten dies wollen.  Hier wurde aber der andere Pendelausschlag ausser acht gelassen, nämlich ob die Dritten im Bunde (neben “Gutmenschen und Rechten”), vulgo die Neubürger, ein Interesse daran haben… So entsteht etwas der Eindruck, es wäre alles Eitel Wonne Sonnenschein, wenn sich nur die Gutmenschen nicht so aufführen würden.

Karl-Heinz Brandt / 10.06.2019

@Karla Kuhn Ich möchte doch arg hoffen , dass für mich ein Platz in der Hölle reserviert ist , verehrte Frau Kuhn . Und zwar bitte mit VIP Bändchen und Freigetränk .

Sabine Schönfelder / 10.06.2019

So spricht ein echter Liberaler! Jedem Tierchen sein Plaisierchen, savoir -vivre, Toleranz und Miteinander, Kampf der Agitation und den engstirnigen Ideologen! Aber sind wir doch mal ehrlich, lieber Herr Schneider, realistisch, ( mittlerweile ein Fremdwort, dessen Bedeutung Politikern, im Gegensatz zu Frau Schmitt und Frau Klöbner, fremd ist) auch die FDP arbeitet an der grün-linken Indoktrinationsnummer mit! Haartransplantat Lindner hat es sich zur vornehmsten Aufgabe gemacht, die einzige Partei im Bundestag, die sich für echte Probleme von Menschen wie Frau Schmitt und von Frau Klöbner einsetzt, zu attackieren und desavouieren. Eine kleine Gefälligkeit zugunsten einer hoffentlich der FDP gewogenen Presse, und eine völlig vergebliche Appeasementhaltung, wie die Partei mittlerweile gelernt haben sollte. Mit netten Sprüchen und sympathischen Vorstellungen läßt sich die Gesellschaft nicht verändern. Konsequentes und vorbildliches Handeln in der Machtzentrale Bundestag gegen Indoktrination und Gängelung von SPD/CDU, Grünen und Linken wäre das Mindeste, was ich von einer liberalen Partei erwarte. Dann klappt’s auch mit den Wählern!

Karl-Heinz Vonderstein / 10.06.2019

Was hier im Land schon alles als rassistisch gilt! Ein Beispiel:In einer Talksendung vor ein, zwei Jahren war eine schwarze Deutsche zu Gast, so um die Mitte 30 und macht irgendwas mit Musik, sie wurde hier geboren und ihre Eltern kommen ursprünglich aus Ghana. Sie erzählte, wie Menschen sie schon mal öfters ansprechen und fragen würden, schon seit der Schulzeit bereits, aus welchem Land sie denn käme oder wo sie denn so gut Deutsch gelernt hätte. Dann kläre sie die Menschen immer auf, dass sie hier geboren wurde und zur Schule gegangen ist und hier studiert hat und dass sie hier lebt und Deutsche ist und ihre Eltern früher aus Ghana weggegangen seien und nach Deutschland ausgewandert sind. Sie findet das rassistisch, dass die Leute sie das fragen würden. Als wenn sie damit sagten, sie könne doch keine richtige Deutsche sein, meinte sie. Sie bekam viel Applaus dafür und schon fing eine Diskussion in der Sendung an über Rassismus in Deutschland.

Hubert Bauer / 10.06.2019

@ Juliane Werding: Sind Sie die bekannte Sängerin? Schön, dass Sie hier lesen und schreiben.

beat schaller / 10.06.2019

@HaJoWolf @Frank Holdergrün. Genau so sehe ich das auch. Eigentlich habe ich die Tendenz Herrn Schneider zu zu stimmen, aber wir haben hier leider ein nicht zu unterschätzendes Problem mit einer Ideologie, die eben weder anpassungsfähig noch integrierbar ist.  Das müsste eigentlich heute bereits jedem ins Auge springen.  b.schaller

Rex Schneider / 10.06.2019

Auf den Punkt getroffen.

Kai Nissen / 10.06.2019

Der Gedanke, Politiker und linkskonformistische Medien sollen 90% der Leute einfach mal in Ruhe lassen, ist typisch liberal und frei! So denke ich irgendwie auch, und bin deswegen eigentlich auch eher “entspannt”. Aber in der heutigen Zeit des betreuten Denkens habe ich so zu denken und zu sagen, wie im Denkkorridor vorgegeben. Damit habe ich ein Problem und werde dann auch mal “komisch”. Jetzt hinterfrage ich eher, was von den Mainstream-Medien präsentiert werden. Das Vertrauen, welches ich voll und ganz in der freien und unabhängigen deutschen Presse auf dem Boden eines demokratischen Staates, ja sogar voll und ganz in der kinderlosen Mama hatte, ist nicht mehr da.

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