Roger Letsch / 10.12.2021 / 14:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 15 / Seite ausdrucken

Digitalisierung in Deutschland – eine Odyssee

Wenn im digitalen Schwellenland Bundesrepublik der Internetanschluss zusammenbricht, beginnt die Odyssee durch die Hotlines. Und auch die Kommunikation mit Helfern aus Fleisch und Blut gestaltet sich schwierig.

Es ist so tröstlich, dass neben dem Versagen von pandemischem Ausmaß in Deutschland weiterhin auch im Kleinen wenig funktioniert, was dem Alltag abseits der großen Impfisierung des Landes eine gewisse Würze gibt. Da wäre die Digitalisierung, die mit Siebenmeilenstiefeln Flugtaxis im Land verteilt. Und wie das im Digitalen nun mal so ist, bekommt man manchmal die Eins, manchmal aber auch die Null. In Kooperation mit einem regionalen Provider zieht ein großer deutscher Faserverleger – nennen wir ihn „Deutsche Spaßfaser“ – von Ort zu Ort, damit die Bewohner den Anschluss an die Zukunft nicht verlieren. Nach einem Monat reibungslosen Betriebes endete am 26. November um 9.00 Uhr schlagartig der Datengeschwindigkeitsrausch, und die Odyssee durch die Hotlines begann.

Der immer ungehaltener werdende Kunde Letsch traf dort auf zunehmend harthirnige Callcentermitarbeiter mit wenig Problembewusstsein. Wenn nicht gleich aufgelegt wurde („Kein Telefonpasswort, keine Störungsmeldung“) hieß es, die Störung sei „ins System eingetragen“, und mehr könne man da nicht machen. Mein Einwand, dass ganz offensichtlich mit dem System etwas nicht stimme, wenn nach einer Woche immer noch kein Techniker vor Ort gewesen sei, um den „Faserschaden“ zu reparieren, und dass es nun doch langsam Zeit sei, vom Sessel aufzustehen, zum Chef zu gehen und dafür zu sorgen, der Angelegenheit endlich eine gewisse Dringlichkeit beizumessen, wurde mit dem Hinweis beantwortet, das Aufstehen würde nichts nützen, da man im Homeoffice arbeite. Das täte ich ja auch gern, erwiderte ich, nur leider müsste dazu irgendjemand zunächst mal das Homeoffice verlassen, um den Schaden zu reparieren, der mich daran hindert, im Homeoffice zu arbeiten.

Ich weiß nicht, was genau es dann war, das den Provider letztlich doch dazu brachte, einen Gang höher zu schalten. Vielleicht mein Hinweis auf meine journalistische Tätigkeit, die gerade sehr eingeschränkt sei und sich gewissermaßen zu einem See aus Zorn aufstaue, oder die seit 1. Dezember veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die genervten Kunden bessere und schnellere Ansprüche auf Schadenersatz zusprechen. Jedenfalls kam nach einer Woche des Wartens ein Anruf aus der Chefetage des Providers. Man verstehe meine Verärgerung, könne sich die Kommunikationspannen kaum erklären, hätte erstaunt bemerkt, dass die an „Deutsche Spaßfaser“ weitergereichten Störungs-Tickets immer wieder geschlossen wurden, obwohl nichts erledigt sei und habe dort nun etwas Druck gemacht.

„Kollege falsch gepatcht“

Der Nikolausmontag brachte dann nicht nur die Jubelmeldung, die Zahnfee sei designierter Gesundheitsminister, sondern auch einen Techniker, der den „Faserfehler“ binnen zehn Minuten beheben konnte. Es war leider nicht einfach, sich mit dem Techniker zu verständigen, denn dafür müsste ich des Rumänischen mächtig sein. Aber meine Frage nach der Ursache des Problems konnte er beantworten: „Kollege falsch gepatcht.“ Zehn Tage Internetausfall also, weil jemand im zentralen Sammler einen Stecker falsch gesteckt hatte!

Tags darauf ruft die Chefetage des Providers nochmal an, man scheint in Plauderstimmung. Es ist ein Gespräch, wie man es wohl führt, wenn man jemanden langsam und vorsichtig auf seine Seite ziehen möchte. Dem Kunden zustimmen, selbstkritisch sein, die Kritik an der „Deutsche Spaßfaser“ teilen und sich empört darüber äußern, dass die Techniker vor Ort der deutschen Sprache nicht mächtig sind – ich bin offensichtlich auf der Insel der Circe angelandet. Die Ankumpelei kommt recht angenehm rüber, doch je mehr Zeit verstreicht, desto drängender wird die Frage nach dem Zweck des Anrufs. Ich frage also nach und die andere Seite ringt erkennbar um Worte. Es sei nämlich so, dass zum exakten Zeitpunkt der Reparatur meines Anschlusses (wir erinnern uns: Kollege falsch gepatcht) ein anderer Anschluss im Ort ausgefallen sei und nun befürchte man, dass, wenn die Reparatur dieses Fehlers erfolge, womöglich mein Anschluss erneut, nun ja… Er verspricht, das Serviceticket offen zu halten und sich am Donnerstag wieder bei mir zu melden, nur um sicherzugehen und offensichtlich auch, um mich bei Laune zu halten.

Am Mittwoch, zwei Tage nach der Reparatur, klingelt mein Mobiltelefon. Es meldet sich in gebrochenem Deutsch der Subunternehmer der „Deutschen Spaßfaser“ und will wissen, ob mein Internetanschluss noch funktioniere. Ich erwidere, dass ich das aus der Ferne gerade nicht überprüfen könne und nein, ich könne auch gerade niemanden wie gewünscht telefonisch beauftragen, dies zu tun. Er mache sich Sorgen, so der Anrufer, dass der Anschluss vielleicht kaputt sei und wolle vorsorglich am nächsten Tag einen Techniker schicken. Sollte die Befürchtung des Providers sich also bestätigen oder wird nun alle paar Tage ein Techniker zu mir kommen, um meinen Anschluss zu überprüfen? Oder sind die Techniker nun vielleicht schneller als die Störungen? Abends wieder zu Hause wird klar, wie dringend ich den Techniker brauche: Der Anschluss ist erneut gestört und war es, bis er vor 20 Minuten erneut „repariert“ wurde. Die geradebrechte Erklärung des rumänischen Technikers lautete diesmal: „Kabel kaputt austauschen.“

Noch bin ich also nicht am Ziel meiner Reise, der digitalen Insel Ithaka, angelangt. Heute Abend erwarte ich nämlich den nächsten Anruf meines Providers, und ich habe das dumpfe Gefühl, dass, kaum als an meiner Glasfaserbox die grüne Lampe leuchtete, irgendwo in meiner Nachbarschaft jemand laut „Verdammt, das Internet ist tot!“ brüllte. Es bleibt also spannend im schwach digitalisierten Deutschland. Besonders dann, wenn man wie ich die Seite der Null erwischt hat. Mal sehen, zu welchen Abenteuern mich der Zorn des Poseidon und die Winde noch tragen werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Stanley Milgram / 10.12.2021

Quintessenz: Deutschland zählt inoffiziell bereits zur 3. Welt… ja, und es kommt noch schlimmer.

Wolfgang Richter / 10.12.2021

Zur Ehrenrettung der Telekom kann ich für uns nur sagen, daß bei Störungen zügig und erfolgreich “repariert” wurde, selbst als bei dem Neuaufbau “unserer” Straße die Fachkräfte das Kunststück fertig brachten, in einer Phase des Projektes alle paar Tage die Leitung zu kappen. Und die Leistung ist für unsere Zwecke auch ok.

Wolf Hagen / 10.12.2021

Und das, wo der kanzlernde Olaf auf dem Sonderparteitag der SPD doch in seiner sonderbaren Rede, fast schon kaiserlich bemerkte, Deutschland “habe die besten Wissenschaftler:Innen und Ingenieur:Innen, weshalb nur Deutschland den anderen Ländern zeigen könne, dass es auch anders geht!” Also am deutschen Wesen soll zuerst einmal das Klima genesen. Offenbar hat man aber in Deutschland nicht mehr die besten Techniker, also innen, wie außen, dank einer kaum wahrgenommenen Bildungskatastrophe, Deshalb greift man nun eben auf u.a. rumänische Techniker zurück, schließlich kommen von dort ja auch bekanntlich viele Fachkräfte im Bereich “private Vermögensumverteilung”. Neben all den Fachkräften aus aller Welt in den Bereichen “Drogen Im- und Export”, “einseitige sexuelle Wunscherfüllung”, “Clan-Kultur” und natürlich “Messerlogie, Islamismus und Attentatsdurchführung”. Zwar eröffnet die grün-linke und berittene Gebirgsmarine seitdem selbst im tiefsten Binnenland “sicher Häfen”, aber sichere Bahnhöfe sind in Deutschland nun eher Mangelware. Tja, Herr Letsch, die Rettung des Weltklimas und die Stärkung des Islamismus in Deutschland und Europa sind Staaträson im besten Deutschland aller Zeiten, echte Probleme wie etwa die mangelhafte Digitalisierung stören da nur. Deal with it, wie man neudeutsch sagt.

Claudius Pappe / 10.12.2021

Die ” beste “Hotline hatte ich bei der Deutschen Rentenversicherung : von Nichts keine Ahnung. Auch Vor Ort bei der Niederlassung derselben, in D…........Von Nichts keine Ahnung ( die beratende Dame lebte früher wohl auch in Rumänien) ...ich habe auch noch gewagt zu fragen, ob sie Beamtin sei…...Erst beim Rentenberater der Stadt ( kein Beamter, alter weißer und weiser Mann) wurde ich höflich ,zuvorkommend und fachgerecht beraten.

Karla Kuhn / 10.12.2021

Gerhard Hotz , klar, Höhlenmalerei, denn wenn die Wohnungsmiete samt NK , Heizung und Strom ins unermeßliche gestiegen sind, werden wir noch froh sein, in der Höhle die Wände bemalen zu dürfen. In paar Tausend Jahren wird dann vielleicht von Forschern gerätselt, was die Zeichnungen bedeuten. Ich lache mich kringlich, wenn Typen wie Habeck und Bärbock über Digitalisieung quasseln

Johannnes Kurz / 10.12.2021

Ich möchte dazu auch einen Beitrag machen, der mich selbst gar nicht mal schmerzt, sondern nur ungläubiges Unverständnis hervorruft: Glasfaseranschluss in der Schweiz (i***7.n*t), 25 GBit (das sind 25.000 MBit), symmetrisch (auch im Upload). In der c’t anfang des Jahres gelesen, Anschlusskosten etwa 330,- sfr bei monatlichem Preis von 69,- sfr. Und jetzt kommt ihr nochmal dran, ihr (“unsere”) Digitalisierer. Die Schweiz hat nächstes und übernächstes Jahr auch noch Strom für alle in der Steckdose, habe ich gehört.

Harald Unger / 10.12.2021

“Züge, Schulen, Internet - Ein Land, das einfach funktioniert.” - - - Als ich dieses Plakat zum ersten mal sah, mit dem peinlichen Sokrates Darsteller, jetzt Vizekanzler und Vormund aller Bisherdeutschen - war das eine gleichsam ‘Monade’. Bisher Selbstverständliches ist jetzt Zukunftsprogramm. Besser konnte der dunkle, enge, schäbige und trostlose Hinterhof nicht ausgedrückt werden, zu dem genau solche Typen ein einst gedeihliches und schönes Land herunterwirtschaften. Wo unter der µ starken Oberfläche billigsten Marketings, der Zivilisationsbruch, die Barbarei ihre gierigen, gewalttätigen Fratzen kaum noch zurückhalten können.

D. Schmidt / 10.12.2021

Während D. noch darum kämpft von seinem Provider die teuer zu bezahlenden, zugesagten 50 MBit Internetanschluss auch wirklich zu bekommen, sind Schwellenländer schon dabei Rabatt auf 200 Mbit Glasfaser zu geben für den ohnehin schon halben Preis wie bei uns. D. ist ein Abzockland mit Segen der Regierung. Alle erfundenen Ausreden, warum dies und das nicht geht für den billigen Preis, sind erstunken und erlogen. Die 3 dominierenden Anbieter wollen sich die Taschen voll stopfen, sonst nichts. Alle anderen Länder können billiger, weil sie sich nicht trauen ihre Kunden zu verarschen. In D. wird der Kunde verarscht und fühlt sich auch noch wohl dabei. Mit Dummen kann man es eben machen. Und wir haben sehr viel Dumme (aber Schlaumeier), die absolut nichts auf die Reihe bringen. Mehr fällt mir spontan auch nicht zu dem Thema dazu ein.

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