Thilo Schneider / 20.12.2019 / 12:00 / Foto: Michael Schilling / 132 / Seite ausdrucken

Dieter Nuhr muss aufpassen

Dieter Nuhr hat es erwischt. Seit ein paar mehr oder weniger lustigen Witzchen über die Heilige Greta fegt über den armen Mann ein stärkerer Shitstorm hinweg als einem Installateur bei der Rohrreinigung im Keller eines Hochhauses. Und ein und ums andere Mal muss „da Dieta“ erklären, warum Respekt und „miteinander reden“ so immens wichtig in einer Demokratie sind, so, als hätten wir noch eine Gesellschaft, in der ein freier Diskurs angesagt wäre. 

Ich beobachte Dieter Nuhr seit Anfang der Nuller, als er noch Witze über seine Turnschuhe oder seine Tapete im Kinderzimmer machte. Ich halte ihn mit seiner leisen und unaufdringlichen Art und der ein oder anderen langsam sickernden Pointe für einen der ganz Großen unter der böhmerbemannten und -beamteten Comedy-Szene in Deutschland. Er ist so ziemlich der einzige Comedian, der noch als konservativ zu bezeichnen ist und der, umso schlimmer, daher auch ständig gezwungen wird, sich gegen den rechten Rand abzugrenzen. Nuhr ist einer der letzten Bundesrepublikaner, und er weiß das. Er macht einen härteren Job als der zwar witzige, aber wohlfeile Volker Pispers oder der teilzeitwitzige Pöbel-Jan mit seiner tourettistischen Grenzgängerei. 

Und Nuhr ist einer der letzten Gentlemen. Da, wo ein mit Rundfunk-Gebühren gepimpter Böhmermann öffentlich und rechtlich fordern darf, „dass doch endlich jemand Dieter Nuhr die Fresse poliert“, hat Nuhr keine Waffengleichheit zu erwarten und muss mit einer Hand auf dem Rücken kontern. Wenn er sich überhaupt auf das Bahnhofstraßenniveau von Böhmermann herablassen möchte. Und damit wären wir auch beim eigentlichen Problem: Mit Leuten, die Dir „die Fresse polieren“ wollen, ist kein „miteinander reden“ mehr möglich. Das ist von den Polierern auch weder gewollt noch gewünscht und hat mit „Comedy“ so viel zu tun wie Ralf Stegner mit Hedonismus. Die Böhmermänner wollen sich nur einfach selbst und gerecht darstellen, und da liegt auch der große Denkirrtum von Dieter Nuhr. Es will niemand mit ihm reden. Ich hätte ihm 1995 recht gegeben, 2010 noch wenigstens Hoffnung gehabt, dass das vom Grunde her geht, aber in 2020 ist „miteinander reden“ nicht mehr möglich. Teilweise nicht einmal mehr im Freundes- oder wenigstens Familienkreis. Dafür oder Dagegen – dazwischen gibt es nichts und gibt es nicht mehr. Die Hölle für diejenigen mit leichten Zwischentönen und Ironie. Ich weiß, wovon ich rede. „Die AfD“ ist Nazi und wer das abstreitet, ist auch einer. 

Eine regierungszärtliche Kabarettistenszene

Dieter Nuhr muss aufpassen: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, aber auch eher linke Printmedien gehen Konservativismus nur eine begrenzte Zeit mit, wie der begabte Uwe Steimle jüngst erfahren durfte, den der MDR aufgrund der Aussagen von vor einem Jahr in einem Interview mit der Jungen Freiheit vor die öffentlichen Mitteltore gesetzt hat. Man beißt nicht die Hand, die einen füttert. Zumindest, wenn die Fütterung nur durch eine Hand statt durch die zahlreichen Hände von Millionen Demokratieabgabeleistern („Gebührenzahler“ ist so ein hässliches Wort) passiert. Steimle wird den umgekehrten Weg vieler Youtuber gehen – gestern noch auf den großen Fernsehbühnen, heute schon vom heimischen Videoblog inklusive Schrankwand. Wo früher ein Dieter Hildebrandt oder Bruno Jonas tatsächlich noch, von öffentlichen Geldern gesponsert, gegen alles und jeden stänkern durften, hat sich längst eine regierungszärtliche Kabarettistenszene etabliert, die ihrem wohlgesonnenen Publikum die Rückseite des Spiegels zeigt, den sie den Nichtanwesenden vorhält. Und alles klatscht begeistert mit. Trump ist doof, Johnson ist doof, die AfD ist doof. Weiß man ja. Comedy mit hundertprozentiger Zustimmung im Saal ist leichter, als wenn auch nur einer beleidigt den Raum verlässt, weil ein Lehrer-Witz erzählt wurde. Oder ein Doppelnamenjoke.

Die Zeiten sind rau und sie sind es erst recht, wenn man – wie Nuhr – „ein privilegierter alter weißer Mann“ ist, der wegen des Wortes „Klimakatastrophe“ nicht sofort in einen ohnmächtigen Schreikrampf fällt, weil er schon Tschernobyl, das Waldsterben, die Energiekrise, den Kalten Krieg und das Ozonloch überlebt hat. Zuweilen herrscht der Eindruck, die ARD hält sich Nuhr als konservativen Pausenclown, so, wie es der Spiegel einst mit Jan Fleischhauer tat. Damit eben auch mal die andere Seite zu Wort kommt – nur bitte nicht so laut. 

Und bitte auch keine Witze über Türken oder Araber. Dafür gibt es die Kaya Yanars und Serdar Somunküsse dieser sensiblen Anteilnahmerepublik. Alles andere wäre ja auch rassistisch und führe direkt auf die Autobahnabfahrt nach Buchenwald. Und wie humorvoll manche Angehörige des Islam auf entsprechende Witze reagieren, hat Nuhr ja auch schon am eigenen, zum Glück bisher nur virtuellen Leib erfahren.

Die Republik hat sich gewandelt. Das Zotige, das Unwitzige, feiert seine Wiederkehr, und wer kabarettistisch auf die falsche Zielscheibe anlegt, findet sich schneller auf der virtuellen oder sogar reellen Schlachtbank, als er „war doch nur ein Scherz und nicht so gemeint“ sagen kann. Früher war eine Satire gut, wenn 90 Prozent der Zuschauer und -hörer lachten und sich 10 Prozent ärgerten. Weil sie erwischt wurden. Heute braucht es Einhundert Prozent Zustimmung. Sonst ist jemand traurig – und das will ja keiner. Also, dass der Falsche traurig ist. Diese Republik hält nichts mehr aus. Und auf. Nuhr ist „last old white man standing“ – und auch das weiß er. Er tut mir leid. Er ist aus der Zeit gefallen. Und es dürfte nur eine Frage von Wochen sein, bis die ARD sich einen Geschmeidigeren sucht. Oder eine Geschmeidigere. Eine Frau würde sich quotenmäßig gut und modern machen. Carolin Kebekus – übernehmen Sie. 

(Weitere nichtöffentlich-rechtlich bedenkliche Beiträge des Autors auf www.politticker.de )

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Leserpost

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Heiko Engel / 20.12.2019

Das ist es, Herr Schneider. Das ist der Mehltau und die Agonie die über diesem Land liegt. Zum Lachen geht man heute in den Keller. Zum weinen bringt uns Berlin. Und Hofkasper des ZDFs überleben solange bis der Wind sich dreht. Oder jemand es billiger macht. Dieses Land und diese Bevölkerung haben kein Selbst. Die Reste davon werden , für einige Cent, nach Gusto, an der nächsten Garderobe abgegeben. Die Szene wirkt reißerisch angstkonditioniert. Diskurs wird nicht geführt, weil kein Wollen ? Nein. Es existiert dafür schlicht kein Können. Dagegen wirkt das katholische Dogma der Inquisitionszeit gelegentlich wie ein erfrischender Sommerregen. Und… Böhmermann ? Was ist das ? Eine Toilettenpapiermarke ? Eine Firma, die Senkgruben baut ? Ein Inquisitor ? Sagt mir nichts. Frohe Weihnachten

Andreas Rühl / 20.12.2019

Nuhr ist nicht frech und laut genug, das ist das Problem. Deshalb nimmt man ihm bei seinem Witzwort. Jetzt kann man nun wahrlich nicht behaupten, deutscher Humor sei je besonders subtil gewesen und leise. Auch darin hat sich der Deutsche eher des Säbels bedient als des Floretts. Merkwürdig genug, dass die Subtilen aber die höchste Wertschätzung genießen, etwa der Wort- und Sprachgigant Heinz Erhardt, der britische Loriot oder der aus meiner Heimatstadt stammende (und gleichwohl für Nichthessen erträgliche) Wolf Schmidt. Das Merkwürdige ist aber leicht zu erklären. Die wenigen Subtilen ragen heraus aus der Schar der lauten Brüllclowns. Und der Deutsche sehnt sich ja per se nach dem, was er nicht ist, was er nicht hat. Kein Land hat eine solche Sehnsucht danach, ein anderes Land zu sein, kein Volk danach, ein anderes Volk zu sein. Daher ist, was Nuhr macht, nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern aus dem Land selbst. Wundert es, dass Erhardt, Loriot, Schmidt zur “alten Republik” gehören? Wer heute “Ein Herz und eine Seele” drehen würde, würde mit einem Bein im Gefängnis stehen, und das meine ich ernst. Ein religiöser Eifer hat das Volk erfasst, zumindest die, die Shitstorms lostreten. Ihre Antennen sind ständig auf Empfang, wo irgendeiner der geliebten Minderheiten oder der geliebten Ikonen ein Unbill geschieht. Fanboys, das weiß jeder, der sich in der Computerspiele auskennt, dulden keine Angriffe auf ihren Fetisch. Denn das ist ein Angriff auf sie selbst. Wer dissed wird gedisssed. Gnadenlos. Von daher hat Herr Schneider schon recht: Nuhr will sprechen mit Leuten, die alles wollen, nur nicht mit ihm sprechen. Er ist im falschen Film, im falschen Spiel. Die einzige Chance wäre, die zu dissen, die ihn dissen. Aber vermutlich weiß er nicht mal, was das ist.

Axel Gojowy / 20.12.2019

Der gestrige “Jahresrückblick” D.Nuhrs hatte es in sich. Kein Kabarett - sondern grausige Wagrheiten, dass mir das Lachen im Halse steckenblieb. O=b es dem Publikum die Augen endlich öffnet, in welchem Zustand wir leben? Es kamm bezweifelt werden - eher wird man ihn schlachten. Wo bleibt eigentlich die Solidarität der Kabarettisten, keiner (auch D.Nuhr nicht) hat zu seinen abendlichen Gästen es gewagt, den verstossenen Steimle einzuladen.

Andreas Spata / 20.12.2019

Vor nicht allzu langer Zeit durfte der islamkritische Andreas Rebers noch bei Nuhr auftreten. Jetzt sind wir schon einen Schritt weiter, Rebers wurde ersetzt. Warum wohl?  Legendär die A. Rebers “Islamistenpolka”

Peter Gegesy / 20.12.2019

Dieter Nuhr ist ein geistreicher, tiefgründiger, großartiger Kabarettist, der mit beißendem Witz (Spott) die Auswüchse des heutigen Zeitgeistes angeht. Somit leider schon fast ein Unikum bei dem sich immer weiter ausbreitenden Konformismuszwang. Seine «obligatorischen» Bashings hingegen (immer dabei: AfD, oft Trump, mitunter auch Johnson) wirken hingegen wenig überzeugend, wie Fremdkörper in seinen gelungenen Shows, stereotyp, schablonenhaft und von dürftigem Niveau. Wenn einen dies stört, kann man ja den Ton für ein paar Minuten abschalten, bis er sich seiner «Pflicht» entledigt hat und dann den Rest der Sendung genießen.

Bernhard Idler / 20.12.2019

Da ich normalerweise nicht fernsehe, sehe ich Nuhr nur zufällig und ausschnittsweise. Das letzte Mal waren es Tiraden gegen die AfD, wohlfeil und linientreu, garantiert humorfrei, so daß das Saalpublikum ohne Angst vor Sündenstrafen johlen konnte. Jetzt höre ich, er habe sich über Greta und ihre Klimaschafe mokiert und sei deshalb angefeindet worden. Er ist sicher nicht unbegabt, aber doch eher eine Stütze des Parteienfernsehens. Als solche kann er als Ventil des allgemeinen Frustes über die staatsfrommen Medienkampagnen dienen, zru Seelenmassage des belogenen und klimageplünderten Demokratieabgabenzahlers.

Bernd Klingemann / 20.12.2019

Dieter Nuhr ist klasse. Wenn er machte wie er könnte, hätte er noch mehr Fans, aber keinen ÖR-Job mehr. Leider wird es auch ohne sein Zutun bald soweit sein, da stimme ich Ihnen zu, Herr Schneider. Deshalb: NuhrTube samt Personenschutz! Ich bin sein erster Abonnent.

Yvonne Flückiger / 20.12.2019

Dieter Nuhr ist intelligent. Und Intelligenz bedeutet selber-denken und ist genau darum verboten. Denn heute ist Sprache, dh. politisch-korrekte Wortwahl wichtiger als der Inhalt. Nur noch betreutes Denken und Sprechen sind erlaubt. Der arme Herr Nuhr ist genau deswegen unter die Räder gekommen. Aber im Gegensatz zu allen andern Feiglingen, steht er noch und verteidigt seine absolut harmlose Wortwahl und seine Witze gegen die totalitäre und dumm-dreiste Sprachpolizei. Bravo! Wir brauchen genau das. Humor mit Mut und Intelligenz.

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