Ulli Kulke / 04.11.2016 / 15:00 / Foto: Mary Morris / 0 / Seite ausdrucken

Dieser Maut-Kompromiss ist ungerecht

Den Maut-Kompromiss, den EU-Kommissionspräsident Juncker und Verkehrsminister Dobrindt gefunden haben, muss jeder bundesdeutsche Autofahrer, der irgendwann mal durch die Schweiz, Österreich oder (vor allem) Slowenien nach Süden aufgebrochen ist und dabei die Gebühren verglichen hat, als Zumutung empfinden. Wenn ich mich recht erinnere, sollte es beim neuen Autobahnmautsystem für PKW darum gehen, auch die ausländischen Benutzer der Autobahnen an der Finanzierung der Straßen zu beteiligen. Ein Prinzip, das in einer Durchgangsregion wie Deutschland durchaus legitim ist.

Das jene anderen Durchgangsstaaten bereits sattsam anwenden, allerdings anders, als es Juncker den Deutschen nun offenbar erlauben will. 
Die unterschiedliche Belastung der einheimischen und der auswärtigen Fahrer (beziehungsweise die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit in dieser Frage) lässt sich ganz einfach an einem Verhältnis ablesen: nämlich dem der jeweiligen Vignette für ein ganzes Jahr zu der für eine kurze Durchfahrt. Das Beispiel Slowenien ist am krassesten: Die Jahresgebühr beträgt 100 Euro, die für sieben Tage (kürzeste Einheit) 15 Euro. Schon der Einwochen-Urlauber auf dem Weg nach Kroatien und zurück (Rückfahrt am 8. Tag!) muss also 30 Euro zahlen (auch wenn er die Monatsvignette nimmt, die kostet nämlich auch 30 Euro), während die Slowenen ein ganzes Jahr für 100 Euro auf ihren Autobahnen fahren.

Das slowenische Autobahnetz, von der EU subventioniert, umfasst gut 500 Kilometer, der genannte Urlauber nutzt davon jeweils etwa 100 Kilometer. Ein eklatantes Missverhältnis bei der Belastung von Einheimischen und Durchreisenden, eine Unverschämtheit. Soweit Slowenien. Und was ist für Deutschland geplant? Das deutsche Netz soll ebenfalls etwa 100 Euro für ein Jahr kosten, für In- und Ausländer. Mit dem Unterschied, dass es 26 mal so lang ist, nämlich 13.000 Kilometer. Dieser krasse Unterschied – geschenkt, mir kommt es auf etwas anderes an: Ausländische Nutzer hierzulande nämlich sollen laut Vorstellungen von Juncker und Dobrindt eine Zehntages-Vignette bekommen, für 2,50 Euro.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht

Nicht nur, dass man damit an zwei aufeinander folgenden Samstagen (bei einem Ein-Wochen-Urlaub zum Beispiel) die Bundesautobahnen nutzen kann, der Preis für die Kurzzeit-Nutzung ist verschwindend gering, besonders im Verhältnis zum Jahrestarif von 100 Euro. 
Was das Ganze aus Sicht des bundesdeutschen Autofahrers so ärgerlich macht: In Österreich zum Beispiel ist es zwar nicht ganz so krass wie in Slowenien, aber ähnlich. Da kosten zehn Tage 8,80 Euro, dafür ist die Jahresgebühr (die natürlich für die Einheimischen anfällt) nur 85 Euro.

Ähnlich ist es in anderen, meist östlichen EU-Staaten. In der Schweiz – das als Nicht-EU-Land machen kann, was es will, und dies auch eiskalt so handhabt – ist man gleich ganz konsequent und bietet dem Einmaldurchreisenden wie dem Einheimischen gleich nur das Jahresticket an: 37 Euro.
 Die Ausgangslage in den europäischen Ländern ist sehr unterschiedlich, es gibt klassische Durchreiseländer wie die Alpenstaaten, Deutschland aber auch. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass vor allem diese Länder die auswärtigen Autofahrer an den Infrastrukturkosten beteiligen wollen.

Das bundesdeutsche Autobahnetz ist mit Abstand das größte in Europa, es ist ebenso am besten ausgebaut, und – trotz fehlender Geschwidigkeitsbegrenzung – mit das sicherste. Es ist nicht einzusehen, warum hierzulande die Durchreisenden aus dem Ausland derart verschont werden, jedenfals so lange in anderen Ländern das Gegenteil der Fall ist.
 Letztlich gibt es nur eine einzige wirklich gerechte Lösung: Das Road Pricing, das anteilmäßige Zahlen für jeden gefahrenen Kilometer, egal ob mittels Mautstationen, elektronischer Erfassung oder – die einfachste und effektivste Lösung – die Umlage auf die Mineralölsteuer. Würde dies EU-weit einheitlich geschehen, bräuchte man auch keine Verwerfungen in den grenznahen Regionen zu befürchten haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ulli Kulkes Blog Donner und Doria hier.

Foto: Mary Morris PM via Wikimedia

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