Hamed Abdel-Samad, Gastautor / 24.12.2015 / 16:07 / 7 / Seite ausdrucken

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Hamed Abdel Samad

Lamya Kaddor gibt Islamunterricht an einer Hauptschule in Dinslaken. Als sie erfuhr,  “dass sich fünf meiner ehemaligen Hauptschüler aufgemacht haben, um im syrischen Bürgerkrieg ‘auf dem Weg Gottes’ zu kämpfen”, war das für sie “ein Schock” und nicht etwa ein Grund, über ihr Versagen als Lehrerin nachzudenken. “Dass diese ‘Jungs’, die in meinem Islamunterricht saßen, in der Ferne Menschen töten und selbst getötet werden könnten, eine solche Vorstellung steckt man nicht gleich weg. Mich schockiert besonders, dass sie in so kurzer Zeit zu ihrer Entscheidung kamen.”

Huch, wie konnte so etwas nur passieren? Frau Kaddor jedenfalls trifft keine Schuld, eher schon “Islamkritiker” wie Hamed Abdel Samad, dessen Mohamed-Biografie die Superpädagogin aus Dinslaken neulich in der ZEIT rezensiert hat. Hier die Rezension und hier die Antwort von Hamed Abdel Samad:

Also, liebe Lamya Kaddor, ich bitte dich!

Meinst du wirklich im Ernst, dass meine Islamkritik das Leben von Millionen von Muslimen in Deutschland unerträglich macht? Wie kannst du das empirisch beweisen? Hat dir ein Muslim erzählt, dass sein Boss ihn aus seinem Job entließ, nachdem er mein Buch gelesen hatte, oder wurde ein Muslim irgendwo enthauptet und wurden dabei Passagen aus meinem Buch als Legitimierung zitiert? Überhöhst du da meine Wirkung nicht ein wenig?

Also, laut deinem Artikel bin ich und andere Islamkritiker das Hauptproblem, nicht der Terror im Namen Allahs; nicht die Kritikunfähigkeit vieler Muslime, nicht die Islamverbände, die Muslime bevormunden wollen, nicht die Eltern, die ihre Kinder im Namen der Religion daran hindern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, nicht die anti-moderne islamische Theologie, die in vielen Moscheen gepredigt wird? Was war zuerst da? All das oder meine Islamkritik? Warum begehst du den Fehler vieler Muslime, Ursache und Wirkung zu verwechseln?

Glaubst du wenn ich aufhöre, islamkritische Bücher zu schreiben, dass es Muslimen dann besser gehen würde und sie auf wenig Ablehnung in Deutschland stoßen würden?

Islamkritik wird in der islamischen Welt mit Gefängnis, Auspeitschung und im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft. Dort kämpfen liberale Muslime gegen Fundamentalisten und riskieren dabei   selbst ihr Leben. Im Westen wird die Islamkritik mit der Islamophobie-Keule abgewehrt. Traurig ist, dass auch einige liberale Muslime sich daran beteiligen, statt für mehr Öffnung und mehr inner-islamische Selbstkritik zu plädieren. Kein Wunder dass gerade im Westen die Islamdebatte im Sande verläuft, weil viele Muslime, auch viele liberale Muslime, mit dem Aufpolieren des Islam-Images und mit der Abwehr der Islamkritik beschäftigt sind, statt sich den hausgemachten Problemen des Islams zu widmen!

Liebe Lamya, du behauptest in deinem Artikel, dass ich “mittlerweile den Pfad der Islamkritik verlassen” habe und “überwiegend nur noch die Stimmungsmache gegen Muslime” betreibe. Kannst du das belegen? Warum kannst du zwischen Islam und Muslimen nicht unterscheiden? Man kann Menschen respektieren, ohne alles, woran sie glauben, als Paket mit zu respektieren.

Der Islam ist ein Bündel von Dogmen, Gedanken und Normen. Diese kann man kritisieren, satirisch behandeln und sogar hassen, vor allem jene Teile des Islam, die selbst Demokratie-feindlich sind und Hass gegen Anders- und Nicht-Gläubigen schüren!

Liebe Lamya, für dich ist Islamkritik nur willkommen, wenn sie von Muslimen beherzigt würde. Was ist das für eine Anmaßung? Was ist mit Jesiden und orientalischen Christen? Was ist mit Ex-Muslimen? Was ist mit Meschen, die im Namen des Islam täglich sterben oder ihre Existenz verlieren? Brauchen sie diese Islamkritik nicht? Dürfen sie diese Kritik nicht üben?

Liebe Lamya, du siehst dass ich im Gegensatz zu dir auf den Inhalt deines Artikels eingehe, statt pauschal zu behaupten, kein Mensch brauche liberale Muslime, weil ich nicht alle Menschen kenne, geschweige denn wissen kann, was sie brauchen!

In diesem Sinne, alles Gute zum Geburtstag des Propheten und fröhliche Weihnachten!

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Leserpost

netiquette:

Katrin Kramer / 27.12.2015

Ja Frau Kaddor, das würde mich als Islamlehrerin auch nicht schlafen lassen, wenn fünf meiner Schüler zum Töten im Namen des Islam nach Syrien gefahren wären. Haben diese fünf eventuell etwas in ihrem Islamunterricht missverstanden? Sie denken, Sie töten für eine gerechte Sache. Nieder mit den Ungläubigen. Wenn im IS Kalifat jemand zu den fünf Gebetszeiten auf der Strasse herumläuft, riskiert er sein Leben. Und Sie schreiben in einem Artikel, das hätte nichts mit dem Glauben zu tun, sondern das sei eine politische Gruppierung? Frau Kaddor, das ist lächerlich! Diese religiösen Fanatiker sprengen sich selbst in die Luft und unschuldige Menschen ebenfalls, weil sie glauben sie kommen dann als strenggläubige Muslime ins Paradies und erhalten 72 Jungfrauen. WER hat Ihnen dies erzählt? Der ISLAM ist nicht kritikfähig, weil es als das direkte Wort Allahs aufgefasst wird und nicht als von Menschen, von Männern, geschrieben - und das ist das Grundproblem!

Hans Meier / 26.12.2015

Was mir an Herrn Samad so gefällt, ist die ruhige Haltung eines intelligenten Denkers, der vom Islam-Gläubigen die Entwicklung zum Philosophen der Vernunft schaffte. Vom Glauben zum Wissen zu konvertieren, ist eine Entwicklung die leider nur einer extrem kleinen Zahl von Zeitgenossen gelingt und dafür möchte ich Herrn Samad gratulieren.

Cornelia Kuhs / 26.12.2015

Hat Frau Kaddor jemals darüber nachgedacht, warum einige ihrer Schüler den Weg des Glaubens, oder sollte ich eher sagen des Terrorismus, gewählt haben? Aber Selbstkritik kommt dieser Frau nicht in den Sinn. Es ist wohl eher so, dass sie sich wichtig fühlen will und daher ihre Sicht der Dinge wiedergibt, die leider nicht der Realität entspricht. Das kann man, im begrenzten Maßstab, auch Hamed Abdel-Samad vorwerfen. Ihm unterstelle ich aber mehr Wissen und eine ehrlichere Sichtweise der Dinge. Man kann die Schuld an der Radikalisierung vieler Muslime nicht den Kritikern in die Schuhe schieben, man muss die Schuldigen dort suchen, wo eine rücksichtslose und unkritische Sichtweise auf den Koran gelehrt und propagiert wird. Und das sind hier in Deutschland und in den muslimischen Ländern die Orte, an denen jungen Menschen der Koran “eingetrichtert” wird man ihnen das Nachdenken und Zweifeln verbietet.

Johannes Disch / 25.12.2015

Lieber Abdel-Samad, Lamya Kaddor ist keineswegs gegen jede Form der Islamkritik. Sie ist nur gegen eine bestimmte pauschalierende Form der “Islamkritik”, und dazu gehört nun mal auch ihre. Und das belegt Lamya Kaddor in ihrem Artikel sehr wohl. Der Islam ist keineswegs ein Bündel unveränderlicher Dogmen und Normen, sondern in seiner Geschichte, Theologie und Philosophie sehr vielfältig. Und der von Ihnen, Herr Abdel-Samad, gemachte Vorschlag, doch bitte schön zwischen dem Islam und Muslimen zu unterscheiden ist inhaltsleere Rabulistik. Das wäre genauso unsinnig, als wollte man zwischen dem Christentum und Christen unterscheiden. Was macht einen Muslim zu einem Muslim?? Genau: Sein Glaube. Und der heißt Islam. Und der ist vielfältig interpretierbar und praktizierbar. Und die meisten Muslime verstehen und leben ihn spirituell und friedlich. lg Johannes Disch

Isabel Kocsis / 25.12.2015

Sehr geehrter Herr Lange, mich hat die Meinung von Frau Kaddor erschreckt und Ihr Leserbrief dazu. Es geht nicht darum, dass jemand etwas “falsch” macht, sondern dass auch sogenannte “moderate” Muslime jede Art von Kritik an ihrer Religion abwehren und alles, was an grundsätzlich mangelnder Kompatibilität mit einem säkularen, demokratischen Staatswesen in der islamischen Ideologie vorhanden ist, schönreden, so als ob es nicht vorhanden wäre. Dabei haben 1990 alle islamischen Staaten grundsätzlich innerhalb der OIC die Menschenrecht unter die Scharia gestellt, was ihre Nichtbeachtung bedeutet. Das Ergebnis sind Urteile wie das für Raif Badawi in Saudiarabien, 1000 Peitschenhiebe und 10 Jahre Gefängnis für einige harmlose Vorschläge für Reformen.  Oder haben die Saudis da nur etwas falsch gemacht? Und wo wollen Sie da oder in Bezug auf den Islamischen Staat Brücken bauen? Isabel Kocsis

Thomas Lange / 24.12.2015

Sehr geehrter Herr Samad! Mich hat die Meinung von Frau Kaddor nachdenklich gemacht. Ich denke, Sie hat Recht. Man sollte in der heutigen Zeit Brücken bauen. Den Artikel in Der Zeit fand ich gut. Ich sage nicht, alle sind willkommen. Es muss schon Grenzen geben. Und Die Zeit hat auch nicht immer objektiv über die Einwanderung berichtet. Aber wie gesagt, immer nur auf die Anderen zu zeigen, was sie falsch machen, bringt uns nicht weiter. Thomas Lange

Daniel Briner / 24.12.2015

Genau aus diesem Grund wie mir ein wohlinformierter Touristenführer in Dubai im Bus erläuterte, und nur aus diesem ... dürfen Frauen in islamischen Ländern nicht in die Regierung - weil sie eben alles kaputt machen - Schöne Weihnachten bzw. Winterfestdings.

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