Chaim Noll / 17.11.2019 / 11:00 / Foto: Freud / 57 / Seite ausdrucken

Die Zerstörung der Mitte

Die Behauptung eines sozialdemokratischen Funktionärs, der Blog achgut sei „mindestens rechtspopulistisch“, löste – neben vielen anderen Reaktionen – Hinweise aus, die Grenze dessen, was als „rechts“ und „rechtsextrem“ gilt, hätte sich im Lauf der vergangenen Jahre auf beunruhigende Weise verschoben. In Wahrheit ist es ein aktiver Vorgang: Die Gesinnungswächter versuchen, diese Grenze immer weiter nach links zu drücken. Dadurch wird die demokratische Mitte eliminiert – sie war für Menschen mit Grabenkämpfer-Mentalität ohnehin eine überflüssige Pufferzone. So dass am Ende alles, was nicht ausgesprochen und bekenntnishaft „links“ ist, für „rechts“ erklärt werden kann, am besten für „rechtsextrem“.

Bei Markus Decker, einem gestandenen Veteranen im „Kampf gegen rechts“, Schreiber für verschiedene Blätter des niedergehenden linken Medienkonzerns DuMont-Schauberg, liest sich das so: „Die zentrale Herausforderung der Sicherheitsbehörden besteht in der Identifizierung dessen, was heute als rechtsextrem zu gelten hat. Denn wenn ein wachsender Teil der bisherigen politischen Mitte die Affekte von Rechtsextremisten teilt – etwa die Wahrnehmung von Migranten als 'Mutter aller Probleme' – dann fällt es dieser Mitte naturgemäß schwer, die Abgrenzung nach Rechtsaußen vorzunehmen.“

Nicht offen ausgesprochen, doch logische Folge des Geschriebenen ist die Konklusion: Wenn „ein wachsender Teil der politischen Mitte“ die Situation islamischer Migranten in Europa als Problem sieht, müssen sich die „Sicherheitsbehörden“ der politischen Mitte annehmen, sie überwachen und bei Bedarf gegen sie vorgehen. Das würde ein liberal kostümierter Macht-Fetischist wie Decker niemals offen aussprechen, doch in Wahrheit ist es das, was er empfiehlt.

Dieses Propaganda-Stück erschien in der Berliner Zeitung, ich las es kurz vor meinem Rückflug nach Israel und staunte darüber, wie offen hier von der demokratischen Mitte „Abgrenzung“ verlangt wird, Aufgabe ihrer Offenheit und Bewegungsfreiheit, also Selbstpreisgabe, unter Androhung diffamierender Etikettierung und anderer Maßnahmen im Fall der Unterlassung.

„Es war ein schöner Beruf“

Den Meinungswächtern der schwindenden Printmedien liegt auch aus anderen Gründen an Eingrenzung und Restriktion. Sie fürchten die Freiheit der sozialen Medien, die ihre Deutungshoheit zunichte macht. „Ich habe einen schönen Beruf“, klagte Redakteurin Cornelia Geissler, gleichfalls in der Berliner Zeitung„aber es macht mir Sorgen, dass weniger Zeitungen gelesen werden, dass auch viele kluge Menschen ihre Informationen fast wahllos aus dem Netz holen.“

Mit „wahllos“ meint sie das genaue Gegenteil: die freie Wahl. Die sprachliche Absurdität ihrer Aussage ist ihr nicht bewusst. Denn die Wahl, welche Information für uns bekömmlich ist, möchte sie treffen, die Redakteurin der Zeitung. Wie es seit Jahrzehnten Usus war. Macht gibt man nicht gern aus der Hand. Oder, wie sie es ausdrückt: Es war „ein schöner Beruf“. Jahrzehntelang haben uns diese Blätter Information zugeteilt, entzogen oder über Gebühr aufgeblasen – ganz wie es ihrer „Haltung“, ihrer Ideologie und der Interessenlage ihrer Geldgeber entsprach.

Auch der Spitzenkandidat der Grünen bei der Europawahl, Sven Giegold, forderte von den europäischen Christdemokraten „einen klaren Beschluss zur Abgrenzung von den Rechtsradikalen und Rechtspopulisten“. Für muslimische Migranten sollen die Grenzen Europas weiterhin offen stehen, doch intern, im Inneren, verlangt man „Abgrenzung“. Diskreditierung der Mitte, Restriktionen, Überwachung.

Die Zerstörung der demokratischen Mitte war eine der Ursachen für den Untergang der Weimarer Republik.

 

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Leserpost

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marc von abercorn's / 17.11.2019

Naja, generell unterliegen auch Migrations- u. Integrationspolitik der Entscheidung des “Souveraens”, sprich dem “Staatsvolk”. Bezeichnend ist, dass die Politisierung dieses Themas weitgehend vermieden wird oder aber bei Die Linke u. Bue90/Die Gruenen im Sinne eines postkolonialen diversitaetsaffinen Post- u. Transnationalismus im Sinne von “No Nations, no Borders” entschieden wird. Das Problem ist u.a., dass die Belange der steuerlasttragenden u. wohl eher marginalisierten “Mitte” dabei weitgehend ausgeblendet werden ... U. das Bundeskanzler_in-Amt ueberholt sicherlich nicht nur aus opportunistischem Kalkuel bzw. zum Machterhalt des kopflosen Wendehalses links aussen (-;

HaJo Wolf / 17.11.2019

Die zitierte demokratische Mitte ist längst nicht mehr existent. Im Neusprech der CDUSPDFDPLINKEGRÜNE-Gutmenschen sind wir normale Bürger der Mitte längst wenigstens rechtspopulistisch, meist aber schon bei der geringsten nichtlinken Äusserung rechtsradikal. Die Merhheit der Wähler hat diesen Leuten die Macht zugestanden, Demokratie und Freiheit abzuschaffen. Niemand steht auf und wehrt sich. Alles schon mal da gewesen. Den jüdischen Mitbürgern kann man nur raten: geht, solange das Politpack dem sich ausbreitenden Islam noch nicht die Freiheit zugesteht, seinen Judenhass auch hierzulande auszuleben. Alles schon mal da gewesen, nur, dass die Farbe diesmal nicht braun ist, sondern bunt. Dieses Land ist ab Abgrund.

Tobias Kramer / 17.11.2019

Lieber Herr Noll. Die freien Medien werden nicht mehr lange frei sein. Dazu braucht man keine Glaskugel bemühen. Die vielen Webseiten, Blogs sowie Facebook und Twitter führen die staatlich gesteuerte Propaganda ad absurdum. Man muss und wird seitens der Politik hier bald die Daumenschrauben ansetzen. Ansonsten ist deren Politik, deren Ideologie am Ende nicht zielführend. Das wissen die. Und bei der Meinungs- und Redefreiheit sehen wir schon, wie es erhebliche Einschnitte gibt. Das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht.

Karl-Heinz Vonderstein / 17.11.2019

Werden Linke schon dumm geboren oder werden sie beim erlernen von linken Ideologien erst dumm?

Margit Broetz / 17.11.2019

In Zeiten, in denen ein Universitätsprofessor in einem Buch über Verschwörungstheorien den Niedergang der “Diskurshoheit traditioneller Eliten” (sic) bedauert (laut amazon-Rezension) braucht man sich doch über Doppel-Sprech nicht zu wundern, Herr Noll!  Viel schlimmer aber als Doppel-Sprech ist doch Doppel-Denk der verantwortlichen Handlanger im Maschinenraum des Totalitarismus!  Da andere schon die Nazis erwähnten, kann ich hinzufügen: wer mit dem Islam kein Problem hat, hat auch kein Argument und keinen Grund gegen den Nationalsozialismus zu sein, denn alles, weswegen anständige Demokraten den Nationalsozialismus ablehnen, findet sich da 1:1 und so manches mehr.  Aber das übersieht man geflissentlich polit-korrekt! Oder anders gesagt: “Wir sollten nicht instrumentalisieren und alle Nationalsozialisten an den Extremisten messen, denn 99% aller Nationalsozialisten sind liberale/moderate Nationalsozialisten und gesetzestreue Bürger, die nur friedlich ihre Weltanschauung leben möchten und noch nie ein Asylantenheim in Brand gesteckt haben.” Oder? Gleiches Recht für alle? Natürlich nicht. Und man ist gegen Haß und haßt PEGIDA / AfD, man ist gegen Grenzen und fordert sich von Rechts abzugrenzen. Es wird immer irrer!

Christian Noha / 17.11.2019

Danke Herr Noll! Wie manchmal durch einzelne Worte Argumentationsketten entlarvt werden, das haben Sie brillant dargestellt. „Wahllos“ bei den so zahlreichen Internetmedien zu verwenden, bedeutet auch aus meiner Sicht, den Medienkonsumenten für vordemokratisch unmündig zu halten. Wann kommt eigentlich die Forderung nach dem neuen Dreiklassenwahlrecht? Nur wer Bild, taz und FAZ abonniert hat, bekommt zusammen mit einem Zertifikat fürs brave Tagesschauglotzen das volle Stimmrecht! Der Rest steht unter Faschismus-Verdacht. Ignacio Silone grüsst!

Anne Karsten / 17.11.2019

Vielen Dank Herr Noll für Ihre wie immer so treffenden Worte.

sybille eden / 17.11.2019

Wenn wenn man jetzt laut Gerichtsurteil jemanden straflos als Faschisten bezeichnen darf, dann wohlann, lasst uns die Neo - Marxisten aller Coleur als das bezeichnen was sie sind,: LINKSFASCHISTEN !

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