Gerd Buurmann / 10.05.2020 / 06:00 / Foto: T.Wolf / 35 / Seite ausdrucken

Die Zerstörung der freien Theater

Ich kann nur aus meinen Erfahrungen als freier Theaterleiter sprechen: Ich ahne Schlimmes. Mit den Auflagen, die gerade diskutiert werden, macht ein kleines freies Theater mehr Verlust, wenn es öffnet, als wenn es geschlossen bleibt

Die Bundesliga kann Geisterspiele veranstalten, die Infrastruktur dafür ist gegeben. Fernsehshows können ohne Publikum realisiert werden, denn das eigentliche Publikum sitzt vor der Mattscheibe. Subventionierte Theater können durch die Unterstützung von Kommunen und Länder mit diesen Auflagen unter schweren Umständen einigermaßen den Spielbetrieb wieder aufnehmen. 

Ich spüre in der Politik eine geradezu schmerzhafte Ignoranz gegenüber freien Theatern und eine krasse Missachtung all jener Theaterleiterinnen und Theaterleiter, die sich unabhängig und selbstständig finanziert haben. Die momentane Situation ist für alle schwer, aber als freier Theatermensch erlebt man diese Krisensituation besonders hilflos und allein gelassen. 

Einige Jahre lang leitete ich in Köln das Severins-Burg-Theater vollkommen ohne Subventionen. Ich musste dennoch mit den Eintrittspreisen der überwiegend subventionierten Theater konkurrieren und Wege finden, meine Künstlerinnen und Künstler zu bezahlen. Es ging nicht immer reibungslos, aber es gelang mir größtenteils.

Theater als Ort des Schauens

Dieser Erfolg wäre mir verwehrt geblieben, hätte ich über längere Zeit maximal eine Auslastung von dreißig bis vierzig Prozent in meinem Theater haben dürfen, vor allem, wenn ich auch noch extra Kosten gehabt hätte, um Ordner und Sicherheitspersonal zu stellen, während mir im gastronomischen Bereich an der Bar ein Großteil der Einnahmen weggebrochen wäre. 

Ein Theater finanziert sich nicht nur über Eintrittsgelder, sondern auch darüber, dass die Menschen das Theater als Ort des Schauens erleben, eng aneinander sowohl im Zuschauerraum als auch an der Bar, wo besonders in den Pausen und nach der Aufführung ordentlich Umsatz gemacht wird.

Die momentanen Auflagen werden die freie Theaterszene eher zerstören, als dass ihr damit geholfen wird. Selbst bei vollkommener Auslastung des durch die Auflagen Erlaubten würde ein kleines Theater an dem Abend Verluste machen.

Ich mag es kaum schreiben, aber unter diesen Umständen ist es besser, wenn die Theater gar nicht öffnen dürfen, als dass sie so öffnen müssen. Bei diesen Auflagen fallen nämlich ausgerechnet jene durchs Netz, die bisher erfolgreich und ohne große Subventionen dieses Land mit Kultur bereichert haben. Ich ahne Schlimmes. 

Dieser Beitrag erscheint auch auf Gerd Buurmanns Tapfer im Nirgendwo.

Foto: T.Wolf

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Leserpost

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herbert binder / 10.05.2020

Hallo, lieber @Archi W. Bechlenberg, Sie leben hoch…dreimal hoch! Die Jungs und Mädels haben halt alle die für sie überlebensnotwendigen Temperamente, und für ihre opportunen Thesen auch stets den passenden, vulgo den gewünschten Titel parat. Könnte es sich da möglicherweise sogar um eine Sonderausprägung von Kreativität handeln? [Kleiner Scherz] Nein, es sind schlicht Adapter-Charaktere…Anschluß unter dieser “Nummer”.

Otto Nagel / 10.05.2020

Nahezu alle Künstler, egal ob Theater, Gesang oder Kabaret wählten die Kandidaten der Nationalen Einheitsfront unter Führung der göttlichen Raute. Nächstes Jahr wohl auch wieder, weil “alternativlos”.  Also hören Sie auf zu jammern, Sie tragen doch mit Stolz den Maulkorb, ob ohne oder mit Grippeepidemie !

herbert binder / 10.05.2020

Es gibt einen Film von Jean-Luc Godard, 1984 realisiert, der mir in den Sinn kam: Glanz und Elend eines kleinen Kinounternehmens (Grandeur et décadence d’un petit commerce de cinéma). Also (Grandeur), Décadence, petit und Commerce. Eigenartig.

michael markwardt / 10.05.2020

lieber herr Buurmann, so schlimm, wie sie schreiben, kann es nicht sein. finden sich doch erstaunlich wenige ‘freie künstler’, die ihre stimme gegen die maßnahmen erheben. könnte es evtl. daran liegen, dass die besagten ‘freien künste’ tatsächlich unfrei sind?

Max Schmidt / 10.05.2020

@Wolfgang Kaufmann Hallo Herr Kaufmann, ich bin inzwischen der Meinung, Deutschland hilft nur noch eine Massenarmut um zu einer vernünftigen Politik zurückzukehren.

Archi W. Bechlenberg / 10.05.2020

Ich sehe schwarz für kritische Köpfe wie Sie, Herr Buurmann. Man muss aber auch sagen, dass Sie im Reichskulturbetrieb eine seltene Ausnahme sind. Es haben so viele Kulturschaffende und Gottbegnadete in der jüngsten Vergangenheit in Form von Irgendwas-gegen-Rechts das Hohe Lied Merkel gesungen, gespielt und ge- bzw unterzeichnet, die wird man doch jetzt nicht fallen lassen. Jasänger wie die Toten Fischfilets und Sebastian Krummschniedel werden immer gebraucht, und auch Theater, die das Exekutieren “rechter” Politiker szenisch aufbereiten. Und nicht zu vergessen die Rundfunkanstalten, in denen man jede noch so peinliche Knallcharge unterbringen kann, Hauptsache, sie hat mal eine Petition unterzeichnet, die Bologneser Soße in der Kantine des Stadttheaters solle rot statt braun sein.

A. Ostrovsky / 10.05.2020

@Arthur Sonnenschein Zustimmung von mir. Es reicht aber nicht aus, seine Meinung offen und laut zu sagen. Man muss sich auch die Frage stellen, ob man bisher zu denen gehört hat, die die neue faschistische Diktatur durch ihr eigenes Handeln und Nichthandeln erst möglich gemacht haben. Die autoritären Machthaber brauchen zu ihrem Regime eine technologische, ideologische und administrative Basis. Sie brauchen die Statthalter und die Blockwarte. Wer jetzt noch nicht begreift, dass die Gefahr nicht von denen ausgeht, die als Rechte oder Leugner oder Rassisten verleumdet werden, sondern von denen die sich lange als “Mitte” beworben haben und tatsächlich linksfaschistisch handeln, der ist nicht zu retten. Dem kann man auch nicht helfen. Wer heute noch mit weinerlicher Stimme ruft “Nie wieder Faschismus”, aber die ltzten 15 Jahre lang aktiv den Faschismus vorbereitet hat, dem DÜRFEN wir nicht helfen, jedenfalls dann nicht, wenn er angesichts wildgewordener Polizeihundertschaften, die sich an den Schwächsten vergreifen, immer noch nichts begriffen hat. Es wird auch bei den Informatokern ein Begreifen geben müssen, dass Impfzwang und Microsoft-Teams untrennbar zusammen hängen. Woher soll in einem Land wie diesem aber der Verstand kommen? Ich habe da keine Hoffnung. Diejenigen, die heute “Freiheit” rufen, haben gestern die Reden von KGE, Hofreiter und Bärbock bejubelt. Haben die wirklich begriffen, dass sie selbst ihre rücksichtslosesten Feinde waren und vielfach weiterhin sind? Dieses Volk ist so maßlos gutgläubig und dumm. Man muss ihnen nur eine triefende Lügengeschichte erzählen und sie geben ihr letztes Hemd. Lächerlich! Unrettbar genuin dumm. Die wachen erst auf, wenn es zu spät ist und begreifen dann immer noch nicht, dass sie SELBST AUFHÖREN MÜSSEN, den Faschismus voranzutreiben.

Dr. Daniel Brauer / 10.05.2020

Es tut mir um Sie wirklich leid Herr Buurmann. Aber die Zeiten der vollen staatlichen Geldtöpfe nähern sich dem Ende und damit auch der reflexartige Ruf, die Politik solle es richten. In den USA ist staatliche Kulturförderung ein Fremdwort. Filmförderung, wie aus NRW, löst dort nur Befremden aus. Wer auf dem Markt bestehen will, muss sich aktiv ( ! ) einen reichen Gönner suchen, der einem hoffentlich auch in der jetzigen Zeit unter die Arme greift und die USA sind deshalb kulturell- auch unter Trump- nicht tot. Eine Nachbarin in BW betrieb/betreibt ein Theaterboot auf dem Neckar. Ihr Mann officede aus dem Home irgendein gefördertes Projekt. Während wir um 05.30 aufstanden und uns auch oft die Nacht im Dienst um die Ohren schlugen, lief bei den staatlich geförderten vor 11.00 Uhr erst mal gar nichts. Dolce vita pur. Das Programm des Bootes sprach - höflich ausgedrückt - nur sehr partikulare Interessen an. Auf dem freien Markt hätte so was nie bestand gehabt. Aber ist es dann auch erhaltenswert ? Solche Fragen muss sich der Steuerzahler einfach stellen dürfen.  Die GEZ- Medien erhalten ein Budget, das Hollywood neidisch machen würde, und was erhält man dafür ? Auch auf den Kulturkanälen Arte/3Sat nur endlose Wiederholungen, abstruse Theater- und Konzertinszenierungen, unterbrochen von den aktuellen Arschpinseleien der Regierung, die das ganze ja bezahlt. Auch ihr Theater ist wohl kaum so frei, wie es in der Überschrift heißt.  Wes Brot ich es, des Lied ich sing heißt es nicht ohne Grund. Ist man zu kritisch, kommt die ebenfalls staatl. finanzierte Antifa zu Besuch. Freie Kunst oder Presse - mit staatlicher Förderung ein Wunschtraum.

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