Was Sie in der deutschen Presse nicht lesen werden: Chuck Schumer, der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, warf Donald Trump letzte Woche vor, zu einer „Erektion gegen die Vereinigten Staaten angestachelt“ zu haben. Schumer verbesserte sich dann und sagte „Insurrektion“. Insurrektion, Revolution, Erektion – letztlich ist es einerlei. Warum sollte Schumer für ein neuerliches Impeachment-Theater gegen Trump eine plausible Begründung brauchen, wo es doch die Fortsetzung dessen ist, was gleich nach der Präsidentschaftswahl im November 2016 begann – noch bevor Trump überhaupt ins Amt eingeführt war?
Blicken wir vier Jahre und zwei Monate zurück. Führe man eine Suche mit der Zeitungsdatenbank LexisNexis durch, schrieb ein Autor von Vanity Fair am 14. November 2016, dann finde man die Wörter „Trump“ und „Amtsenthebung“ oder eine Variante davon in nicht weniger als 37 Zeitungsschlagzeilen. Das war nur sechs Tage nach der Wahl (reden wir darüber, wer es ist, der das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht anerkennen will)!
„Wie jeder sicherlich weiß“, fuhr der Vanity Fair-Autor fort, „ist das Gerede über ein Impeachment für diese Präsidentschaft ziemlich früh“. Es seien noch nicht einmal alle Stimmen ausgezählt, die Amtseinführung sei mehr als zwei Monate entfernt. „Lassen Sie dem Mann wenigstens ein paar Tage im Oval Office und verschieben Sie die Pläne für eine Entthronung bis zur zweiten Woche“, empfahl der Kolumnist.
Das ist der Zusammenhang, in dem das zu sehen ist, was sich in den letzten Wochen rund um Trump abgespielt hat: Schumer, Pelosi & Co. haben sich mit Trumps Wahlsieg im November 2016 nie abgefunden. Das Gerede über Tumps angebliche Rolle bei dem „Sturm auf das Kapitol“ am 6. Januar 2021 – der ein Fall von Versagen der Polizeiführung bei einer Massenveranstaltung war und sonst nichts – soll verdecken, dass Trumps Einzug ins Weiße Haus vier Jahre zuvor der wahre Stein des Anstoßes ist, über den manche seiner Gegner nie hinweggekommen sind. Unter Hillary Clintons Wahlniederlage im November 2016 leidet die Demokratische Partei bis heute, Biden hin, Kamala her. Es dürstet sie nach einer größeren Vergeltung.
Für ihren Rachefeldzug nutzt sie mächtige Verbündete. In einem beispiellosen Akt des Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung haben die großen Medientechnologiekonzerne Twitter, Facebook, Apple, Google und Amazon Anfang Januar den seinerzeit amtierenden US-Präsidenten von den sozialen Medien des Internets ausgeschlossen, seine Kommunikationswege gekappt. Sogar Ausweichmöglichkeiten wurden präventiv verhindert: Damit Donald Trump nicht statt Twitter ersatzweise den Alternativdienst Parler nutzen konnte, wurde dieser in einer konzertierten Aktion aus dem Internet entfernt. Die betreffenden Konzerne rechtfertigten ihr Handeln mit angeblichen Aufrufen zu Straftaten, die über diese sozialen Medien verbreitet worden sein sollen, womöglich gar von Trump selbst. Für diese Behauptung wurden bislang keine Belege beigebracht.
Dass die Begründung fadenscheinig war, sieht man auch daran, wie die Konzerne mit zweierlei Maß messen: Diktatoren, radikale Gruppen, die zu Morden an Polizisten aufrufen und selbst in den USA und der EU verbotene Terrororganisationen wie die marxistisch-leninistische PFLP dürfen ihre Propaganda weiterhin über Facebook und andere soziale Medien verbreiten. Die Facebookseite Death to Israel gibt es seit mehr als zehn Jahren. Laut einer Klage, die 20.000 Israelis vor einigen Jahren gegen Facebook anstrengten, führte der Facebook-Algorithmus sogar arabischen Facebookseiten, in denen dazu aufgerufen wurde, Juden mit Messern zur ermorden oder mit dem Auto zu überfahren, Facebooknutzer zu, die sich eben für diese Themen interessieren, brachte also die Aufwiegler und die potenziellen Mörder miteinander in Verbindung. Ob das immer noch so ist, weiß ich nicht, aber die betreffenden Seiten existieren fort.
Der Breitbart-Boykott
Nein, Facebook & Co. sind keine moralischen Anstalten. Zudem wissen alle, die ein Gedächtnis haben, das über die Schlagzeilen der letzten drei Wochen hinausreicht, dass auch die Anti-Trump-Kampagne im Internet viel früher angefangen hat: Die Bestrebungen zur Säuberung des Internets gibt es nicht erst seit dem 6. Januar 2021. Sie begannen, was Trump betrifft, im November 2016, gleich nach dessen überraschendem Sieg bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen. „Impeachment“-Thater und Säuberung des Internets von allem, was Trump-freundlich aussieht, das waren beides keine Reaktionen auf den 6. Januar 2021, sondern auf den 8. November 2016, den Tag der Wahl.
Noch im November 2016 begann in den USA eine Boykottkampagne gegen Medien, die im Ruf standen, Trump-freundliche Ansichten zu hegen. Zuerst wurde Breitbart News ins Visier genommen, eine Nachrichtenwebsite, die zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben von 45 Millionen US-Bürgern gelesen wurde. Der Seite wurde auch in Deutschland von manchen Kommentatoren vorgeworfen, über Dinge berichtet zu haben, über die man ihrer Ansicht nach lieber hätte schweigen sollen. So schrieb Eva C. Schweitzer, eine Kolumnistin der deutschen Monatsillustrierten Cicero:
„Der Wahlkampf von Donald Trump wurde beispielsweise auch durch wöchentliche Horrormeldungen von der deutschen Flüchtlingskrise beflügelt, die rechtspopulistische Internetseiten verbreiteten – allen voran Breitbart News.“
Anti-Trump-Aktivisten, die wussten, dass sie nicht gut darin waren, einen politischen Diskurs mit Argumenten zu führen, suchten nach einer Möglichkeit, diese und ähnliche Websites stattdessen wirtschaftlich zu schädigen, auf dass sie verschwinden mögen. Ihre Idee: Sie setzten Firmen unter Druck, Breitbart auf eine schwarze Liste von Websites zu setzen, auf denen sie keine Reklame machen. Die konkrete Vorgehensweise beschrieb eine der Boykottgruppen auf Twitter:
1. Geh zu Breitbart und mach einen Screenshot von einer Werbeanzeige neben einem ihrer Artikel
2. Tweete den Screenshot an das betreffende Unternehmen, zusammen mit einem höflichen, nicht beleidigenden Schreiben, in dem du sie auf die Platzierung aufmerksam machst.
3. Setze den Tag @slpng_giants dazu, so dass wir den Fortschritt verfolgen können.
Damit rannten die Boykotteure bei vielen Konzernen offene Türen ein. Innerhalb weniger Tage gaben Firmen wie Pepsi, der Cornflakes-Hersteller Kellogg Company und viele andere dem Druck bereitwillig nach. In kurzer Zeit hatten die Boykotteure eine Liste von hunderten Unternehmen erstellt, die sich dem Boykott angeschlossen hatten. Bald waren es tausende, darunter auch deutsche Konzerne wie die Deutsche Telekom, Daimler, die VW-Tochter Audi und Lufthansa – Firmen, von denen einige keine moralischen Skrupel haben, mit dem Henkerregime im Iran zusammenzuarbeiten.
Während mir beispielsweise eine Pressesprecherin der Lufthansa damals erklärte, dass die Lufthansa Breitbart News deshalb boykottiere, weil sie gegen „jegliche „gewaltverherrlichende, sexistische, extremistische sowie radikal politische Inhalte" sei, pries sie Flüge in die iranische Folter- und Steinigungsmetropole Teheran auf ihrer Website mit den Worten: „Die Betriebsamkeit und Geschäftigkeit auf den Straßen hat alles, was Sie von einer Megacity erwarten. ... Haben Sie viel Vergnügen in Teheran, bevor Sie ihren Lufthansa-Flug zurück nach Hause nehmen.“
Es war ein Mob, der agierte wie eine Mafia
Unter den Unternehmen, auf die damals großer Druck ausgeübt wurde, keine Geschäftsbeziehung zu Breitbart zu pflegen, waren einige, die heute den Boykott gegen Trump und Parler betreiben: zum Beispiel Amazon. Eine von amerikanischen Linksradikalen initiierte Internet-Petition, die Amazon vor vier Jahren dazu bringen sollte, Breitbart News zu boykottieren, zeigte, wie es schon damals in den Köpfen der Aktivisten gegen die Meinungsfreiheit aussah:
„Breitbarts Werbekunden sterben wie die Fliegen. ... Die Volksmacht hat bereits BMW, T-Mobile und Kellogs sowie Hunderte weitere Unternehmen dazu gezwungen, Breitbart fallen zu lassen – und nun werden wir Amazon zwingen, dasselbe zu tun. Amazon bekommt schon sehr viel Druck, und wenn wir gemeinsam unsere Stimmen von überall auf der Welt anschließen, können wir sicherstellen, dass Amazon uns nicht mehr ignorieren kann."
Man findet diese Petition inzwischen nicht mehr auf der Website, auf der sie damals stand. Dort ist inzwischen ein etwas harmloser klingender Text, und die Namen der Unternehmen, die der Erpressung nachgegeben und pariert haben, werden nicht mehr genannt.
Die sich damals versammelten, waren keine kritischen Konsumenten, die an ein Unternehmen appellieren, legitime ethische Forderungen zu erfüllen, weil sie anderenfalls ihr Geld lieber bei einem Konkurrenten ausgeben. Gedroht wurde den Konzernen mit der Störung ihres Geschäfts, sollten sie nicht politischen Forderungen nachgeben. Es war ein Mob, der agierte wie eine Mafia, die einen Restaurantbesitzer zwingt, Schutzgeld zu zahlen, und in einem ersten Schritt Tische umwirft und die Gäste vergrault. „Siehst du, was passiert?...“
Die Unternehmen, die eingeknickt sind und sich von allem distanziert haben, von dem die Erpresser verlangten, dass sie sich davon distanzieren sollen, wurden danach in Ruhe gelassen – erst einmal, bis dem Mob etwas Neues einfällt.
Und es blieb nicht beim Breitbart-Boykott. Die Boykotteure spürten ihre Macht und fühlten sich nun zu Höherem berufen: Wenn es möglich ist, eine Website zu schädigen, die eine abweichende politische Meinung vertritt, warum dann nicht gleich alle? Wie bei Mao 1957 begann eine Kampagne gegen alle, die vom Mob oder dessen Führern verdächtigt wurden, Rechtsabweichler zu sein. Eines der nächsten Opfer war Achgut.com
Boykotteure statuieren Exempel
Leser von damals werden sich erinnern (die anderen können es hier nachlesen): Es gab damals einen Werbegoofy namens Gerald Hensel, der war ein bekennender Nordkorea-Fan und Strategy Director bei Scholz & Friends, einer der beiden größten deutschen Werbeagenturen, mit intensiven Geschäftsbeziehungen zur Bundesregierung. Unmittelbar inspiriert vom amerikanischen Breitbart-Boykott wollte Hensel seine berufliche Position dazu nutzen, um unter dem Slogan „Kein Geld für rechts!" das Internet zu säubern. Alle Mittel seien dazu recht: „Wir müssen aufhören, nur mit Fakten zu argumentieren“, erklärte er, dem „politischen Gegner“ müsse mit „Wut“ begegnet werden.
„Wir müssen die Echo-Chambers überwinden und übergriffig in seine Ökosysteme werden. Die liberale Mitte muss die Samthandschuhe gerade in den neuen digitalen informationellen Kriegen mit der Neuen Rechten ausziehen. Wir müssen den Spieß umdrehen und Populismus auch und gerade im Netz lernen. Neue Institutionen müssen ‚guten Populismus’ zum politischen Gegner tragen und ihn dort stören, wo er, auch digital, sein Rückzugsgebiet hat. Es gilt darum, an vielen kleinen Punkten digital übergriffiger und deutlich unsympathischer im Umgang mit den Leuten zu werden, die uns ihre Zukunft aufdrücken wollen — und das lange vor der nächsten Bundestagswahl.“
Mit anständigen Mitteln, glaubte Hensel, sei der von ihm beschworene Kampf nicht zu gewinnen. Der Krieg müsse, wenn nötig, totaler und radikaler geführt werden, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können:
„Politisches Storytelling, Targeting gegen den politischen Gegner, Influencer, Foren, Gerüchte. Ist es vielleicht ein links-liberaler Breitbart? Braucht die liberale Mitte eigene Troll-Fabriken, die Informationen vorbereitet, aufbereitet und in die Neue Rechte injiziert. Sollten wir nicht auch verdammenswerte Tools wie das Manipulieren von Online Polls nutzen? … Was auch immer es ist: wir sollten darüber diskutieren.“
Auf seinem Blog, auf dem ein roter Sowjetstern prangte, erläuterte Hensel seine Strategie: Großkonzerne, die im Internet Werbung machen wollen, wenden sich meist nicht direkt an bestimmte Websites. Stattdessen erkennen Computerprogramme anhand des Suchverhaltens der Nutzer, wer ein Interesse an einer bestimmten Sache hat. Die Werbung wird personalisiert, ein Autohersteller wird etwa nur solche Nutzer ansprechen, die nach Autos suchen. Die Werbung aber wird dann nicht nur auf Auto-Websites erscheinen, sondern auf allen möglichen, die der Nutzer in den folgenden Stunden oder Tagen besucht.
All die, die es stört, dass im Internet Meinungspluralismus herrscht, forderte Hensel auf, Druck auf Unternehmen auszuüben, indem sie behaupten, eine bestimmte Website sei „rechts". Das allein, so sein Kalkül, werde sicherstellen, dass das Unternehmen die betreffende Website für seine Werbung sperren, sie auf eine „Black List“, eine Schwarze Liste, setzen wird. Die Rechnung ging auf: Achgut .com verlor in wenigen Tagen das gesamte Werbegeschäft: Die Werbeagenturen hatte Achgut von Reklame abgeschnitten, so wie Twitter & Co. später den US-Präsidenten von den sozialen Medien abschneiden würden. Es geht den Boykotteuren gar nicht nur um Trump. Trump war bloß das größtmögliche Exempel, das sie statuieren konnten: Wenn sie Amerikas Präsidenten, den, wie man sagt, mächtigsten Mann der Welt, kaltstellen können, wen dann nicht?
Lesen Sie im zweiten Teil dieses Berichtes: Die Diffamierungsindustrie in den USA – ein Milliardengeschäft
Anmerkung der Redaktion:
Achgut.com hat den in diesem Text erwähnten Anzeigen-Boykott in erster Linie wegen des enormen Engagements unserer Leser überstanden. Spenden und Patenschaften konnten einen Teil der Anzeigenverluste finanziell ausgleichen. Zwar sehen sie auf unseren Seiten nach wie vor Anzeigen, die Situation hat sich aber im Bezug auf den finanziellen Ertrag bis zum heutigen Tage nicht vom Boykott erholt). Achgut.com darf deshalb durchaus als Modell eines neuen unmittelbar von den Lesern ermöglichten und mitgestalteten Journalismus gelten. In dieser Form, mit diesem Erfolg und dieser Unabhängigkeit gibt es das in Deutschland kein zweites mal. Die Anzeigen, die wir noch bekommen, brauchen wir, um den gestiegenen Erwartungen gerecht zu werden und auch aufwendige Produktionen wie beispielsweise unsere Videos und den neuen Erfolgs-Podcast Indubio mit Burkhard Müller-Ullrich zu finanzieren. Das Sicherheitsnetz in Zeiten der Cancelokratie aber bilden unsere Leser – als Spender, als Multiplikatoren aber auch mit ihrem Sachverstand und ihren vielen Hinweisen. Neue Leser erfahren hier mehr über Achgut.com und seine Geschichte.