Sylke Kirschnick, Gastautorin / 25.12.2024 / 16:00 / Foto: K.I / 12 / Seite ausdrucken

Die zehn Gebote als Inspiration für ein neues Syrien?

Syrische Flüchtlinge müssen nach Syrien zurückkehren, wenn der Fluchtgrund entfallen ist. Daran hat noch nicht einmal Angela Merkel irgendeinen Zweifel gelassen. Sie müssen am Aufbau des Post-Assad-Syrien von Anfang an beteiligt werden.

Eine 1.500 Jahre alte Steintafel mit den zehn Geboten in althebräischen Schriftzeichen aus dem heutigen Israel beweist abermals die kulturhistorisch unauflösliche Verbindung des Judentums mit dem Nahen Osten. Die zehn Gebote sind die Grundlage der gesamten westlichen Welt geworden, die ohne sie undenkbar wäre.

Das wusste im Übrigen schon Heinrich Heine, der im Orient immer den Okzident am Werk sah und Christen, namentlich die Protestanten unter ihnen, gewohnt ironisch als „Schweinefleisch fressende Juden“ ansah. Heine wusste zugleich, dass punktgenau diese Tatsache den mörderischen christlichen Judenhass ausgelöst hatte. Ihn beschrieb er unter anderem im unvollendet gebliebenen Prosastück „Der Rabbi von Bacherach“, das ein von der Ritualmordlegende ausgelöstes Pogrom im Rheinland thematisiert, und in seinen Zeitungsartikeln zur Damaskus-Affäre von 1840, die einen Ritualmordvorwurf in Damaskus zum Gegenstand hat. Die Wurzeln der judenfeindlichen Ritualmordlegende, der zufolge Juden angeblich das Blut von Christen und Muslimen im Pessah-Brot verbacken oder es anderweitig zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktionen benötigen würden, reichen bis an den Beginn unserer Zeitrechnung zurück. 1840 wurden in der Hauptstadt des heutigen Syrien aufgrund einer solchen Blutbeschuldigung führende Vertreter der Damaszener Juden gefoltert und ermordet. Die damalige Affäre war eine judenfeindliche Allianz ost-westlicher Akteure, wie sie später wiederkehren sollte. Die Ritualmordlegende entstand im Orient, wurde aber im christlichen Europa des Mittelalters ebenso heimisch, wie sie das im Orient geblieben ist. Bis heute entfaltet sie hier wie dort ihre mörderische Wirkung bei Rechts- wie Linksextremen, unter Christen wie unter Muslimen.

Womit wir bei den syrischen Flüchtlingen wären. Hafiz und Baschar al-Assads langjähriger Verteidigungsminister Mustafa Tlas (1932–2017) veröffentlichte in einem von ihm begründeten Verlag nicht nur die „Protokolle der Weisen von Zion“, die im Nahen Osten seit Beginn der 1920er Jahre geläufig gewesen sind, sondern 1983 auch ein von ihm selbst verfasstes Buch mit dem Titel „Matza of Zion“, in dem er die Blutbeschuldigung der Damaskus-Affäre von 1840 reaktivierte. Zehn Jahre zuvor, 1973, hatte die DDR Syrien für den Krieg gegen Israel mit Waffen beliefert. Israel gewann den Jom-Kippur-Krieg, aber genau das war – wie schon sein Sieg im Sechstagekrieg 1967 – der Grund für das fortgesetzte Schüren antisemitischer Ressentiments durch den syrischen Staat, sein systematisches Aufhetzen von Schülern und Studenten gegen Israel.

Syrer können sich nur selber integrieren

Es wäre nötig gewesen, all das ab 2015/16 öffentlich zu debattieren und ein eigenständiges Bildungsprogramm für Schulen und Integrationskurse aufzulegen, die diesen glasklar importierten Antisemitismus thematisiert und mit ihm aufräumt. Man hätte mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Mit Heine die deutsche Sprache und deutsches Bildungsgut vermitteln, mit faktenbasierter Zeitgeschichte sowohl ostdeutsche als auch syrische Propagandalügen über Israel entlarven, aufarbeiten und en passant auch noch politische Bildungsarbeit in Sachen freiheitlich-demokratische Grundordnung leisten können. Das hätte Deutschen und syrischen Flüchtlingen gleichermaßen gutgetan.

Meines Wissens ist all das nicht geschehen. Eine der vielen Folgen waren die Beteiligung syrischer Flüchtlinge an Angriffen auf deutsche Synagogen und an den Anti-Israel-Aufmärschen auf deutschen Straßen seit dem mörderischen Pogrom der Hamas mit den bis heute noch immer nicht beendeten Geiselnahmen im Süden Israels am 7. Oktober 2023. Doch die absurde Vorstellung, dass allein Deutsche Syrer integrieren könnten, geistert seit fast einem Jahrzehnt durch die Köpfe vorzugsweise linker Politiker und Medienvertreter. Bitte, das ist ein ebensolches Ding der Unmöglichkeit wie die Aufhebung der Gravitation. Denn Syrer – wie alle Einwanderer – können sich nur selber in eine Aufnahmegesellschaft integrieren und eine Aufnahmegesellschaft kann ihnen wiederum bestenfalls dabei helfen, das zu tun.

Unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien vor eineinhalb Wochen haben Unionspolitiker die Rückkehr integrationsunwilliger syrischer Flüchtlinge in ihr Herkunftsland angemahnt. Mich hat weder diese Aufforderung zur baldigen Rückkehr noch der Zeitpunkt ihrer Äußerung empört. Von Anfang an stand fest, dass syrische Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren müssen, wenn der Flucht- oder Schutzgrund entfallen ist. Daran hat noch nicht einmal Angela Merkel, die für das Desaster der außer Kontrolle geratenen Asyl- und Flüchtlingspolitik verantwortlich ist, irgendeinen Zweifel gelassen.

Nicht die Syrer, sondern das Recht entscheidet

Ob Syrer, die nicht eingebürgert wurden, zurückkehren oder nicht, entscheiden nicht sie, sondern das deutsche und europäische Recht. Die seit 2015 zugewanderten Syrer bilden keine homogene Gruppe, das ist schon klar. Und es werden definitiv – in manchen Fällen glücklicherweise – nicht alle von ihnen zurückkehren. Doch ein Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor sind syrische Flüchtlinge nicht geworden. Falls die Zahl von um die 6.000 im Zuge der Flüchtlingskrise 2015/16 zugewanderten syrischen Ärzte zutrifft, ist das angesichts von fast einer Million ihrer auf dem gleichen Weg zur gleichen Zeit in Deutschland angelangten Landsleute nachgerade lächerlich, weil dadurch ja auch die Anzahl der hier medizinisch zu versorgenden Menschen gestiegen ist.

Noch einmal: Jeder ist in Deutschland willkommen, der bereit ist, nach den hier geltenden Regeln zu leben und sich mit der Geschichte dieses Landes einschließlich seiner Verpflichtungen gegenüber Israel vertraut zu machen. Es ist unmöglich, in Syrien als Deutsche, Tschechen, Polen, Franzosen, Dänen oder Schweden zu leben, als hätte man sein Herkunftsland nie verlassen – und umgekehrt gilt das auch, kann man als Syrer in den aufgezählten Ländern nicht leben, als hätte man Syrien nie verlassen. Obwohl das wie eine Binse klingt, bin ich mir nicht sicher, dass das allen in den letzten zehn Jahren nach Deutschland zugewanderten Syrern tatsächlich klargeworden ist.

Schuld daran haben aber nicht sie, sondern all die Politiker, Journalisten, Flüchtlingsinitiativen etc., die ihnen ein X für ein U vorgemacht und sie in der Vorstellung bestärkt haben, sie könnten, müssten, sollten, dürften etc. Deutschland nach arabischem Vorbild umgestalten, kurzum die Einheimischen müssten sich nach ihnen richten und nicht sie sich nach den Einheimischen, also all denjenigen, die dieses Land und seine freiheitlich-demokratische Grundordnung seit fünfunddreißig, fünfzig, sechzig, fünfundsiebzig Jahren aufgebaut und aufrechterhalten haben.

Dem vorangegangen war ein von Nazi-Deutschland – dessen Führer damals auch unter einigen Syrern hohes Ansehen genoss – angezettelter mörderischer Weltkrieg, an dessen Ende halb Europa in Trümmern lag. Danach haben die Europäer ihre Länder wieder aufgebaut – das gilt für West- wie Osteuropa – und das war einst der Grundstein ihres heutigen Wohlstands.

Zehn Gebote als Gegenmittel gegen Muslimbrüder und Militärdiktatoren

Dass Syrer vor Assad, dessen Baath-Partei durchaus mit der NSDAP vergleichbar ist, vor dem Islamischen Staat, vor den Bomben des Regimes und Russlands ins Ausland flohen, ist nur allzu verständlich. Erste Hilfsadresse aber wären die Staaten der Arabischen Liga gewesen und nicht die der Europäischen Union. Dass die Liga nicht half, ist ebenso beschämend wie beredt.

Aber die Vorstellung, dass ohne die in Europa lebenden syrischen Flüchtlinge erst ein neues Syrien von den Daheimgebliebenen aufgebaut worden sein müsse, bevor und damit die Flüchtlinge überhaupt zurückkehren könnten, erscheint mir grotesk. Mehr noch, es ist geradezu kontraproduktiv. Denn das künftige Syrien kann überhaupt nicht friedlicher, menschenwürdiger und freier sein als das vergangene, wenn nicht ein Großteil der Syrer an seinem Aufbau und seiner Gestaltung beteiligt ist.

Selbstverständlich würde es Chaos produzieren, wenn plötzlich fast alle der vier bis fünf Millionen geflohenen Syrer schon ab morgen auf einen Schlag zurückkehren würden. Doch daran, dass diese Rückkehr nach und nach, geordnet und in absehbarer Zeit wird erfolgen müssen, ändert das nichts.

Die zehn Gebote kamen aus dem Orient und sind zur Verfassungsgrundlage des Okzidents geworden. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, dass sie nicht auch eine neue Verfassung Syriens wenigstens inspirieren könnten. Ein Syrien der Muslimbrüder wäre dann ebenso unmöglich wie eines von Militärdiktatoren wie den Assads.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Sylke Kirschnick.

 

Sylke Kirschnick hat über Orientalismus, deutsche Kolonialgeschichte, jüdische Schriftsteller und Judenfeindschaft geschrieben.

Foto: K.I

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Markus Viktor / 25.12.2024

@Franz Klar „arbeiten etwa 80.000 Syrer hierzulande in Engpassberufen“ … “jetzt noch die besten Fachkräfte abklemmen“. Nur weil sie in Engpassberufen arbeiten, sind sie noch nicht die besten Fachkräfte. Auch hier wieder die diesem Land schadende kognitive Unfähigkeit, zwischen Kriminellen, Extremisten, Judenhassern, Sozialsystemmigranten und anderseits sich integrierenden und produktiv mitarbeitenden Migranten zu unterscheiden.

Roland Müller / 25.12.2024

Sind sie vor dem “bösen Assad” oder vor den brutalen Islamisten, die zum großen Teil der Wertewesten angeheuert, bezahlt und bewaffnet hat, geflohen. Mir fällt da zum Beispiel der Kannibale ein. Ich denke das von Obama, Merkel und Co. angerichtete Chaos ist nahezu unlösbar.

Markus Viktor / 25.12.2024

Auch wenn Syrien weiterhin ein Chaosstaat bleiben sollte, müssen alle syrischen Chaoten, nämlich Kriminellen, Extremisten, also auch alle Judenhasser, und Sozialsystemmigranten so bald wie möglich zurück. Es macht keinen Sinn, dass sich Europa und Deutschland von seinen muslimischen Feinden ausnützen lässt. Europa schuldet ihnen nichts, sondern sie schulden Europa Rückzahlung der erlangten Vorteile aus ungerechtfertigter Bereicherung. Nichts gegen christliche und echte ex-muslimische rechtsstaatsorientierte Syrer, die sich hier integrieren und mitarbeiten. Ebensowenig hätte ich gegen buddhistische solche Syrer, sofern es sie gäbe. Der Islam schuldet Europa und der gesamten Menschheit Wiedergutmachung und Selbstauflösung. Das wäre eine Frohe Botschaft. Wobei die christliche Frohe Botschaft beinhaltet, dass Christus auch über die Muslime Gericht halten wird, vergebend wenn angebracht und strafend wenn angebracht. Schaun wir mal.

Sam Lowry / 25.12.2024

Wovon träumen sie nachts? Kriminalstatistiken nach Syrer scannen… fertig! Unfassbarer Sermon in letzter Zeit…

gerhard giesemann / 25.12.2024

Die zehn Gebote als Inspiration für ein neues Syrien? Das inspiriert ja nicht einmal Putin, überfordern wir da die Syrer? Oder nicht?

Joachim Grüner / 25.12.2024

Glaubt wirklich irgendjemand, dass die Islamisten in Syrien ein auch nur annähernd demokratisches, rechtsstaatliches System hervorbringen werden, obwohl es das bisher in keinem einzigen islamisch geprägten Land der Welt gab? Ja, die links-grüne Einfaltokratie wird wieder mal ihre multikulturelle Toleranz und postkoloniale Verantwortung beweisen wollen. Ich sehe schon die aktuelle und unter Merz vermutlich zukünftige Außenministerin mit Kopftuch in Damaskus vorsprechen. Realiter wird das neue Regime eher mehr Fluchtgründe als das alte produzieren, und wer sagt, er sei Christ, Jesid, queer oder auch nur gemäßigter Muslim, darf sich weiter in unseren Schutz begeben und kann nicht abgeschoben werden, egal was er sich bei uns zuschulden kommen lässt. Die bittere Wahrheit ist, wir können uns die im wahrsten Sinn des Worts grenzenlose Großzügigkeit des deutschen Asylrechts nicht mehr leisten, wir brauchen eine Obergrenze, um nicht in Parallelkulturen, Antisemitismus, Faustrecht und Terror zu versinken, und da diese bereits seit langem überschritten ist, müssen wir die Grenzen dicht machen und jeden abschieben, der nicht bereits eingebürgert ist, hier keiner geregelten Arbeit nachgeht bzw straffällig wird - notfalls in das Land, aus dem er eingereist ist, also in der Regel eines der unmittelbar umliegenden.

Frank Holdergrün / 25.12.2024

Träumen darf man ja, aber die Geschichte des Islam zu kennen, sie zu studieren und vor allem den Koran und die Hadith zu lesen, ist erheblich besser. Daraus ergibt sich alles folgende. Rousseau: „Es ist unmöglich, mit Leuten, die man für verdammt hält, in Frieden zu leben; sie lieben hieße Allah hassen, der sie bestraft. Es bleibt keine andere Wahl, als sie zu bekehren oder zu peinigen.“ Von dem prominenten saudischen Rechtsgutachter und Verkündiger des Islam Muhammad Salih al-Munajjid,Rechtsgutachten-Nr.: 13759 (Institut für Islamfragen, dh, 31.08.2010) Frage: ” Wie sieht der Islam die Ungläubigen?“Antwort: “...Der Islam hat uns [Muslimen] befohlen, gegeneinander barmherzig zu sein. Den Ungläubigen gegenüber müssen wir herablassend und hart sein. Allah beschrieb die Weggefährten Allahs Propheten - Allahs Segen und Heil seien auf ihm - folgendermaßen: ‘Muhammad ist der Gesandte Allahs. Und die, die mit ihm sind, sind hart gegen die Ungläubigen, doch barmherzig gegeneinander.’ (Sure 48, 29) Der Islam erlaubt uns [Muslimen], die Frauen der Juden und Christen zu heiraten. Diese dürfen jedoch unsere Frauen nicht heiraten, denn die Juden und Christen sind uns unterlegen, unsere Frauen sind ihnen überlegen. Der Niedrige darf nicht über dem Hohen stehen. Der Islam ist überlegen. Nichts darf dem Islam überlegen sein. Wir glauben an ihre Propheten, sie glauben aber nicht an unsere Propheten. Der Islam hat uns befohlen, die Juden und Christen von der Arabischen Halbinsel zu vertreiben. Sie dürfen dort nicht bleiben, denn die Arabische Halbinsel ist das Land der Botschaft [des Islam].”

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com