Diese Woche erlebten wir das Festival der Heuchler. Nein, keine Angst, das wird nicht noch ein Kommentar über Uli Hoeneß, dem ich dringend einen Termin beim Psychiater empfehle – wegen schleichenden Schizophrenieverdachtes. Ja, es geht auch ein bisschen um ihn, schließlich hat er die moralische Schockwelle ausgelöst, in der alle Berufsheuchler mitsegeln. Die Meute hat die Themen Steuerhinterziehung und Steueroasen entdeckt und ist auf einmal völlig aus dem Häuschen. Aber Hallo! Haben Politik und Medien wirklich nicht gewusst, wofür es Steueroasen gibt?
1982 schon habe ich für das ZDF einen 45-Minuten-Film über Steueroasen gedreht und dabei ausführlich das Modell der Cayman Islands dargestellt. Schon damals hatten alle deutschen Großbanken Briefkästen in dieser karibischen Insel. Der Bankenverband verteidigte die Geschäftsverbindungen als absolut notwendig für das internationale Geschäft – und niemand, kein Politiker, keine Zeitung, kein Finanzamt interessierte sich für meine Recherchen. Die US-Amerikaner dagegen kontrollierten schon damals verdeckt und offen jeden ihrer Bürger, der zum „Urlaub“ auf die Insel flog. Die USA haben nämlich ein Gesetz, das besagt, dass jeder US-Bürger mit seinen vollen Einkünften in den USA steuerpflichtig ist.
2001, als ich mich wieder einmal mit unserem Steuerrecht für die ARD beschäftigte, fragte ich den damaligen Finanzminister Hans Eichel, warum wir dieses US-Gesetz nicht auch für Deutschland übernehmen. Das gehe nicht, sagte er, ohne es zu begründen. Aber in dieser Woche ist er auch wieder heftig mit dabei, wenn es darum geht Steuerhinterzieher anzuprangern. Also: Uli Hoeneß war nur zu blöd, auch seinen Wohnsitz in die Schweiz oder nach Österreich zu verlegen, wie dies der „Kaiser“ der Bayern, Franz Beckenbauer, und die deutschen Rennfahreridole Michael Schumacher und Sebastian Vettel schlauerweise gemacht haben.
Es ist ja regelrecht putzig, dass die Politiker plötzlich entdecken, dass es Steueroasen nicht nur gibt, sondern dass da hunderte von Milliarden versteckt werden. Als sie Zypern in den Euro-Club aufnahmen, muss ihnen dies noch entgangen sein. Auch haben sie nicht gemerkt, dass der bisherige Vorsitzende der Eurogruppe und unermüdliche Verteidiger des Euro, der Luxemburger Jean Claude Junker, einen Staat repräsentiert, der als Geschäftsmodell die Beihilfe zur Steuervermeidung aller Art betreibt.
Ganz oben auf der Liste der Heuchler steht bei mir Peer Steinbrück. Der wollte ja schon einmal mit der Kavallerie in die Schweiz einreiten. Aber als er Finanzminister war, hat er die staatliche Hilfe zur Steuervermeidung mitgemacht.
Bei meinen Recherchen über die deutsche Staatsverschuldung 2006 bin ich auf die erstaunliche Tatsache gestoßen, dass unsere Regierung nicht weiß, bei wem die Bundesrepublik ihre 2 Billionen Euro Schulden hat. Die fälligen Zinsen werden nämlich an die Clear_stream S.A. in Luxemburg überwiesen, die dann die Gelder weiter verteilt. Für die Zinsen werden so keine Steuern fällig – anders als für den Normalbürger, der Staatsanleihen oder früher Bundesschatzbriefe gekauft hatte. Auf meine Frage, warum er das nicht unterbinde, antwortete Steinbrück ausweichend. Das sei sicher ganz legal. Und da sind wir bei der nächsten Heuchelei: Steuern hinterzieht der Dumme, der Einfältige. Der Raffinierte nutzt das komplizierte deutsche Steuerrecht, die legalen europäischen Vermeidungskonstruktionen. Daran aber wird nichts geändert. Alle Versuche, das deutsche Steuerrecht transparent und verständlich zu machen, sind an allen Koalitionen gescheitert– und das behaupte ich mittlerweile: weil sie alle von diesem Durcheinander profitieren. Nicht zuletzt die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie auch die Finanzbeamten.
Die Steuerbeamtengewerkschaft verspricht z.B., dass mehr Finanzbeamte mehr Gerechtigkeit schaffen. Dabei hat kein Staat der westlichen Industrienationen so viele Steuerbeamte pro Kopf der Bevölkerung wie Deutschland. Dank Uli Hoeneß werden es wahrscheinlich noch ein paar mehr werden.
Zuerst erschienen in der Fuldaer Zeitung