Wolfram Weimer / 17.05.2019 / 06:10 / Foto: Pixabay / 86 / Seite ausdrucken

Die Wirtschaft und Merkel: Zum Abschied die Rechnung

Vorstandsvorsitzende von Dax-Konzernen sind mit der Kanzlerin normalerweise so höflich wie Messdiener mit ihrem Pfarrer. Jetzt aber braut sich Reformations-Stimmung in den Chefetagen der Wirtschaft zusammen. Seit Wochen schon wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für seine ordnungspolitische Untätigkeit und die “Nationale Industriestrategie 2030” scharf kritisiert. Es hagelt Kritik von Gewerkschaftern, Unternehmern und Verbänden. Sie befürchten, dass Deutschland in eine Rezession schlittert und im internationalen Wettbewerb massiv abrutschen könnte.

Zu hohe Steuern, zu hohe Strompreise, zu viel Regulierung und eine untätige Regierung in Sachen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bringen die Wirtschaftsführer in Alarmstimmung. Die Wirtschaftsverbände warnen, dass man bald so weit hinter China und die USA zurückfallen könnte, dass Deutschland große Wohlstandseinbrüche drohen.

Ein prominenter Dax-Vorstandsvorsitzender hält den Kodex der Höflichkeit nicht mehr ein. Adidas-Chef Kasper Rorsted liest Angela Merkel und ihrer Regierung in ungewöhnlicher Deutlichkeit die Leviten. “Der Standort Deutschland hat mehr Probleme, als viele wahrhaben wollen”, mahnt Rorsted in der „Welt” und wiederholt damit wortgleich Vorwürfe, die er im Januar bereits in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” formuliert hatte. Frontal beklagt Rorsted die Versäumnisse der Berliner Politik. Seit 2005 kündige Bundeskanzlerin Merkel bereits an, die Digitalisierung stehe ganz weit oben auf ihrer Agenda. “Aber es geschieht nichts. Sie wird diese Regierung verlassen ohne Erfolg in diesem Bereich.”

Über autonomes Fahren zum Beispiel müsse Deutschland nicht nachdenken, solange bei einer Autofahrt zwischen Nürnberg und München ständig die Telefonverbindung abreiße. Darüber hinaus seien die Behörden kaum digitalisiert, die Schulen ebenfalls nicht. “Wir haben Überschüsse bei den Staatsfinanzen”, wettert der Konzernchef des größten europäischen Sportartikelherstellers, “aber unsere digitale Infrastruktur hat Defizite, wie es schlimmer nicht geht”.

Überregulierung und Übersteuerung

Rorsted warnt vor rückläufiger Industrieproduktion und nachlassender Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas. Die EU sei in einem schlechten Zustand: “In den letzten zehn Jahren ist viel geredet worden, aber es hat keine echten Reformen gegeben.” Es gebe in Europa 200 verschiedene Telekommunikations-Provider und nicht drei oder vier. “Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein effizienteres Europa mit weniger Bürokratie.”

Der Spitzenmanager spricht damit aus, was viele Wirtschaftsführer derzeit umtreibt. Die Große Koalition verliere den Blick für das dringend Notwendige, Deutschland drohe der Absturz in die Rezession, Handelskonflikte eskalierten, Berlin betreibe aber keine Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik, sondern überreguliere und übersteuere die Industrie mit immer neuen Ideen, zuletzt mit dem Plan einer CO2-Steuer. Die Energiewende sei gescheitert, der Brexit sei das Ergebnis auch von deutschem Politikversagen, und bei der Digitalisierung komme Deutschland viel zu langsam voran.

Die Attacke von Rorsted wirkt in Vorstandskreisen wie ein Dammbruch. “Er sagt, was viele von uns denken”, meint der Vorstand eines süddeutschen Industriekonzerns. Der Ärger konzentriere sich nicht mehr auf Altmaier, die Große Koalition als Ganzes wird als eine Belastung für den Standort empfunden. “Berlin diskutiert über Enteignungen, während wir auf den Weltmärkten ums Überleben kämpfen”, ärgert sich ein westfälischer Mittelständler. Immer häufiger gerät auch Merkel in die Kritik. “Sie macht eine ausgedehnte Abschiedstournee, aber Deutschland wird nicht mehr regiert”, so lautet die Klage.

Rorsteds wiederholter Tabubruch ist auch deswegen so nachhaltig, weil der Adidas-Chef mit seinem Konzern außerordentlich erfolgreich unterwegs und extrem internationalisiert ist, dass er die global schwächere Wettbewerbslage Deutschlands so gut einschätzen kann wie kaum ein anderer. Der Marktwert von Adidas hat sich binnen vier Jahren auf 50 Milliarden Euro verdreifacht. Auch ins 70. Jubiläumsjahr startet Adidas mit zweistelligen Umsatzzuwächsen in China und im E-Commerce-Geschäft. Der Konzern kann die hohe Nachfrage bei Bekleidung derzeit nicht einmal mehr vollständig bedienen, da die Kapazitäten nicht ausreichen. Der Umsatz übersteigt die Marke von 22 Milliarden Euro.

Doch Adidas schafft die Erfolge immer mehr außerhalb Deutschlands. Pünktlich zum Firmenjubiläum hat der Puma- und Nike-Rivale nun sein neues Arena-Gebäude am Stammsitz Herzogenaurach fertiggestellt. Es erinnert optisch an ein Fußballstadion und bietet 2.000 Mitarbeitern Platz. Offiziell in Betrieb genommen wird die Arena am 9. August, wenn Adidas seinen 70. Geburtstag feiert. Angela Merkel wird eher nicht kommen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

 

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B.Freund / 17.05.2019

Man vergesse aber bitte niemals, dass die deutschen Arbeitgeber und Unternehmer DIE Treiber überhaupt auf dem gebiet der offenen Grenzen und der grenzenlosen Zuwanderung von Muslimen sind. Unternehmer betreiben doch eine regelrechte Hetzjagd auf alle Mitarbeiter, die mit dem Einwanderungsirrsinn nicht zufrieden sind und das sagen. Insofern hätte sich die deutsche Wirtschaft ihren Niedergang wirklich verdient. Um diese Unternehmer wäre es wirklich nicht schade.

Rico Martin / 17.05.2019

Deutschland ist mittlerweile ein Sicherheitsrisiko für alle Nachbarn geworden. Wer diese dafür verantwortliche Regierung wählt, läd massive Kontaktschuld auf sich. Wer nicht wählt, wählt Merkel. Wir müssen uns manchmal eine Entscheidung abringen. Steh also auf, wenn du bereits wach bist und werde aktiv. Wenigstens ein mal. Geht wählen. Das ist Notwehr, gegen ein krankes System.

Frank Mertes / 17.05.2019

Diese Kritik ist lächerlich und sie kommt um Jahre zu spät. Wer hat denn Merkel hofiert, wer hat jeden Blödsinn mitgemacht von der Energiewende über die Abgasnormen bis hin zum Kampf gegen Rechts? Wer hat Merkel nach ihren wirren Reden applaudiert und sie gefeiert, als habe da ein Messias gesprochen und keine verwirrte Frau, die keinen Satz gerade und sinnvoll zu Ende bringen kann? Die deutsche Wirtschaft ist Teil des Problems. Da soll sie jetzt nicht jammern.

Heinrich Hein / 17.05.2019

Oh, da wird Merkel aber mächtig beeindruckt sein. Früher war sie nur vollkommen unfähig. Heutest noch unendliche Arroganz hinzugetreten. Es dürfte ihr reichlich egal sein, was man von ihr hält. Aber der deutsche Michel findet sie toll. Egal wen man fragt, was an ihr so toll ist, stets die gleiche Antwort: sie überlegt, bevor sie handelt. Da lache ich nur, als hätte diese Dame jpeg einen anderen Gedanken gehabt, als sich in vollkommener Machtgeilheit solange an der Spitze zu halten, bis sie entscheidet, dass sie das Land nicht mehr verdient. Ihre „Leistung“ ist es, das Land zerstört zu haben. Abers Istrien nun einmal erzogen worden, in der damaligen SED-Diktatur.

Michael Stoll / 17.05.2019

Ich hoffe, Sie sehen mehr als ich, Herr Weimer. Ich sehe, bis auf Ihr Beispiel nur kuschende und schleimende Dax-Vorstände und linksradikale Gewerkschaften, die sich mehr um das Wohl der Antifa, als um die (echten, arbeitenden) Arbeitnehmer bemühen. Ich kann die Gewerkschaft der Polizei nicht verstehen, wie sie es unter ihrem Dachverband DGB aushält, der der Antifa Schulungsräume zur Verfügung stellt. Wird dort “geschult”, wie man Gehwegplatten auf Polizistenköpfe (G20-Hamburg) wirft? Einzig aus dem Mittelstand kommt vereinzelt Kritik an der verantwortungslosen Wirtschaftspolitik. Vielleicht liegt es daran, dass diese die Produktion nicht so einfach ins Ausland verlagern können oder wollen, wie die DAX-Konzerne.

Frank Dieckmann / 17.05.2019

10 Jahre haben die Konzerne bestens Dank Nullzinz auf Kosten der Sparer verdient. Die Bankenkrise dank des deutschen Steuerzahlers überlebt und die Einwanderungspolitik bejubelt. Welch Bigotterie! Und die Digitalisierung scheitert nicht an der Regierung. Ist alles privatisiert! Die jammernde Wirtschaft ist es selbst, welche den Grundregeln des Kapitalismus nicht mehr folgt. Wer nicht investiert und riskiert, kann nunmal auch nix verdienen! Soll etwa der Steuerzahler die hunderttausenden Sendemasten für 5G entlang der Autobahnen finanzieren, damit die Autokonzerne dann damit Geld verdienen können.

Günter Springer / 17.05.2019

Warum gibt es bei uns nicht das Amtsenthebungsverfahren wie in den USA? Frau Merkel wäre doch der erste Kandidat,oder sehen Sie alle das nicht auch so. Ein Schande, was man uns zumutet!

Jürgen Schnerr / 17.05.2019

Wenn die Wirtschaftsführer wirklich “Führer” wären und noch Eier in der Hose hätten, dann würden sie sich nicht so lange abgeduckt haben und jetzt nicht nur reden, sondern handeln. Handeln tun sie wahrscheinlich auch, aber nicht im Sinne des Standortes D. Wir ahnen vielleicht noch nicht einmal, welche strategischen Kapazitäten bereits aus dem deutschen Standort herausgelöst worden sind oder gerade herausgelöst werden und woanders in der Welt neu erblühen. Und wenn es dann erkennbar zu sehen sein wird, waren die bösen Nazis schuld daran und nicht eine unfähige Murkelin.

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