Nun ist es geschafft. Nach dem zweiten Wahlgang hat die CDU eine neue Vorsitzende. Und es ist genau die Vorsitzende, die ihre Vorgängerin ohnehin für diesen Posten ausersehen hatte. Da beschleicht einen der Gedanke, dass man sich dieses ganze Theater doch hätte sparen können. Aber das ist natürlich Unsinn, denn jetzt erscheint ja die Legitimation viel größer. Wahlkampf-Auftritte vor der Partei-Basis, die zwar nichts entscheiden durfte, aber mit ihrer Kulisse den Anschein erweckte, als hätte diese Entscheidung jetzt eine größere Legitimation, als die einer normalen Parteitagsentscheidung. Mehr war es aber nicht.
Doch dieses Schauspiel innerparteilicher Demokratie hat der CDU einen Umfrageaufschwung eingetragen. Man konnte den Geist von Änderung und Neuanfang beschwören, ohne erwähnen zu müssen, von welchen Altlasten man sich denn bei diesem Neuanfang zu trennen gedenke. Ganz zu schweigen von einem vielleicht nötigen Bekenntnis zu eigenen Fehlern und der Ankündigung, diese zu korrigieren. Es entstand, befeuert auch vom Medienecho, das Bild von einer CDU im Wandel. Am Ende war es jetzt nur der Wandel von Mutti-Ost zu Mutti-West. Die Parteikinder sind nach ein paar wilden Wochen auf dem gut eingehegten Demokratie-Spielplatz mehrheitlich dem gefolgt, was ihnen die Frauen mit politischem Sorgerechtsanspruch gesagt haben.
Immerhin war es ja schon aufregend genug, dass es drei Kandidaten für den Parteivorsitz gegeben hatte. Da wäre es nun auch wirklich eine Überforderung gewesen, wenn diese auch noch unterschiedliche – womöglich sogar gegensätzliche – Konzepte zur Abstimmung gestellt hätten. Allein das Ende der totalen Alternativlosigkeit scheint dem heutigen Christdemokraten zum Jubel zu reichen.
Hochfest der Tischwahlkabine
Als Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Phoenix-Interview während der ersten Stimmenauszählungspause bei der Vorsitzendenwahl euphorisch erklärte, dass dieser Parteitag ein „Hochfest“ der Parteidemokratie sei, da fragte man sich als außenstehender nüchterner Beobachter, ob sich die Delegierten diese Champagnerlaune angetrunken haben oder ob sie dafür stärkere Mittel brauchten. Es gab jubelnde Delegierte nach der Bewerbungsrede von Annegret Kramp-Karrenbauer, bei denen man sich schon die gleiche Frage stellte. Allein aus dem Gesagten kann eine solche Begeisterung eigentlich nicht entstanden sein. Aber vielleicht muss man ein CDU-Parteibuch besitzen und in den letzten Jahren still und schwer an der bleiernen Alternativlosigkeit gelitten haben, um nun diesen euphorischen Zustand zu verstehen.
Die Bewerbungsreden der Vorsitzenden-Kandidaten allein klangen jedenfalls nicht unbedingt nach „Hochfest“ der Demokratie. Natürlich war es anders als früher, als es nur eine Kandidatin gab. Diesmal gab es Reden aus drei Textbausteinkästen, und damit wurden den Zuhörern auch mehr Textbaustein-Variationen geboten als sonst. Doch inhaltlich hatte man fast jede Sprechblase schon einmal auf früheren Parteitagen gehört. Außer vielleicht, dass "5G" nun doch an jede Milchkanne gehöre, weil ja dieser Mobilfunkstandard zu früheren Parteitagen noch nicht in Rede stand.
Aber wollen wir die Neuerung nicht kleinreden: Immerhin wusste man am Anfang des Parteitages noch nicht, wer Angela Merkels Nachfolge als Parteivorsitzende antreten dürfte. Das sollte man nicht vergessen, nur weil es am Ende dann doch die geworden ist, die sich die Kanzlerin gewünscht hatte. Und wenn ein Symbol für diese Erneuerung gesucht würde, dann wäre es die neue „Tischwahlkabine“ aus Pappe, die jeder Delegierte vor sich aufstellen musste. Ohne durfte nicht gewählt werden, damit es bei dieser wichtigen Wahl zu keinen Unregelmäßigkeiten kommen könne. Offen abgegebene Stimmen würden nicht gelten, hieß es von Anfang an.
Eine Anmutung von Troika
Alle Kandidaten mühten sich bei ihren Ansprachen um einen Spagat: Treueerklärungen an Angela Merkel, einschließlich der Unterstützung für ihre weitere Kanzlerschaft bei gleichzeitigem Versprechen eines neuen Kurses. Annegret Kramp-Karrenbauer dankte Merkel selbstverständlich emotionaler und engagierter, auch bei der Erklärung an die „liebe Angela“, dass ihre Regierung gebraucht würde. Die Nachfolge-Kandidaten wollten Angela Merkel nicht zumuten, laut von früheren Fehlern der Partei oder gar ihrer Vorsitzenden und Kanzlerin zu reden. So machten denn auch alle drei aus der Migrationsproblematik allenfalls eine Randnotiz. Das angebliche „Hochfest“ der Parteidemokratie, von dem Julia Klöckner so schwärmte, sollte wohl vor allem Hochfest der Harmonie sein.
Miteinander gingen die Kandidaten so liebevoll um, dass sie nach der Wahl der Parteivorsitzenden nun problemlos eine Troika à la SPD von 1994 bilden könnten, als die Genossen Schröder, Lafontaine und Scharping versuchten, ihre Partei in demonstrativer Einigkeit zum Sieg zu führen. Daran musste man sich als älterer Zuschauer im Polit-Theater unweigerlich erinnern, als die frisch gewählte Vorsitzende nach allen Dankesreden unbedingt noch einmal mit ihren liebgewonnenen Kontrahenten gemeinsam auf der Bühne posieren wollte.
Aber vielleicht sollte man doch einen Blick auf die Rede werfen, mit der die neue Vorsitzende die Delegierten zu überzeugen gedachte. Sie machte einen Ausflug in das Deutschland, das sie sich vorstellt: Mit sicherem Euro, innerer Sicherheit, modernsten Schulen, flächendeckend digitalisiert und als öffentlicher Nahverkehr auch auf dem entlegenen Dorf einen Bus, wenn man ihn braucht. Da fehlten eigentlich nur noch die Lufttaxis.
Immerhin hat sie sogar – und das ist in heutigen Zeiten wirklich bemerkenswert – von der Wertschöpfung in Deutschland gesprochen. Bei vielen Politikern hat man ja den Eindruck, dass sie vergessen haben, was das ist. Das „Gesellschaftsjahr“ beziehungsweise Pflichtjahr für alle streifte sie kurz und vor allem wollte sie die Volkspartei CDU erhalten. Die sei die letzte Volkspartei, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, dabei brauche die Welt dieses Modell. Ihr käme die CDU derzeit wie das letzte Einhorn vor.
Angela und Alexander können feiern
Fast alle Wünsche, die man so bei Wählern vermutet, wurden mit einem Textbausteinchen bedacht und manches – zugegeben – klang ja auch gar nicht schlecht.
Soll man nun hoffen, dass es wirklich anders wird mit der CDU? Soll man den Ankündigungen eines neuen Kurses glauben? Oder ist es wie mit der Ex-Vorsitzenden und Noch-Kanzlerin, die auf den vergangenen Parteitagen schon Positionen aus allen politischen Lagern engagiert vertreten hatte, inklusive solcher, die heutzutage von der CDU als „rechtspopulistisch“ gebrandmarkt würden.
Damit sind wir bei denen, die sich neben der Gefolgschaft von alter und neuer Mutti wahrscheinlich freuen können, der AfD. Für die ist es die beste Variante, denn Merkels Wunschnachfolgerin wird weniger abgewanderte Wähler von der AfD zurückholen können – wenn überhaupt – als es vielleicht den anderen Kandidaten hätte gelingen können. So werden Angela Merkel und Alexander Gauland das Ergebnis feiern und viele andere den Theaterdonner der letzten Wochen im Nachgang für etwas übertrieben halten.
Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de
Beitragsbild: Unbekannt via Wikimedia Commons

@ Stefan Elbel Herr Elbel, Sie vergessen nur eines: der Schwur der AM dem deutschen Volk gegenüber, ist hinfällig, weil es in ihren Augen kein deutsche Volk mehr gibt. Und wo nichts ist, ist auch ein Schwur hinfällig. Genau das ist es, wenn man behauptet, diese Frau würde alles vom Ende her denken.
Ich sehe für die AfD folgende taktische Chance, die dann zur strategischen Option längerfristig wird. Die AfD sollte alle Kompetenz und Sachverstand bündeln, politische Standpunkte und Lösungsansätze über das Migrationsthema hinaus, zu formulieren und zu transportieren. Die Schwäche des politischen Gegners - Aufgabe des Erneuerungswillens, Verrat an konservativer Politik für die autochthone Bevölkerung, etc. -, entzieht diesem die Energie. Konsequenz für die AfD: Nicht die andauernde Konfrontation auf dem "verminten" Feld der Migrationspolitik ist zu suchen, die nur dazu geführt hat, sich an der Einheitsfront der "Guten aufzureiben". Nein, die AfD kann den taktischen Rückzug aus der Migrationsdebatte nutzen und sich inhaltlich so aufstellen, dass sie für konservative Überläufer aus Politik und Bürgertum wählbar wird. Die Gegenseite wird sich gegenseitig die Wählerstimmen abnehmen. Es wird nur eine Verschiebung innerhalb des linken Blocks geben. Die gestrige Wahl ist strategisch für die AfD positiv, da sie weniger Kräfte gegen eigene Wählerabwanderungen mobilisieren muss und diese Ressourcen jetzt zum Aufbau einer echten bürgerlichen Wähleralternative nutzen kann. Die ideologische Schwäche der Gegenseite führt die AfD, wenn sie die Gunst der Stunde nutzt, zu einer Verankerung im bürgerlich, konservativen Milieu. Die AfD sollte jetzt sich emanzipieren und den Status einer Protestpartei verlassen! Die Union hat gestern die Flanke dafür weit geöffnet.
Der Hamburger CDU-Parteitag war wie eine Gerichtsverhandlung vor dem Familiengericht. Verhandelt wurde die Streitsache der Eheleute CDU ./. Bürgertum, die am 7.12.18 geschieden wurden. Die geschickt agierende „Anwältin“ der CDU, Frau Akk, ließ die CDU am Ende sogar glauben, sie habe „gesiegt“. So etwas nennt man wohl einen klassischen Pyrrhussieg.
Die CDU hat auf diesem Parteitag die letzte Chance zur Erneuerung verpasst. Sie ist keine konservative und bürgerliche Partei mehr, schon seit Jahren, und sie wird es nie wieder sein. Kramp-Karrenbauer steht als letztes Aufgebot dieser Partei für das Mittelmaß, das die Politik - nicht nur die CDU - heute ausmacht. Diese Frau als deutsche Kanzlerin, eine lächerliche Vorstellung. Sie wird ähnlich viel Unheil anrichten wie die "mächtigste Frau der Welt" vor ihr, die das personifizierte Desaster war. Deutschland hat in den letzten Jahren von der Substanz gelebt. Bald ist die aufgebraucht. Notwendige Weichenstellungen in vielen Politikfeldern sind unterblieben, ob in den Bereichen Energie, Soziales, Finanzen und Steuern, Migration oder anderen. Sie werden auch von Kramp-Karrenbauer und dieser CDU nicht kommen. Insofern war dieser Parteitag wirklich historisch. Der deutsche Michel wird es aber erst in einigen Jahren merken und sich dann verwundert fragen: Was ist nur aus Deutschland geworden und wie konnte es dazu gekommen?
Ein Problem dürfte auch die Altersstruktur der CDU sein: die Merkel-Fans - inkl. ihr selbst - werden die Endkonsequenzen der Merkelschen Fehlentscheidungen nämlich nicht mehr erleben, da lässt sich gut klatschen und sich "gut fühlen"! Jens Spahn war gestern der Einzige, der die wichtige Frage, wo unser Land eigentlich in 20, 30 Jahren stehen will, gestellt hat- und dass dafür JETZT die Weichen gestellt werden müssen. Der ist nämlich noch jung genug, um die Endkonsequenzen live ertragen zu müssen, die z.B. durch die weiterhin unkontrollierte Masseneinwanderung aus allen Ecken der Welt in unsere Sozialsysteme entstehen oder durch die völlig undurchdachte Energiepolitik, durch die Vernichtung des Industriestandorts D, etc. , etc. Da diese Partei nun also die Chance für eine Kehrtwende vertan hat und für "weiter so" gestimmt hat, zeigt einmal mehr deren Verantwortungslosigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen, denn die Probleme werden nicht weniger - sie werden sich potenzieren! Mehr Mittelfinger geht nicht. - Vielen Dank!
.... Glücklicherweise konnte ich trotz des europäischem Datenschutzes (er ist nicht ganz dicht) Noch die Irish Times aufrufen um Näheres über das Wahl Prozedere zu erfahren. Und da lese ich "...some 1,001 delegates from 17 regional parties (one for each federal state and one in Brussels). Weighted by local party membership, Germany’s most populous western state, North Rhine-Westphalia, sends 296 delegates to Hamburg – more than twice the entire 133 delegates from the eastern German states combined. Wow, 296 Delegierte aus Nordrhein Westfalen und nur insgesammt 133 Delegierte aus den ehemaligen ostdeutschen Staaten...... Da wundert mich nix. "Basisdemokratie, ick hör Dir trappsen....."
@Karla Kuhn. Völlig richtig, liebe Frau Kuhn. Diese blasse und total uncharismatische Annegret von der Saar ist alles andere als harmlos. Sie ist von Merkel nicht umsonst zu ihrer Nachfolgerin auserkoren worden. Man muss allerdings anerkennen, dass sie wesentlich gepflegter daherkommt als die Große Vorsitzende. AKK ist weniger adipös - eher zierlich - stets gut frisiert, und sie scheint auch nicht ihre Fingernägel bis aufs Nagelbett herunter zu kauen. Immerhin schon rein optisch ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Im Übrigen wird von ihr mancherorts als Merkels "Kammerzofe" gesprochen. S'Annegret ist von ihrer Herrin so gebrieft worden, dass sie genau das tun wird, was man ihr von höherer Stelle vorschreibt. Merkel spielt indessen unbehelligt weiter die Kanzlerin. Gefahr droht allerdings von anderer Seite. Es wird damit gerechnet, dass der von AM so schmählich geschasste Friedrich Merz sich schon mal als Kanzlerkandidat warm läuft. Ob der aber im Falle einer Kandidatur jene konservativen Stimmen für die CDU zurückholen kann, die inzwischen zur AfD abgewandert sind, darf stark bezweifelt werden. Denn der Transatlantiker und Bilderberger Merz ist bei vielen wertkonservativen Wählern sehr umstritten. Und somit bleiben zunächst viele Fragen offen. Eines jedoch steht fest: Wir gehen ebenso spannenden wie äußerst turbulenten Zeiten entgegen.