Rainer Bonhorst / 13.04.2020 / 10:00 / Foto: Pierre Bachelot / 39 / Seite ausdrucken

Die Welt wird eine andere sein? Doch Stuss bleibt Stuss

Mein Lieblings-Stuss-Satz lautet: „Nichts wird mehr so sein, wie es war.“ Es ist kein neuer Stuss, aber er hat sich mit dem Corona-Virus pandemisch ausgebreitet. Leitartikler, Zukunftsforscher, schreibende Hausfrauen und Virologen teilen uns mit: „Nichts wird mehr so sein, wie es war.“ Meine Reaktion: Wirklich? Nichts? Wird auch mein Frühstück nicht mehr so sein, wie es war? Und mein Sofa? Und mein Garten? Und mein Spaziergang im Wald?  

Also, was ist? Sicher, Corona wird dies und das verändern. Ist ja schon dabei. Zum Beispiel legt die SPD wieder zu, und die Grünen müssen ein paar Federn lassen. Das Virus erinnert die Leute eben daran, dass die Grünen ein Wohlstandsprodukt sind. In der Krise hat man es lieber etwas bodenständiger. Darum auch das Erstarken der Unionsparteien. Aber zeichnet sich da schon die postcoronale Zukunft der Parteienlandschaft ab? Oder werden nach Corona die Parteien wieder auf ihr vormaliges Niveau zurück pendeln? Dann könnte der Stuss-Satz gelten: „Alles wird wieder so sein, wie es war.“ Und wäre natürlich auch falsch.

Politische Theoretiker erhoffen oder fürchten, dass Corona dem einstmals real existierenden Sozialismus eine neue Chance geben wird, da wir uns so brav an rabiate staatliche Eingriffe gewöhnt haben. Das Kollektiv als Gegenentwurf zum social distancing. Das wäre eine deutliche Veränderung. Der Staat als Muskelprotz. Allerdings hat sich der Staat auch vor Corona schon in immer mehr private Belange hineingefressen wie eine überdimensionierte Mutation von Loriots nimmersatter Steinlaus. 

Es kann aber auch sein, dass – im Gegenteil – der Kapitalismus nach der Corona-Zwangspause in einen Rausch des Nachholbedarfs verfällt, und noch freier und wilder wuchern wird als zuvor. Das wäre auch eine dramatische Veränderung. Capitalism for future. Doch wer will ausschließen, dass sich viel weniger tun wird, als man heute meint? Das Element der Trägheit wird jenseits der Physik gerne unterschätzt. 

Oma und Opa in Zukunft häufiger besuchen?

Und was ist mit der Globalisierung? Corona hat die Schwächen einer Just-in-Time-Weltwirtschaft entlarvt. Wird es also eine Rückbesinnung auf Nähe, Heimat und Vorratshaltung geben? Kann sein, es würde aber eine Menge kosten. Darum ist es auch möglich, dass der Weg aus der Corona-Wirtschaftskrise über eine noch straffere und kostengünstigere Globalität führen wird.

Im gesellschaftlichen Bereich wird hier und da ein Umdenken herbeigesehnt: Corona hat gezeigt, wie wichtig soziale Kontakte für das Wohlbefinden sind. Wird man also Oma und Opa in Zukunft häufiger besuchen und einladen? Vielleicht. Es kann aber auch sein, dass das schlechte Gewissen der generationsübergreifenden Vernachlässigung nicht lange vorhält und die Großeltern bald wieder nur an Ostern und Weihnachten aufgesucht werden. 

Wer die Einsamkeit des Home Office erlebt hat, wird nach der Entwarnung womöglich mit vorher selten empfundener Begeisterung ins Büro eilen und die Kantinen-Gemeinschaft wie nie zuvor genießen. Andererseits: Wer die Bequemlichkeit des Heimbüros genossen hat, wird womöglich versuchen, den Esstisch weiter als work place zu nutzen und das Zentralbüro nur noch in dringenden Fällen besuchsweise betreten. Da diese Arbeitsweise kostengünstig sein kann, ist es denkbar, dass mancher Arbeitgeber dabei gerne mitspielt. So oder so – eine Veränderung. Es sei denn, man knüpft einfach da wieder an, wo man aufgehört hat.

Kurz und gut: Manches wird bleiben, wie es ist, und manches wird sich verändern. Und in welche Richtung sich was verändern wird, ist noch lange nicht ausgemacht. So meldet die Süddeutsche Zeitung korrekt: „Corona kann den Immobilien-Boom stoppen. Oder es kommt ganz anders.“ Genau so ist es. Man könnte auch sagen: Kräht der Gockel auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist.“

Kluge Politiker formulieren ihre Visionen von der Post-Corona-Welt darum auch vorsichtiger. Oder breiter. Hier sei nur das Beispiel unseres erlesensten Formulierers, Frank-Walter Steinmeier genannt. Der Bundespräsident sagt in seiner TV-Ansprache: „Die Welt danach wird eine andere sein.“ Das ist eine klassische Aussage von edler Einfalt und schlichter Größe. 

Die Welt reagiert, wie der Mensch – unterschiedlich

Zwei Fragen drängen sich auf: Was ist der Vater dieses Gedanken? Furcht? Hoffnung? Die Hoffnung auf eine bessere Welt? Die Angst vor einer schlechteren Welt? Oder beides? Und die zweite Frage: Wie anders wird sie denn sein, die andere Welt? Ganz anders? Oder nur ein bisschen anders? 

Wie hat sie sich zum Beispiel nach der Attacke auf das World Trade Center verändert? Spürbar. Nach dem good bye der Briten? Geht so. Nach dem jämmerlichen deutschen Abschneiden bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft? Kein bisschen. Die Welt reagiert, wie der Mensch – unterschiedlich. Und selbst im Ernstfall von Manhattan ist sie im Großen und Ganzen die Welt geblieben, die wir kennen. Die ganz andere Welt ist irgendwo draußen im All. 

Was aber, wenn uns nach Corona tatsächlich eine völlig veränderte Welt erwarten würde? Dann käme der amerikanische Baseball-Philosoph Lawrence (Yogi) Berra posthum groß heraus mit seiner Aussage: „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war.“ 

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Frank-Michael Goldmann, Dänemark / 13.04.2020

Zitat: “Kurz und gut: Manches wird bleiben, wie es ist, und manches wird sich verändern. Und in welche Richtung sich was verändern wird, ist noch lange nicht ausgemacht.” (Zitat Ende). Schon wieder nen Clown gefrühstückt?

giesemann gerhard / 13.04.2020

Vielleicht werden die Deutschen weniger arbeitswütig sein, mediterraner - mal auf den Geschmack gekommen. On verra, schaumermal.

giesemann gerhard / 13.04.2020

@Andreas Bayer: Das älteste Gewerbe der Welt ist das der Schamanen, Druiden, Brahmanen, Rebbes, Priester, Pfarrer, Imame - von denen hat BP Steinmeier das Predigen gelernt, doch nicht von den Hürchen. Die Grünen waren übrigens maßgeblich beteiligt, gar Treibkraft für die Liberalisierung des horizontalen Gewerbes - aus Gründen, die ich nicht so ganz verstanden habe bisher. Vielleicht sollte da eine Einnahmequelle erschlossen werden, keine Ahnung.

Hans-Peter Dollhopf / 13.04.2020

Alles, außer der Rückkehr zur “Normalität”!

Waltraud Köhler / 13.04.2020

Natürlich wird sich iniges ändern. Schon allein weil die Corona-Krise nach Ostern noch längst nicht vorbei ist. Der ganze “Spaß” wird weiter gehen bis es ein Impfmittel gibt, oder zumindest ein gut funktionierendes Medikament. Schaut man sich einmal die Zahlen an, so sind bei uns, pro 1000 Einwohner nicht inmal halb so viele infiziert als in Spanien. Der Lockdown in Deutschland, der Milliarden gekostet hat, kam zu früh. Es mag für Teile von Bayern BaWü und NRW zur rechten Zeit gekommen sein, aber ben nicht fürs ganze Land. Dauerhaft weiter mit halber/viertel Kraft geht nicht denn soviel Geld kann unsere Regierung nicht locker machen. Und überhaupt was kommt danach? Wie wird die Welt damit umgehen dass dann wohl alle Staaten massiv überschuldet sind? Kauft China dann die Staaten auf? Gibt es eine Inflation? Werden die Schulden einfach miteinander verrechnet? Wir stehen weltweit, nicht nur in D, am Anfang einer riesigen Krise bei der derzeit noch niemand absehen kann wie sie sich weiter entwickelt.

Jirina Paskovsky / 13.04.2020

Und während hier unsere Politiker mit großen pathetischen Worten das Volk auf andere, ärmere Zeiten anstimmen (denn für sie selbst gilt das nicht, da wird nichts gekürzt), hat der Ecuador Präsident Lenin Moreno mit sofortiger Wirkung nicht nur sein Gehalt, sondern den von allen Ministern und Parlamentariern auf 50% gekürzt!! Das nenne ich Solidarität mit dem Volk! Hier wird erst darüber nachgedacht (!) diesjährige automatische Diätenerhöhung auszusetzen! Pfui Teufel! Frohe Ostern dennoch! J. Psskovsky

Andreas Bayer / 13.04.2020

“Die Welt wird eine andere sein”. Steinmeier hat diese Information vermutlich von Kennern des ältesten Gewerbes der Welt. Die gesammelte linksgrüne Flintenweiberschaft dieses Landes wird das Virus vorschieben, um den öffentlichen Häusern nach skandinavischen Vorbild endgültig den Saft abdrehen zu lassen. Das kann spannend werden.

Karla Kuhn / 13.04.2020

DIE WELT, Gerald Krüger, wird GENAU SO sein, wie sie jetzt ist, schließlich gab es weder einen Tsunami noch einen verheerenden Vulkanausbruch, gleich gar nicht einen Atomkrieg. Aber Steinmeisers Reden sind ja fast immer auf dem gleichen Muster aufgebaut. WER schreibt ihm solche- für mich teilweise -  “sinnentleerten Texte ??”  Oder schreibt er sie etwa selber ? Und wer glaubt, daß die meisten Menschen sich durch Corona ändern werden, ist auf dem Holzweg. Gleich nach dem Krieg 1945 gab es einen schwungvollen Handel auf dem Schwarzmarkt ! Trotz Verbote und Strafen haben sich die allermeisten Menschen nicht abhalten lassen etwas zu “ergattern”. WER Schnaps und Zigaretten hatte, konnte alles bekommen. Ungeachtet der Sozialisierung haben fast alle mitgemacht, ebenso beim KLAUEN. HUNGESNOT bricht eben alle Schranken und macht erfinderisch ! GLAUBT wirklich jemand, daß Corona aus Verbrechern bessere Menschen macht ?? Oder aus MACHTGIERIGEN Politikern plötzlich sanfte Lämmer ?? Schon jetzte WÄHREND der Krise scheint der BETRUG zu blühen, z. B. mit falschen FORMULAREN für Geldauszahlungen !! Oder der CORONA ENKELTRICK ! Oder, oder… ? Der Erfindungsgeist kennt eben keine Grenzen !  WAS sich dauerhaft ändern wird, Frau Ilona Grimm ?? Wahrscheinlich bleiben einige der Gesetze,  die in der Krise auf die Schnelle durchgewunken wurden, die sind doch derart praktisch, den “Untertanen” auch weiterhin zu kontrollieren (CORONA APP z.B. )bestehen ! Ganz TRAUMHAFT wäre es, wenn NACH dieser “KRISE” Merkel endlich abtreten würde ! Zusammen mit ihren “Getreuen.” Ich würde das unter Gewinn verbuchen !

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