Die Unterlagen zum Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos zeigen die übliche Transformations-Lyrik und eine Menge grünes Wunschdenken, insbesondere der EU – so ziemlich genau das Gegenteil von Donald Trumps Agenda, der heute seinen Auftritt hat.
Am vergangenen Montag – also just am Tag der Amtseinführung Donald Trumps – begann in Davos wieder einmal die Jahresversammlung des Weltwirtschaftsforums (WEF), das die Interessen der 1000 wichtigsten global agierenden Unternehmen vertritt. Diesmal stand das fünftägige Schaulaufen der globalen Wirtschafts- und Politelite unter dem Motto „Zusammenarbeit im intelligenten Zeitalter“. Mehr als 60 Staats- und Regierungschefs, rund 200 Minister sowie die Vertreter von über 900 Unternehmen hatten ihr Kommen angekündigt. Aufschlussreicher als das Event selbst sind jedoch in der Regel die schriftlichen Publikationen, die das WEF im Vorfeld erstellt und auf die sich die Teilnehmer gerne beziehen.
Erinnert sei beispielsweise an den „Global Risks Report“ 2024, in dem „Desinformation“ als das „größte weltweite Risiko der kommenden zwei Jahren“ bezeichnet wurde. Was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiederum in ihrer eigenen Ansprache in Davos im vergangen Jahr aufgriff: So warnte sie ausdrücklich davor, dass Wahlen durch Falschinformationen beeinflusst werden könnten. Das Thema „Desinformation“ kam seitdem tatsächlich nicht zu kurz – allein schon durch das EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act), durch das die EU-Kommission derzeit auch die Reichweite von Elon Musks Internet-Plattform X einschränken will.
In den „Global Risks Report“ für das Jahr 2025, der am 15. Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde, sind laut WEF nun die Erkenntnisse von über 900 weltweiten Experten eingeflossen. Dazu zählen „Risikofachleute“ genauso wie „führende Persönlichkeiten“ aus Politik und Wirtschaft. Das WEF analysiert darin die größten „globalen Risiken“ und will die politischen Entscheidungsträger bei der Abwägung zwischen aktuellen Krisen und längerfristigen Prioritäten unterstützen. Zwar führt das Thema „Fehl- und Desinformationen“ nach wie vor die „kurzfristigen Risiken“ an, da durch Desinformation Instabilität geschürt, das Vertrauen in die Regierungsführung untergraben und die dringend erforderliche Zusammenarbeit zur Bewältigung gemeinsamer Krisen erschwert werden könnten. Doch unmittelbar für 2025 nennen die Befragten „bewaffnete Konflikte auf staatlicher Ebene“ als größtes Risiko, was die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die globale Fragmentierung widerspiegele.
„Turbulentes oder stürmisches globales Umfeld“
„Umweltrisiken“ wie extreme Wetterereignisse, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen dominieren aus Sicht der Experten hingegen den kommenden Zehn-Jahres-Zeitraum. Als weitere wichtige kurzfristige Risiken werden im Global Risks Report die gesellschaftliche Polarisierung und die Cyberspionage angeführt. Insgesamt erwarten fast zwei Drittel der Befragten ein „turbulentes oder stürmisches globales Umfeld“ bis 2035, das vor allem durch zunehmende ökologische, technologische und gesellschaftliche Herausforderungen geprägt sein werde.
Der Geschäftsführer des World Economic Forum, Mirek Dušek, merkte zu dem Bericht an:
„Zunehmende geopolitische Spannungen, der weltweite Vertrauensverlust und die Klimakrise belasten das globale System wie nie zuvor. In einer Welt, die von sich vertiefenden Gräben und kaskadierenden Risiken geprägt ist, stehen die Führungspersönlichkeiten der Welt vor der Wahl, entweder die Zusammenarbeit und Widerstandsfähigkeit zu fördern oder sich mit wachsender Instabilität konfrontiert zu sehen. Noch nie stand so viel auf dem Spiel wie heute.“
Und der Leiter der Global Risks Initiative des WEF, Mark Elsner, betonte:
„Von Konflikten bis hin zum Klimawandel sind wir mit miteinander verflochtenen Krisen konfrontiert, die koordiniertes und gemeinsames Handeln erfordern. Es bedarf dringend neuer Anstrengungen, um das Vertrauen wiederherzustellen und die Zusammenarbeit zu fördern. Die Folgen von Untätigkeit könnten noch über Generationen hinweg spürbar sein.“
Laut WEF stellt das kommende Jahrzehnt „eine entscheidende Phase“ dar, in der „Führungspersönlichkeiten komplexe, miteinander verknüpfte Risiken bewältigen und die Grenzen bestehender Governance-Strukturen überwinden müssen“. Ein Rückzug auf sich selbst sei keine praktikable Lösung.
Umbau des Arbeitsmarkts geplant
Bereits am 7. Januar hatte das WEF seinen „Future of Jobs Report“ 2025 ins Netz gestellt, der auf den Daten von über 1000 Unternehmen in 22 Branchen und 55 Volkswirtschaften beruht. Demnach sollen bis 2030 voraussichtlich 170 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, während 92 Millionen andere wegfallen, da 39 Prozent der derzeit noch benötigten Fähigkeiten in den kommenden fünf Jahren überflüssig werden. Künftig seien vor allem Fähigkeiten in den Bereichen KI, Big Data, Cybersicherheit und Energiesysteme entscheidend – insbesondere hinsichtlich erneuerbarer Energien. Der Leiter der Abteilung Arbeit, Löhne und Arbeitsplatzschaffung beim WEF, Till Leopold, sagte dazu:
„Trends wie generative KI und rasante technologische Veränderungen krempeln Branchen und Arbeitsmärkte um und schaffen sowohl beispiellose Chancen als auch tiefgreifende Risiken. Es ist jetzt an der Zeit, dass Unternehmen und Regierungen zusammenarbeiten, in Qualifikationen investieren und eine gerechte und belastbare globale Belegschaft aufbauen.“
Und das WEF gibt zu bedenken:
„Wenn die globale Erwerbsbevölkerung durch eine Gruppe von 100 Personen repräsentiert würde, müssten bis 2030 voraussichtlich 59 Personen umgeschult oder weitergebildet werden – 11 von ihnen werden diese wahrscheinlich nicht erhalten; dies entspricht über 120 Millionen Arbeitnehmern, die mittelfristig von Arbeitslosigkeit bedroht sind.“
Dabei wird so getan, als wäre die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ein Ereignis, das vom Himmel fällt. Tatsächlich ist der Umbau des Arbeitsmarkts durchaus geplant – um einen Markt für neue Technologien zu erschließen.
"Stärkere globale Zusammenarbeit erforderlich, um Netto-Null-Ziele zu erreichen"
Ein weiterer Bericht, den das WEF am 7. Januar vorlegt hat, ist das „Global Cooperation Barometer“. Darin bewertet das WEF den Zustand der globalen Zusammenarbeit und identifiziert Bereiche, in denen „Führungskräfte durch innovative Zusammenarbeit Fortschritte vorantreiben können“. Der Bericht, den das WEF gemeinsam mit McKinsey & Company entwickelt hat, verwendet 41 Indikatoren in den Sektoren Handels- und Kapitalströme, Innovation und Technologie, Klima und Naturkapital, Gesundheit und Wohlbefinden sowie Frieden und Sicherheit.
Børge Brende, Präsident und CEO des WEF, hebt hervor:
„Das Barometer zeigt, dass Zusammenarbeit nicht nur unerlässlich ist, um entscheidende wirtschaftliche, ökologische und technologische Herausforderungen anzugehen, sondern dass sie auch in dem heutigen turbulenteren Kontext möglich ist.“
Und Bob Sternfels, Global Managing Partner bei McKinsey & Company, bekräftigt:
„Die Förderung globaler Innovation, Gesundheit, Wohlstand und Widerstandsfähigkeit kann nicht im Alleingang erfolgen. Führungskräfte werden neue Mechanismen für die Zusammenarbeit bei wichtigen Prioritäten benötigen, auch wenn sie in anderen Fragen uneins sind, und die letzten Jahre haben gezeigt, dass dieses Gleichgewicht möglich ist.“
Während Frieden und Sicherheit in den letzten Jahren stark zurückgegangen seien, biete die bisherige Zusammenarbeit etwa bei der Verteilung von Impfstoffen, der wissenschaftlichen Forschung und der Entwicklung erneuerbarer Energien Modelle für die Zukunft. Die Digitalisierung der Weltwirtschaft habe dazu beigetragen, die Einführung neuer Technologien voranzutreiben und die Versorgung mit kritischen Mineralien zu erhöhen.
Auch die Zusammenarbeit bei den Klimazielen habe sich im vergangenen Jahr verbessert, mit höheren Finanzströmen und einem stärkeren Handel etwa mit Elektrofahrzeugen. Dennoch seien dringend Maßnahmen und eine stärkere globale Zusammenarbeit erforderlich, um die Netto-Null-Ziele zu erreichen, da die globalen Emissionen weiter stiegen. Im Gesundheitssektor sowie bei den Handels- und Kapitalströme sei ebenfalls eine stärkere globale Zusammenarbeit unerlässlich. Der Bericht schließt mit der Betonung der dringenden Notwendigkeit einer anpassungsfähigen, lösungsorientierten Führung, um sich in einer turbulenten globalen Landschaft zurechtzufinden.
„Nature Positive Transitions“
Am 16. Januar gab das WEF schließlich noch eine sechsteilige Berichtsreihe mit dem Titel „Nature Positive Transitions“ heraus, in der es „transformative Wege“ untersucht, um „den Naturverlust bis 2030 aufzuhalten und umzukehren“. Zu den wichtigsten Strategien gehören die Kreislaufwirtschaft, die Verbesserung des Wassermanagements, die Förderung der sektorübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Unterstützung des Naturschutzes und der Wiederherstellung der Natur.
Fünf der Berichte befassen sich mit Strategien für kritische Branchen wie Windkraft, Bergbau, Häfen und Automobilindustrie, während der sechste Bericht städtische Finanzierungslösungen für den Aufbau nachhaltiger, naturfreundlicher Städte untersucht. Denn nur 37 Prozent der 500 bevölkerungsreichsten Städte der Welt verfügen laut WEF über Strategien zur nachhaltigen Bewirtschaftung und zum Schutz der Natur, die jedoch für die Bewältigung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung seien.
Das WEF ruft alle Interessengruppen zur Beteiligung auf, um Maßnahmen zu beschleunigen, durch die eine „naturfreundliche Netto-Null-Zukunft“ erreicht und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum gefördert werden können. Insgesamt identifiziert das WEF weltweit Möglichkeiten für eine naturverträgliche Entwicklung im Wert von 1,4 Billionen US-Dollar – darunter 160 Milliarden US-Dollar für den chinesischen Automobilsektor. Die Bemühungen zur Bewältigung der Natur- und Klimaherausforderungen reichen noch nicht aus, um „die Gesundheit des Planeten“ wiederherzustellen, so das WEF. Die Unternehmen bräuchten dringend mehr Investitionsmöglichkeiten, um Gewinne, Wachstum und Arbeitsplätze mit ökologischem Wohlstand in Einklang zu bringen. Schätzungsweise 44 Billionen Dollar an wirtschaftlicher Wertschöpfung – mehr als die Hälfte des weltweiten BIP – seien in geringem oder hohem Maße von der Natur abhängig. Die Berichtsreihe soll den Industrien nun den Weg zu mehr Tempo weisen.
Donald Trump stiehlt die Show
Insgesamt macht das WEF durch all diese Berichte klar, dass es vor allem von den Industrienationen nach wie vor erwartet, dass sie ihre bisherigen Industriezweige, ihre Infrastruktur und ihre Energieversorgung einer Transformation zur Klimaneutralität unterziehen. Was jedoch in erster Linie nichts anderes als Zerstörung bedeutet. Zum Beispiel die Zerstörung des Gasnetzes, die wiederum Deindustrialisierung nach sich zieht. Wenn dann Tabula rasa gemacht worden ist, entstehen – so das Kalkül – die vom WEF ersehnten neuen Märkte für „innovative Technologien“ wie von selbst. Pech nur, wenn diese Technologien noch gar nicht funktionstüchtig sind. Damit nun einzelne Länder nicht ausscheren, wird mantraartig die Notwendigkeit der globalen Governance betont. Und Kritik wird durch den angeblichen Kampf gegen Desinformation unterdrückt. Das WEF, das nach eigenem Anspruch schon seit Jahrzehnten die Welt verbessern will, tatsächlich aber ein Themen-Setting im eigenen Geschäftsinteresse betreibt, steht allerdings immer mehr mit dem Rücken zur Wand.
Denn einer stiehlt der Davos-Community in diesem Jahr gehörig die Show: Donald Trump. Nicht nur, dass seine Amtseinführung am Montag terminlich eine Punktlandung war, sondern Trump unterzeichnete schon in seinen ersten Stunden als US-Präsident etliche Dekrete, die ganz und gar nicht im Sinne des WEF sind. Durch Trumps Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fehlen dieser ausgerechnet die Beiträge der größten Volkswirtschaft der Welt. Und durch Trumps Kündigung des Pariser Klimaabkommens spielt die Ideologie der Klimaneutralität in den USA plötzlich eine wesentlich geringere Rolle. Damit werden auch die Absatzmöglichkeiten für „klimaneutrale“ Technologien deutlich unattraktiver.
Außerdem untersagte Trump den Bundesbehörden, die Redefreiheit amerikanischer Bürger einzuschränken, und ordnete eine Untersuchung möglicher Zensurvorfälle während der Biden-Regierung an. Trump, der persönlich nicht anwesend ist, sondern planmäßig lediglich an einer Videoschaltung am Donnerstagnachmittag teilnehmen wird, mischt Davos also mehr auf als alle Anwesenden zusammen. Zu diesen zählen durchaus illustre Persönlichkeiten wie etwa der argentinische Präsident Javier Milei, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, IWF-Chefin Kristalina Georgieva, WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und UN-Generalsekretär António Guterres.
Scholz durfte eine Rede halten
Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz durfte gleich am Dienstag eine Rede halten. Darin bezog er sich auch auf den Amtsantritt Trumps. Scholz betonte, dass die USA Deutschlands engster Verbündeter außerhalb Europas bleiben werden. Zugleich sei jedoch vollkommen klar, dass Trump die Welt in den kommenden Jahren in Atem halten werde – etwa in der Energie- und Klimapolitik, in der Handelspolitik sowie in der Außen- und Sicherheitspolitik. Daher müssten die Europäer aus sich selbst heraus stark sein. Das größte nationale Interesse Deutschlands sei die Europäische Union. Scholz plädierte für eine Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion, für eine europäischen Rüstungsindustrie, die Großprojekte gemeinsam entwickelt, sowie für eine stärkere Ausrichtung auf Quantentechnologie, Halbleiter, Pharma-, Bio- und Klimatechnologien. Scholz sieht beispielsweise in der E-Mobilität und in europaweit harmonisierten Kaufprämien für E-Autos eindeutig die Zukunft. Außerdem fordert er eine „kluge und zielgerichtete Veränderung der Schuldenregel in der deutschen Verfassung“. Das sei nicht nur seine Idee, sondern auch der IWF, Unternehmensverbände und Gewerkschaften rieten Deutschland dringend zu mehr Investitionen.
Ebenfalls am Dienstag hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre obligatorische WEF-Rede. Darin begrüßte sie, dass weiterhin Innovationen gediehen mit Fortschritten bei KI, Quantencomputern und sauberer Energie, die im Begriff seien, „unsere Art zu leben und zu arbeiten zu verändern“. Die auf Zusammenarbeit ausgerichtete Weltordnung, wie man sie sich vor 25 Jahren vorgestellt habe, sei allerdings nicht Wirklichkeit geworden, sondern die Welt sei stattdessen in eine „neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs“ eingetreten. Daher sei mit einem häufigen Einsatz von Wirtschaftsinstrumenten – wie Sanktionen, Ausfuhrkontrollen und Zöllen – zu rechnen. Europa müsse nun einen Gang höherschalten und eine gesteigerte Produktivität durch Schließen von Innovationslücke anstreben. Außerdem brauche Europa eine vertiefte Kapitalmarktunion.Von der Leyen versprach, dass die EU-Kommission demnächst einen Plan für „Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit“ vorstellen werde. Wörtlich sagte sie:
„Die Ersparnisse europäischer Haushalte liegen bei nahezu 1,4 Billionen Euro, verglichen mit etwas über 800 Milliarden Euro in den USA. Doch die europäischen Unternehmen tun sich schwer, dieses Potenzial anzuzapfen und die Gelder zu mobilisieren, die sie benötigen. Weil unser heimischer Kapitalmarkt zersplittert ist. Und weil dadurch Geld nach Übersee abwandert: 300 Milliarden Euro an Ersparnissen europäischer Familien werden im Ausland investiert – und das jedes Jahr. Das ist eines der größten Hindernisse für das Wachstum unserer Start-ups im High-Tech-Bereich und für die Entwicklung unseres innovativen Sektors für saubere Technologien. Es fehlt uns nicht an Kapital. Was uns fehlt, ist ein effizienter Kapitalmarkt, auf dem Ersparnisse in Investitionen umgewandelt werden, insbesondere für Technologien im Frühstadium, die das Potenzial haben, bahnbrechende Neuerungen herbeizuführen. Deshalb werden wir eine Europäische Spar- und Investitionsunion schaffen. Mit neuen europäischen Spar- und Investitionsprodukten, neuen Anreizen für Risikokapital und einem neuen Schub für reibungslose Investitionsströme in unserer gesamten Union. Wir werden mehr Kapital mobilisieren, damit Innovationen `Made in Europe´ angekurbelt werden und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, steigt.“
In diesem Zusammenhang sicherte von der Leyen auch zu, die Vorschriften für nachhaltige Finanzierungsinstrumente und die Sorgfaltspflichten erheblich zu vereinfachen. Innovative Unternehmen sollten die Möglichkeit erhalten, in der gesamten Union tätig zu sein und dabei nur ein einheitliches Regelwerk beachten zu müssen. Außerdem müsse die EU zu niedrigen und stabilen Energiepreisen zurückkehren. Hier setzt von der Leyen ausschließlich auf „saubere Energie“: Bereits heute produziere Europa mehr Strom aus Wind und Sonne als aus allen fossilen Brennstoffen zusammen. Aber es bleibe noch einiges zu tun, damit diese Vorteile auch bei den Unternehmen und den Menschen ankommen. Die EU müsse dabei in Energietechnologien der nächsten Generation investieren wie Kernfusion, verbesserte Erdwärmesysteme und Feststoffbatterien. Außerdem müsse mehr privates Kapital mobilisiert werden, um die Energiespeicherinfrastruktur zu modernisieren. Von der Leyen weiter:
„Es ist an der Zeit, dass wir unsere Union auch im Energiesektor vollenden, damit sauberer Strom ungehindert durch ganz Europa fließen kann und die Preise für alle Menschen auf unserem Kontinent sinken“. Die kommenden Jahre seien entscheidend – weit über Europa hinaus. Und von der Leyen bekräftigte: „Alle Kontinente müssen den Übergang zu Netto-Null beschleunigen und die zunehmende Last des Klimawandels schultern.“
Die Botschaft der EU an die Welt sei einfach: Wenn ein Land seine Clean-Tech-Branchen modernisieren oder seine digitale Infrastruktur ausbauen möchte, sei die EU offen für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese neue Zusammenarbeit mit Ländern auf der ganzen Welt sei nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern eine Botschaft an die Welt. Sie sei die Antwort Europas auf den zunehmenden globalen Wettbewerb.
"Von allen US-Vermögenswerten im Ausland befinden sich zwei Drittel in Europa"
Die Vereinigten Staaten von Amerika blieben aber die engsten Verbündeten. Es gebe keine anderen Volkswirtschaften in der Welt, die so eng miteinander verflochten seien wie die europäische und die amerikanische. Europäische Unternehmen beschäftigten in den USA derzeit 3,5 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner. Außerdem gebe es ganze Lieferketten über den Atlantik hinweg. So werde beispielsweise ein amerikanisches Flugzeug mit Steuerungssystemen und Kohlefasern aus Europa gebaut, und amerikanische Medikamente würden mit europäischen Chemikalien und Laborwerkzeugen hergestellt. Gleichzeitig importiere Europa doppelt so viele digitale Dienstleistungen aus den USA wie aus dem gesamten asiatisch-pazifischen Raum zusammen und beziehe über 50 Prozent seines Flüssiggases aus den USA. Von allen US-Vermögenswerten im Ausland befänden sich zwei Drittel in Europa.
Das Handelsvolumen zwischen den USA und der Europäischen Zahlungsunion belaufe sich auf 1,5 Billionen Euro. Zusammen repräsentierten die EU und die USA fast 30 Prozent des Welthandels mit Waren und Dienstleistungen. Für beide Seiten stehe viel auf dem Spiel. Von der Leyen beteurte: „Unsere oberste Priorität wird daher sein, frühzeitig in Kontakt zu treten, gemeinsame Interessen zu erörtern und zu Verhandlungen bereit zu sein. Wir werden pragmatisch vorgehen, aber wir werden stets an unseren Grundsätzen festhalten. Um unsere Interessen zu schützen und unsere Werte zu wahren – das ist der europäische Weg.“ Und sie schloss mit den Worten:
„Die Spielregeln zwischen den Weltmächten ändern sich gerade. Wir sollten nichts für gegeben erachten. Einigen in Europa mag diese neue Realität suspekt sein, aber wir sind bereit, damit umzugehen. Unsere Werte ändern sich nicht. Aber um diese Werte in einer sich verändernden Welt zu verteidigen, müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir agieren. Wir müssen nach neuen Chancen suchen, wo immer sie sich bieten. Dies ist der Moment, über Blöcke und Tabus hinauszudenken. Europa ist bereit für den Wandel. Vielen Dank und es lebe Europa.“
Man spürt den Worten von der Leyens an, dass sie das Unmögliche versucht: Einerseits signalisiert sie ihre Bereitschaft respektive die Notwendigkeit, mit Trump zu kooperieren, andererseits hält sie eisern an der Ideologie der Klimaneutralität und der Dekarbonisierung der Industrie fest. Dabei wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, umzusteuern und die Deindustrialisierung Europas zu stoppen. Während Trump entsprechende Fakten schafft, bleibt von der Leyen an ihrem Green Deal haften. Womöglich stehen zu viele Zusagen an Konzerne im Raum, einen neuen künstlichen Markt für klimaneutrale Technologien zu garantieren. Doch wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben!
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.
Quellen zu diesem Beitrag:
Global Risks Report 2025: https://www.weforum.org/publications/global-risks-report-2025/
Future of Jobs Report 2025: https://www.weforum.org/publications/the-future-of-jobs-report-2025/
Global Cooparation Barometer: https://reports.weforum.org/docs/WEF_Global_Cooperation_Barometer_2025_Press_Release_DE.pdf
Berichtsreihe „Nature Positive Transitions“: https://www.weforum.org/press/2025/01/new-reports-chart-pathways-for-nature-positive-transformation-across-key-industries-and-cities/
Rede Ursula von der Leyen: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/speech_25_285
Rede Olaf Scholz: https://www.bundeskanzler.de/bk-de/aktuelles/kanzler-weltwirtschaftsforum-davos-2331144
WEF-Programm 2025: https://www.weforum.org/meetings/world-economic-forum-annual-meeting-2025/programme/