Eran Yardeni, Gastautor / 23.05.2013 / 00:05 / 0 / Seite ausdrucken

Die Wäscherei der Worte

Es gibt im Hebräischen ein paar Worte, die man nicht ohne Weiteres in die deutsche Sprache übersetzen kann. Das Problem liegt nicht darin, dass sie sich auf Objekte beziehen, die in der kulturellen Landschaft der Deutschen unbekannt sind. Wenn die Israelis BEIT SEFER sagen, meinen sie nicht anders als Schule. Wörtlich aber bedeutet BEIT SEFER „das Haus des Buches“. Und genau diese Feinheiten der Sprache kann man nicht übersetzen.

Ein anderes Beispiel ist die moderne hebräische Wortkombination MACHBESAT MILIM – wörtlich bedeutet: Wäscherei der Worte. Auf Deutsch nennt man dieses linguistisch-politische Phänomen einfach Euphemismus oder Beschönigung. Wer z.B. das Gefühl hat, verarscht zu werden, immer wenn über „Deutsche mit Migrationshintergrund“ diskutiert wird, anstatt das Kind beim Namen zu nennen, der weiß ganz genau was die Israelis unter Wäscherei der Worte verstehen.

Das Problem mit dieser linguistischen Waschmaschine ist, dass sie die Flecken tatsächlich beseitigt, die Wörter hingegen stinken einfach weiter. Denn heute weiß jeder mittelmäßige desinteressierte Gesamtschüler, worauf sich der Begriff „Deutscher mit Migrationshintergrund“ bezieht. Höchstwahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die deutsche Presse neulich einen neuen Kurs eingeschlagen hat: Anstatt die Wörter zu waschen, lässt man sie einfach verschwinden.

Heute hat der TAGESSPIEGEL über Krawalle, brennende Autos und Angriffe auf Polizeikräfte in schwedischen Vororten berichtet. Wer aber randaliert ist im Schatten der politischen Korrektheit geblieben. Im Untertitel stand: Jugendliche. Weil ich aber nicht glauben könnte, dass schwedische Jugendliche massenhaft und hemmungslos auf die Polizei und die Rettungskräfte losgingen, las ich einfach weiter.

Nach ein paar Zeilen habe ich einen kleinen Hinweis bekommen: Die Vororte sind Einwanderer-Vororte. Aber was soll man unter Einwanderern verstehen? Geht es um eine moderne Version des britischen Kolonialismus? Oder vielleicht haben wir in diesem Fall mit einer skrupellosen amerikanische Kolonie zu tun, die die Schweden aus ihrem Land vertreiben wollen, genau wie vorher die Indianer? Tragen diese Einwanderer irgendwelche kulturellen Merkmale, die vielleicht auch erklären könnten, warum sie Rettungskräfte angreifen und Autos abfackeln, oder geht es hier um eine Sekte von Pyromanen?

Liest man noch ein bisschen weiter, bekommt man noch einen Hinweis: „Ein Polizeisprecher machte Jugendbanden und Kriminelle für die Gewalt verantwortlich.“ Und als Auslöser gilt der Tod eines bewaffneten Mannes im Stadtteil Husby. Um das Rätsel zu lösen, wollen wir mal sehen, wer in diesem Stadtteil von Stockholm lebt. Dieses öffentliche Geheimnis will der TAGESSPIEGEL aus irgendwelchem Grund nicht verraten. Laut Wikipedia aber leben in Husby vor allem Türken, Libanesen, Syrier, Iraker und Somalier. 81,9% der Einwohner haben ausländische Herkunft.

Es wäre mir lieber zu wissen, dass hinter einer solchen abwegigen Schilderung der Realität eine klare Absicht steckt. Ich fürchte aber, dass dies nicht der Fall ist. Ich fürchte, dass die Gutmenschen wirklich glauben, dass man asiaatische und kanadische Einwanderer in einen Topf mit Libanesen und Türken werfen kann, ohne dadurch die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung auf dem Altar des Gutmenschentum zu opfern.

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