Es macht fassungslos, wie viel dilettantische „Staatskunst“ sich in den vergangenen Wochen vor unseren Augen der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Der Niedergang ist systemisch und lässt sich in vier Phasen darstellen.
Man stellt fest, dass ein Einzelfall nicht unbedingt symptomatisch für das Abrutschen der „good governance“ auf das unterste Niveau ist, aber dass ein prinzipielles Problem vorzuliegen scheint, welches sich in der ganzen westlichen Hemisphäre breitgemacht hat. Bedenkliches Unbehagen: Ein europäisch-transatlantischer Taumel ist spürbar, eine enorme Verunsicherung, verursacht durch die inhärente, geistige Zerrüttung der „Eliten“, die seit Jahrzehnten mit ideologischer Überheblichkeit und Selbstüberschätzung vor unseren Augen Webfehler in legislativen und institutionellen Bereichen hinterlassen haben, solche die heute unsere persönliche Freiheit zur Verhandlungsmasse machen und unbescholtene Bürger gegebenenfalls zu Meldefällen.
Es geht um Webfehler, die, ökonomisch, sozial und politisch betrachtet, fatale Fehleinschätzungen durch die Besetzung höchster Ämter mit Trivialbiografien ermöglichten; welche mit Gefälligkeitswissenschaft, Vetternwirtschaft und blanker Idiotie Breschen in alle Bereiche der Gesellschaft schlagen konnten; die Sicherheiten, Gewissheiten und Wertesysteme sprengten – es geht auch um Webfehler, die Befürworter und Überzeugungstäter fanden für eine Segregation politisch „guter“ und „schlechter“ Menschen, also eine Apartheid, die es in einer Demokratie nie geben darf. Die Narrative! Sie reden von „unserer“ Demokratie und meinen „ihre“.
Diese „Staatskunst“ ist am Ende und taumelt, sichtbar angeschlagen von der Untauglichkeit und geistigen Leere ihrer Zukunftskonzepte, die lieber der starren Gesinnungshaltung den Vorzug vor der kreativen Dynamik gaben, dem Opportunismus vor dem konstruktiven Widerspruch. Die Webfehler reißen nun auf breiter Front auf – unabhängig vom politischen Lager, unabhängig von der Frage der Bündniszugehörigkeit, unabhängig von Werten und Idealen, die man einst teilte. Nicht die einzelnen Skandale dieser „taumelhaften“ Zustände lassen aufschrecken, sondern ihre Häufung und systemische Konsequenz: Der erschreckend finale Skandal ist die Gesamtsituation.
Der Westen taumelt unvorbereitet – und fällt im kollektiven Schwindel – ganz in seiner worthaften Doppeldeutigkeit. Im Taumel manifestiert sich gleichzeitig der Betrug am Volk, an der Bevölkerung, an den Wählern und am Vertrauen demokratischer Teilnehmer in die Institutionen der Staatlichkeit. Die Teilhabe des Souveräns offenbart sich in nahezu jedem politischen Skandalzustand der letzten Wochen als frommer Wunsch, zunehmend als Simulation, gar als Blendwerk. Wo der Souverän umsonst votiert, kann keine demokratische Lebendigkeit existieren. Das alles ist das Werk von Menschen ohne Demut, denen Loyalität und Verlässlichkeit gegenüber den Bürgern nichts gelten – skrupellos: Phase Eins.
Die moralische Abschottung vom Souverän
Eine Politik im Taumel und Schwindel schafft es nicht, Lösungen direkt anzugehen, sondern verkauft die Verschärfung der Probleme als ihre Lösung. Sie versucht deshalb die Deutungshoheit und die eigene „Erziehungsberufung“ krampfhaft aufrechtzuhalten. Demnach gibt es kein Pardon, keinen Zweifel, kein Schuldeingeständnis und ergo keine Fehlerkorrektur. Es gibt keine Scham vor dem offenen Betrug der Wähler und kein Zurücktreten, weder von Amt und Vorhaben noch im Angesicht der eigenen Unfähigkeit. Stattdessen werden zuerst Parteiinteressen bedient, Kompromisse werden eingegangen, wenn klientelpolitische Privilegien dabei gesichert bleiben.
Die politische Kaste dealt ihre Eigeninteressen aus, lange bevor überhaupt ein Vorhaben zum Wohle der Gesellschaft ausgelobt werden kann. Ein Billionenprogramm, das Generationen von zukünftigen Steuerzahlern zu tragen haben, wird zum Verteilungsmechanismus polit-ideologischer Ziele – um es noch spitzer zu formulieren – zur legal organisierten parteipolitischen Korruption (schwarze Infrastruktur, rote Migration und Sozialpolitik, grüner Klimaschutz). Die moralische Abschottung vom Souverän befördert dabei die Schamlosigkeit von Politikern, die sich in einem staatlich legitimierten Selbstbedienungsladen aufzuhalten glauben. In Berlin ist Korruption mittlerweile verstaatlicht. Ein Beispiel aus Brüssel: Die Beschäftigten im EU-Apparat freuen sich über sieben Gehaltserhöhungen seit Anfang 2022. Die Gehälter werden dort nach einer undurchschaubaren Formel quasi automatisch nach oben angepasst.
Ein neuer Aufrüstungswettbewerb, bei dem es nicht nur um Wehrhaftigkeit geht, sondern um Krieg, lässt das einstige Gerede von der deutschen „Friedensdividende“ wie Hohn aussehen. Ein Kriegsgeheul von Leuten, die die Jugend im Ernstfall aufs Schlachtfeld schicken wird und selbstverständlich den Schutzbunker „ehrenhalber“ aufsuchen darf, inszeniert eine Politik im Panikmodus, wie man sie mit einem gentechnisch ertüchtigten China-Labor-Virus vor wenigen Jahren instrumentalisiert und getestet hatte. Der Schwindel hatte dort seine erste große „bundesrepublikanische“ Renaissance. Mit solcher Disziplinarmacht (Foucault) ausgestattet, lässt sich jede Demokratie des Westens im „Panoptismus“ seiner digitalen Überwachungsstaatlichkeit in ein angstgesteuertes Kollektiv verwandeln, das für sich die Frage, wie man Menschen abrichten kann, längst wieder positiv beantwortet. Alles schon dagewesen, nichts daraus gelernt – machtversessen: Phase Zwei.
Die Festung „westliche Demokratie“ ist sturmreif
Verfehlte demokratische „Staatskunst“ und ihre despotischen Reflexe haben irgendwann eine solche Dichte an Tatbeständen, dass man kaum nachkommt, diese wahrzunehmen, geschweige denn zu dokumentieren. Hinzu kommt die Resignation, die bei den Bürgern schon früh beginnt. Man arrangiert sich im Schweigen oder Mitlaufen. Die Verfehlung ist aber nicht nur ein Phänomen des Politischen, der korrumpierten Macht oder der Wertentfremdung. Es ist auch ein Phänomen der Kommunikation, die sich einer emotionslosen, gerichtet sachlichen Betrachtung immer mehr zu entziehen sucht und sich ideologisch dem Wohle und Wohlwollen des Apparats andient, um den notwendigen Diskurs stets als auserzählt festzustellen.
Die meisten Medien kolportieren zwar ganz eigene Skandale an der Oberfläche dessen, was sich aufmerksamkeitsökonomisch ausschlachten lässt, unterlassen es aber tunlichst, den „realexistierenden“, bedrohlichen Schwindel konsequent aufzudecken, mit dem die Bürger als Gefangene des Systems und seiner bürokratischen Normenflut diszipliniert und gegängelt werden (auch hier siehe Corona). Die Medien beheizen ihre Redaktionen mit der hauseigenen Propaganda der Herrschenden, denn es ist bequem und wohlig warm dort, es garantiert Teilhabe an den Zirkeln, und es hat vor allem den Nimbus, heilig und richtig zu sein, wenn auch im falschen Leben – um hier Theodor W. Adorno hinzuzuziehen. Seine Idee und Kritik an der Moderne, galt der „aufgeklärten (ökonomischen) Vernunft“ als angeblichem Nukleus des Faschismus.
Die aktuelle Abkehr deutscher Politiker vom aufgeklärten Denken scheint ganz im Sinne des deutschen Philosophen – verteufelten er und sein Sparringspartner Max Horkheimer in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ doch die „instrumentalisierte Vernunft“ in ihrer Konsequenz als eine Auslieferung des Subjekts gegenüber den ökonomischen Mächten. Adorno und Horkheimer unterstellten dem moralethischen Vernunftbegriff der Neuzeit perfiden Herrschaftscharakter und gaben damit die Aufklärung, das innere Heiligtum des westlichen Freiheitsverständnisses, zum Abschuss frei.
Die aufgeklärte Vernunft als Nukleus des Despotismus ist Adornos Danaer-Geschenk – das Trojanische Pferd, das man so gern annimmt, und für das man bereitwillig die Bresche in die Festungsmauer der freiheitlichen Demokratie schlägt. Genau an diesem Punkt scheinen viele Demokratien des Westens angekommen: Die Festung „westliche Demokratie“ ist sturmreif, während es eine „rätselhafte Bereitschaft der technologisch erzogenen Massen“ (Adorno) gibt, sich dem Despotismus des Totalitären auszuliefern. Die Demokratie erscheint janusköpfig und gewaltbereit, Phase Drei.
Der Despotismus ist reinen Herzens
Linken Ideologen geht es vorrangig um das Kaputtmachen (des Althergebrachten). Diese linke Aversion gegen die aufgeklärte Vernunft und ihren freiheitlich-ökonomischen Erfolg haben unsere „Eliten“ anscheinend bereits suizidal verinnerlicht. Es sieht so aus, als bekämpfe ein „demokratisches“ Parteienkartell in Deutschland (Union, SPD, Grüne, Linke) – entfremdet von allen ihren ehemaligen Werten – die politisch-ökonomische Vernunft als eine Pathologie des freiheitlichen Geistes. Man stürzt sich jedoch gemeinsam in ein Schuldenabenteuer, weil man vorgibt, wahlweise den Krieg gewinnen, den Migrationsdruck mit Geld aufhalten, alle Brücken wieder stabil machen, knallgrüne Deluxe-Fahrradwege von Kiel bis Garmisch führen und das Weltklima endlich retten zu können.
Sie wissen, dass es ist nicht zu schaffen ist, aber mit dem Geld kann man sicher noch andere Dinge finanzieren, solange die Union die Klappe hält. Vor der Wahl projizierten die eifrigen Gegen-Rechts-Demonstranten noch „Ganz Berlin hasst die CDU“ auf die Siegessäule. Jetzt darf die CDU zumindest wieder mitspielen, um mit dem Kopf zu nicken und dabei glatt 29 Prozent der eigenen Wähler zu verhökern. Die CDU hat schon eine veritable Tradition im Rückgängigmachen des Wählerwillens... Man braucht am Ende sogar den Merz nicht mehr, seine Wähler ohnehin nicht. Das große Schatzkästlein hat er schon an Land gezogen – das möge die Macht der kleinen SPD, der Grünen und der Linken sichern. Ob Friedrich Merz nach all dem noch Kanzler werden muss, ist dabei fraglich und unerheblich.
Dies kann sich nur abspielen, weil im Berliner Regierungsviertel wie in vielen anderen westlichen Hauptstädten ein hermetisches Verständnis von Macht entstanden ist. Völlig losgelöst vom Souverän darf diese hermetische Macht interventionsfrei agieren. Die Hofmedien werden nicht widersprechen, sie partizipieren ja und halten die Unzufriedenen in Schach, mit Narrativen, Mythen und Normenkontrollen. Wer nicht spurt kommt an den Pranger der Nazierinnerungskultur, dem Fetisch all derer, die sich so sicher sind, im Land der Täter niemals selbst zum Täter werden zu können. Der Despotismus ist wieder reinen Herzens: Man hasst "Nazis". Also alle, die darauf bestehen, Deutsche zu sein, ohne rot zu werden.
Der Despotismus, der sich darauf beruft, alle Nazis zu hassen und auch die CDU, hasst alle, die wenigstens ein bisschen stolz auf ihr Land sein wollen, die am Hambacher Fest nichts Schlimmes finden, und auch nicht an der Fahne, die daraus entstand – die aber auch keinen Wert darauf legen, die erste und zweite Strophe der Nationalhymne zu singen und erst recht nicht den Holocaust leugnen wollen. Dieser Despotismus hasst Menschen, weil sie konservativ sind, christlich, weil sie unkontrollierte Zuwanderung ablehnen und sich um den Klimawandel nicht so viel Sorgen machen wie um die Zukunft ihrer Kinder oder Enkel, weil sie ihren Wohlstand und die Rente nicht für Experimente opfern wollen. Der zwanghaft linke Despotismus ist eine stereotyp deutsche Untugend, weil er den Hass im Herzen trägt – „wie es sich gehört“: Phase Vier.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.
Dieser Text erschien zuerst im wöchentlichen Newsletter von Achgut.com (jeweils am Freitag), den Sie hier kostenlos bestellen können.