Dirk Maxeiner / 12.09.2022 / 06:00 / Foto: Pavel Ruban / 187 / Seite ausdrucken

Die Vertreibung des Boris Reitschuster

Boris Reitschuster wurde in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten Journalisten in Deutschland. Und das im Selfmade-Verfahren jenseits der etablierten Platzhirsche. Jetzt wird er zersetzt und aus Deutschland vertrieben. Und kein Kollege springt ihm bei. Was für ein Armutszeugnis für dieses Land.

Vor ein paar Wochen saßen wir bei herrlichem Sonnenschein auf meiner Terrasse in Augsburg. Ich wohne in Augsburg, Boris Reitschuster stammt aus Augsburg. Eltern und Verwandte leben hier; er ist eine treue Seele und kommt gerne in seine alte Heimat zu Besuch, manchmal verbindet er es mit einem Auftritt oder einem Vortrag in der Gegend. Mit letzterem gibt es immer häufiger Ärger. So erzählt er mir von einem geplanten Streitgespräch in den Räumen der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München. Die CSU versuche das zu verhindern. Motto: Keine Bühne für Reitschuster.

Reitschuster wurde in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten Journalisten in Deutschland. Und das im Selfmade-Verfahren jenseits der etablierten Platzhirsche. Seine Seite Reitschuster.de und seine Videos und Live-Streams von Corona-Demonstrationen und der Bundespressekonferenz haben Kultstatus. Reitschuster tut das, was andere längst nicht mehr tun: kritisch berichten, da, wo es besonders weh tut oder da, wo die Anderen absichtlich wegschauen. Entsprechend sind seine Reichweiten, Reitschuster erreicht Millionen Menschen. Und das mit geringsten Mitteln, der Mann fuhr mit dem Fahrrad zum Lifestream oder zur Bundespressekonferenz.

Der Zuschauer sitzt gewissermaßen auf dem Gepäckträger, es wackelt und es wird improvisiert. Wahrscheinlich ist genau das der Charme von Reitschusters Berichterstattung. Er brennt für sein Thema, man glaubt ihm. Und das nehmen die mit den Massagesitzen im Audi A8 übel, sehr übel. Ganz abgesehen von denen, die es gewohnt sind, kritische Berichterstattung auf dem kleinen Dienstweg abzubiegen. Meist ist das aber gar nicht erforderlich, der mediale Furor richtet sich nur noch in Ausnahmefällen auf die herrschende Klasse, stattdessen belegen die einstigen Sturmgeschütze der Demokratie Leute wie Reitschuster mit Dauerfeuer. Und die neuen Feindbilder wissen oft gar nicht, wie ihnen geschieht. Reitschuster sagt häufig und nachdenklich den Satz: „Ich wüsste gerne mal, was ich eigentlich verbrochen habe".

Große Apparate mögen solche Menschen nicht

Als ich ihn das erste Mal traf, war er gerade aus Moskau zurückgekehrt, wo er als Korrespondent des Focus hervorragende Arbeit geleistet und sich – was sonst –- unbeliebt gemacht hatte. Die Klaviatur der Schikanen eines autoritären Regimes gegen Journalisten, Informanten und Dissidenten konnte er mir aufs Anchaulichste erläutern. Reitschuster ist ein jungenhafter Typ. Er erinnert mich in seinem Gerechtigkeitssinn an einen ehemaligen Schulkameraden, der wegen seiner jugendlichen Aufmüpfigkeit immer wieder schlechtere Noten riskierte. Eigentlich war mein damaliger Kumpel Klassenbester, aber nur eigentlich. Als besonders begabtes Exemplar machte er aber trotzdem ein ganz gutes Abi. Es wurde ihm nicht geschenkt, er hatte es ertrotzt. Große Apparate mögen solche Menschen nicht. Und Minderbegabte mögen solche Menschen auch nicht.

Nach seiner Rückkehr aus Moskau spürte Reitschuster durchaus schon den in der Merkel-Zeit immer enger werdenden Korridor für das, was man in Deutschland sagen durfte und was nicht. Im Gespräch blitzte aber noch deutlich die Hoffnung auf, dass man dagegen etwas tun könnte. Inzwischen wirkt er wie Sisyphos, der allmählich müde ist, den Stein täglich aufs Neue den Berg hinaufzurollen. Kaum ist die eine Schikane gegen ihn halbwegs unter Kontrolle, kommt die nächste ums Eck. Aktuell hat die nunmehr vierte Bank ihm das Konto gekündigt, offenbar auf politischen Druck hin.

Man lässt schlicht nichts unversucht, um Boris Reitschuster aus dem Kreis der tolerierbaren Meinungsbildner auszuschließen und ihn wirtschaftlich zu vernichten. Besonders übelgenommen hat man ihm seine Corona-Berichterstattung. Er verbreite „Verschwörungstheorien“, hieß es. Inzwischen haben sich diese Theorien allerdings zum größten Teil als zutreffende Beschreibungen der Wirklichkeit erwiesen. Und es wird noch viel mehr herauskommen.

Reitschuster ist an die offiziellen Corona-Verlautbarungen und die darauf basierende Berichterstattung von Anfang an mit der gebotenen Skepsis herangegangen. Zur Belohnung wurden seine YouTube- und Facebook-Kanäle immer wieder gesperrt, sein LinkedIn-Account gelöscht. Merkwürdige und nie erklärte Nachstellungen der Polizei häuften sich, bei Ein- und Ausreisen wurde er abgesondert, gegen Anschläge auf ihn nicht ernsthaft ermittelt. PayPal kündigte ihm das Konto, dieser Tage wurde die Polizei auch noch bei engen Verwandten in Augsburg vorstellig und fragte sie nach ihm aus – ohne Angabe des Anlasses. Ich kann das hier gar nicht alles im Einzelnen aufzählen, lesen Sie Reitschusters entsprechende Memoiren hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier – und das ist noch nicht alles. Reitschuster: „Bei so viel Schikanen vergisst man schnell mal eine!“

Das Ganze wirkt wie aus Erich Mielkes Zersetzungsrichtlinie und ist in vielfacher Hinsicht ein Armutszeugnis für dieses Land.

In der intellektuellen Gruft namens Bundespressekonferenz

Reitschuster ist ein Einzelkämpfer, der durch so etwas naturgemäß besonders verwundbar ist. Immer neue Schikanen bedingen immer neue Abwehrmaßnahmen. Das bindet Zeit, kostet Nerven und Geld und hält die Betroffenen von ihrer eigentlichen Aufgabe, der Berichterstattung, ab.

Und so warf man Reitschuster mit fadenscheinigen Begründungen auch noch aus der Bundespressekonferenz hinaus, was einem Arbeitsverbot gleichkommt. Hier ein selbstentlarvender Beitrag der Süddeutschen Zeitung dazu. Ausgerechnet den Mann also, der dieser sklerotischen Veranstaltung wieder Aufmerksamkeit bescherte. Ganz nebenbei bemerkt: Auch einer der profiliertesten deutschen Publizisten, Henryk M. Broder, wurde nicht in die Bundespressekonferenz aufgenommen, weil, so die hanebüchene Begründung, er irgendwie kein professioneller Journalist sei und seinen Lebensunterhalt nicht damit bestreite. Auch junge Nachwuchsjournalisten aus der Redaktion von Roland Tichy sollen mit durchsichtigen Manövern aus der Bundespressekonferenz draußen gehalten worden sein. Man will offenbar in der intellektuellen Gruft namens Bundespressekonferenz unter sich bleiben.

Die offizielle Begründung für Reitschusters Rausschmiss lautet übrigens, dass er seinen Wohnsitz in Montenegro genommen habe. So funktioniert das inzwischen in Deutschland: Erst schikaniert man einen Journalisten in diesem Land, bis er sich nicht mehr sicher fühlt. Reitschusters Familie – seine Frau ist russische Jüdin, und er hat zwei Töchter – wurde immer öfter in Sippenhaft genommen. Reitschuster beschloss den Wegzug aus Deutschland, um seine Familie zu schützen. Und dann wirft man ihn aus der Bundespressekonferenz, weil er nicht mehr hier wohnt, so als gäbe es kein Internet und keine Flugzeuge.

Reitschuster und seine kleine Familie sind Vertriebene. Und sie sind, so befürchte ich, erst der Anfang. Reitschuster hat lediglich besonders schnell darauf reagiert, wie der Hase inzwischen läuft. Was ist das für ein Land, in dem kritisches Talent vertrieben wird, wobei die mittelmäßigen Lokalmatadore auch noch hinterherfeixen? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Kein einziger Journalist aus dem Establishment und kein einziges großes Medium sprang Boris Reitschuster zur Seite. Einzig sein einstiger Mentor, der Focus-Gründer Helmut Markwort lieferte ihm ein positives Testimonial. Den anderen fehlt entweder die Courage oder der Wille. Und vor allem das Gespür dafür, dass es hier um mehr als Reitschuster geht. Was für ein Armutszeugnis.

Lieber Boris Reitschuster, es ist ein schwacher Trost, aber es wird sich erneut beweisen: Länder, die kritische Geister vertreiben, haben selten ein gutes Ende genommen. Machen Sie weiter, Sie sind jung genug.

Foto: Pavel Ruban

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Leserpost

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Jens Barnsen / 13.09.2022

@Reitschuster.-Danke für ihre Arbeit, Herr Reitschuster, leider sind sie nun nicht mehr in meiner Berliner Nachbarschaft und das war für einige Zeit ein gutes Gefühl, sie ab und zu zu sehen, auf dem Rad nebeneinander für einen Plausch oder auf einer Demo für einige Momente. DAs gab mir in dieser Horrorzeit der letzten Jahre einen zusätzlichen kleinen Halt, daß da einer ist, quasi einer wie du und ich, der aber seinen Mund aufkriegt. DAnke für alles und alles Gute für die nächste Zeit. WIr sehen uns bei Reitschuster.de :) bitte den Jingle ausspielen, er ist so schön :)

R. Abbé / 12.09.2022

Die heftigen und absolut widerlichen Angriffe gegen Boris Reitschuster zeigen eines sehr, sehr deutlich: Er ist gefährlich für diesen Sumpf in Deutschland, weil er die Menschen wirklich erreicht. Und es werden immer mehr… und mehr Menschen… und DAS ist wunderbar!

PALLA Manfred / 12.09.2022

+ + + Quasi “Richtungs-Propagandisten” (Parteien-mässig) waren “angestellte” Journos schon immer - deswegen nannte man die PresseAnbieter auch “Tendenz-Betriebe” - und beim ÖRR ging es bei den “Anstellungen” auch schon immer um den “Parteien-Proporz” !!! - müsste dem Autor eigentlich “bekannt” sein !?! - und WER sich für “AUFKLÄRUNG” stark macht, sollte wie Putin oder Ich in die “DIENSTE”  w e c h s e l n   ;-)  ;-)  ;-)

Albert Schultheis / 12.09.2022

Lieber Herr Reitschuster, Auch wenn ich bez des Angriffs Putins auf die Ukraine anderer Meinung bin als Sie, sie haben immer wieder meine kritischen Bemerkungen zu Ihren Beiträgen zum Ukrainekrieg veröffentlicht. Das kriegen nicht alle hin, nicht einmal achgut (sorry, Herr Maxeiner!). Ich rechne Ihnen das sehr hoch an. Geben Sie bitte nicht auf, bleiben Sie dran - ich weiß, das ist leicht dahergesagt. Aber ich habe größte Hochachtung für Sie und Ihre Arbeit. Demnächst kommt meine Spende. Ich habe vor 5 Jahren, nach dem Beginn des Bürgerkriegs in der Ukraine, unser Land verlassen, weil mir damals schon klar war, die USA und Deutschland würden dort Krieg machen. Albert Schultheis

Boris Reitschuster / 12.09.2022

@Norbert Brausse: Ich vermisse Ihre Kommentare! Leider fehlt uns für eine manuelle Durchsicht der Kommentare die Zeit, deshalb übernimmt ein Programm die Moderation, das leider auch recht strikt eingeschaltet ist, weil sonst SPAM und Beleidigungen durchrutschen. Offenbar sind Sie, leider, Opfer dieses SPAM-Filters geworden. Das tut mir sehr leid! Es ist ein Jammer, aber leider sehe ich momentan keine praktikable Alternativ! Ich würde mich aber sehr freuen, wenn Sie wieder kommentieren würden, ich habe Ihre Kommentare immer sehr geschätzt! Vielen Dank – und sorry!

Chris Kuhn / 12.09.2022

Alles schön und recht, aber solange Reitschuster im verblichenen Stolz auf seine frühere SPD-Mitgliedschaft die AfD so gut wie vollständig von seiner Seite verbannt, und solange er mit seiner in der desolaten Jelzinzeit angelegten und dann auf Putin übertragenen   Totalaversion gegen das russische politische System hausieren geht, werde ich ihn nicht unterstützen. Staaten haben nämlich keine Freunde, sondern Interessen. Zu einem Journalisten fehlt Reitschuster leider auch noch einiges, wenn man an seine emotionalen - und reichlich schlichten - Gefühlsausbrüche bei seinen Coronademo-Livestreams denkt, die sich auch in seiner einseitigen “Berichterstattung” zum Ukrainekonflikt wiederholen. Im übrigen werden genau zu dem Thema in den Kommentarspalten seiner Seite noch die übelsten antirussischen Hetzbeiträge durchgewunken, die Verfasser von solchen mit einer kritischen Gegenmeinung aber reihenweise gesperrt.

S. Marek / 12.09.2022

Der Baby-Dschihad: “Wir übernehmen euer Land” von Raymond Ibrahim   Sept. 07.2022     Ein kürzlich veröffentlichtes Video von einem Streit zwischen Muslimen und Dänen in Dänemark ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich - vor allem für diejenigen, die über die Vorzüge der Theorie der großen Verdrängung nachdenken. In dem Video ist ein muslimischer Mann zu hören, der einem Dänen die folgenden Worte zuruft: ”  Wir haben fünf Kinder, ihr habt nur ein oder zwei. In 10 bis 15 Jahren wird es in diesem Land mehr Pakistaner als Dänen geben!... Die Dänen sind fünf Millionen, ihr werdet bald ausgerottet [oder ausgestorben?] sein. Schaut euch die Schweden, die Norweger, die Finnen an, Mann! Wir sind Vervielfacher [von] Millionen, Mann!”  Und wie lauft es in Deutschland ?

B. Biermann / 12.09.2022

Ich bin einfach nur erschrocken darüber, was aus diesem Land geworden ist. Wir haben es mit einem gigantischen Systemversagen zu tun. Die Schaltstellen der Macht sind infiltriert von antibürgerlichem Geist und rückgratlosem Mitläufertum. Grundlegende Rechtsstaatsprinzipien wurden aufgegeben zugunsten von ideologischem Rigorismus, gepaart mit blindem Abweichungshass. Und natürlich ist wieder mal eine ordentliche Portion Größenwahn dabei. Da kann man nur hoffen, dass sich die kommende Krise als heilsam erweist und die Traumtänzer in Politik und Gesellschaft wieder mal so richtig erdet. Dieser Staat braucht eine Reform an Haupt und Gliedern, nicht auf dem Papier, sondern in den Köpfen. Vielleicht kann Herr Reitsschuster so etwas wie ein neuer Martin Luther werden, wenn er weiter standhaft bleibt. Er hat unter Inkaufnahme großer persönlicher Nachteile schon eine ganze Menge erreicht. Dafür wäre eigentlich das Bundesverdienstkreuz fällig.

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