Was immer man von der FAZ bislang halten mochte, dass ihre Redakteure einmal in den Tonfall linker Kampfblätter verfallen könnten, war unvorstellbar. Selbst wer das Blatt, hinter dem stets „ein kluger Kopf“ stecken sollte, nicht mochte, konnte ihm nie vorwerfen, die Leser absichtlich belogen zu haben. Sicher wurde nicht immer über alles berichtet, ist das eine oder andere unter den Tisch gefallen. Was man schrieb, war aber allemal faktisch fundiert. Es hatte Hand und Fuß.
Auch der Versuchung plumper Verhetzung und Diffamierung sind die Autoren nicht erlegen. Sie wahrten Stil und Anstand - bisher. Tempi passati, liest man den Bericht über die Buchmesse in der Rhein-Main-Beilage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 15. Oktober 2017.
Auf kärglichen 33 Zeilen dieses Artikels - er trägt die Überschrift „Verlorene Unschuld“ - gelingt es Florian Balke, gleich vier Sachverhalte insinuierend zu verfälschen. Sei es, dass er nicht bewiesene Zusammenhänge konstruiert, Tatsachen darstellt, als handele es sich um Fake News, oder sei es, dass er Stimmung zu machen versucht, indem er Personen mit der Beschreibung ihrer körperlichen Erscheinung diffamiert.
Klappschere im Federmäppchen
Erstens berichtet er richtig über die verschärften „Einlasskontrollen“, bei denen dem Besucher sogar „die kleine chinesische Klappschere im Federmäppchen“ abgenommen wurde. Stellt dann aber übergangslos fest, dass dies „auch etwas mit der Präsenz rechtsgerichteter Verlage zu tun“ gehabt hätte. Mit anderen Worten, sie, die rechten Verlage, vor allem stellten die Bedrohung dar, derentwegen beim Einlass „zehn Minuten“ Wartezeit in Kauf zu nehmen waren. Kein Wort indes über die Gefahr islamistischen Terrors, auf den überall mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen reagiert werden muss. Auf welche Erkenntnisse sich nun die Vermutung einer besonderen Gewaltbereitschaft „rechtsgerichteter Verlage“ stützt, erfahren wir nicht. Es bleibt bei der Insinuation.
Zweitens heißt es, dass „Gegner dieser Verlage den Antaios-Stand in der Nacht zum Samstag ebenso leergeräumt haben sollen (sic!) wie eine Nacht zuvor den der Manuscriptum Verlagsbuchhandlung“. Die Wahrheit wird zum Gerücht herabgestuft. Vielleicht haben ja die Verlage selbst klammheimlich die Stände abgeräumt, die sie am nächsten Morgen geplündert und beschädigt vorfanden. Ein weitere journalistische Vertuschung, die von der Wahrheit ablenkt.
Drittens lesen wir gleich im nächsten Absatz: „Bei Antaios unterhalten sich am Nachmittag einige dickliche junge Männer mit bleichen Gesichtern und spärlichem Bartwuchs darüber, wie lange es bei ihnen gedauert hat, in die AfD oder deren Jugendorganisation aufgenommen zu werden.“ Nun weiß ich nicht, was Florian Balke auf die Waage bringt, ob er klein, groß, sportlich trainiert oder etwas beleibter ist, noch kann ich sagen, wie es um seinen Bartwuchs bestellt ist und wieweit sich daraus seine eigene Gesinnung ableiten ließe.
Kann mich aber gut erinnern, dass es seinerzeit, als ich selbst noch für die FAZ schrieb, untersagt war, Menschen mit ihrer körperlichen Erscheinung in Misskredit zu bringen. Die Stürmer-Manieren, die Verunglimpfung nach dem Vorbild nationalsozialistischer, auch kommunistischer Hetzpostillen lag unter dem Niveau des Blattes - damals. Außerdem, woher wusste Florian Balke, was andere untereinander besprachen? Hat er sie hinter ihrem Rücken belauscht?
Wortwechsel unter Aufsicht der Polizei
Viertens schließlich erfahren wir Erstaunliches über das, was sich vor den Ständen der „rechtsgerichteten Verlage“ sowie bei einer Podiumsdiskussion des Antaios-Verlages abspielte. Es sei, schreibt der FAZ-Mann, „zu lautstarken Wortwechseln zwischen zahlreichen Sympathisanten und einigen versprengten Linken“ gekommen. Das Ganze „beaufsichtigt von viel Polizei“. So weit, so verdreht.
Denn bei den „Sympathisanten“ handelte es sich schlichtweg um das Publikum der Veranstaltung, bei den „Versprengten“ laut Polizeiangaben um 150 bis 200 Personen, die aufmarschiert waren, die Vorstellung des bei Antaios erschienenen Buches „Mit Linken leben“ durch „lautes Gebrüll zu stören“. Wörtlich nachzulesen auf "hessenschau.de": Es kam „zu heftigen Wortgefechten und einzelnen Handgreiflichkeiten“. Um den weiteren Vormarsch der Aktivisten auf das Podium zu stoppen, musste die Polizei mit starken Kräften zwischen die Fronten gehen, genauso wie anschließend, als die „Versprengten“ nach Absage der Veranstaltung durch die Messeleitung Anstalten machten, ihr Happening vor dem Stand des Verlages fortzusetzen.
Alles in allem war das vermutlich mehr, als Florian Balke den Lesern der FAS in seinem Messebericht zumuten wollte. Ihm genügt es, abschließend festzustellen, es hätte „sich aus unterschiedlichen rechten Strömungen eine Bewegung zu formieren versucht“. Das könnte ja unter Umständen sogar der Fall sein. Nur: Wenn es so war, liebe Kollegen von der FAS, warum habt ihr das dann nicht mit harten Fakten belegt? Allein mit dem Verweis darauf, dass „der AfD-Politiker Björn Höcke“ an der verhinderten Diskussion teilnehmen sollte, seid ihr nicht aus dem Schneider. Der Mann saß auch schon in den Talkshows der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender.
Seriöse Berichterstattung erfordert eben mehr als im Mainstream zu planschen. Wer sich mit Vermutungen gefällig über die Tatsachen erhebt, hat die journalistische Unschuld verloren, auch wenn er sich weiterhin die FAZ und ihren sonntäglichen Ableger, die FAS, vor das Gesicht hält.