Volker Seitz / 22.10.2019 / 06:00 / Foto: Büro Dr. Gerd Müller / 48 / Seite ausdrucken

Die verlogene Botschaft der deutschen Entwicklungshilfe

Am 17. Oktober 2019 haben das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Hilfsorganisationen und Prominente in Berlin eine Werbe-Kampagne gestartet. Für mich klingt es danach, dass die Wirkungslosigkeit und die Kritik von Afrikanern, dem Bonner Aufruf und anderen (wie Asfa-Wossen Asserate) nun die Akteure der Entwicklungshilfe zur Selbstrechtfertigung unter dem Slogan „Die deutsche Entwicklungsarbeit wirkt" nötigt.

Dass Gerd Müller sich stets medienwirksam inszeniert, ist bekannt. Aber dass er Jan Josef Liefers, Til Schweiger, Peter Maffey und Eckart von Hirschhausen für eine solch verlogene Botschaft einspannen kann, ist schon bemerkenswert. Für die Kampagne haben die Werbeagentur Meyer & Company (Wir schaffen Relevanz für Themen, Risiken, Erfolge und Absender, um die öffentliche Meinung zu verändern.) und die Firma Kobalt Productions den Zuschlag erhalten. Für die Lobbyfilme, die von Mitte Oktober bis Mitte Dezember (in der Advents- und Weihnachtszeit sind die Deutschen besonders spendenfreudig) den Medien angeboten werden sollen, werden 75 Prozent vom BMZ finanziert, 25 Prozent steuern die Hilfsorganisationen bei. Die Gesamtkosten für den Steuerzahler sind nicht bekannt.

Entwicklungshelfer, die von der Hilfe leben, haben kein Interesse daran, sich überflüssig zu machen. Entwicklungshilfe ist zu einem Geschäft geworden, und die Bereitschaft der Organisationen, sich auf absehbare Zeit abzuschaffen, ist sehr gering. Deshalb stößt man bei der bisher erreichten Entwicklung durch unsere Hilfe in Afrika, je nach Interessenlage, auf erhebliche Wahrnehmungsunterschiede.

Die eigentlichen Absichten der Helfer 

James Shikwati, kenianischer Ökonom und Fellow der deutschen Robert Bosch Academy: „Die Hilfe subventioniert indirekt schlechte Politik. Die Konflikte dort werden im Grunde von den Eliten verursacht, die sich um das Geld aus dem Westen streiten.“ Seriöse Helfer haben sich ohnehin längst von der traditionellen Entwicklungshilfe verabschiedet. Das heißt mehr Zusammenarbeit statt simpler Geschenke. Aber nach Ansicht von James Shikwati verschleiert das immer noch die eigentlichen Absichten der Helfer. 

Der geborene Kameruner NJ Ayuk ist erfolgreicher Buchautor, Geschäftsführer der Centurion Law Group, einer panafrikanischen Rechtssozietät mit Sitzen in Südafrika, Ghana, Kamerun, Mauritius und Äquatorialguinea. Das FORBES Magazin bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten Menschen der Welt. Dem Afrika-Magazins LoNam gab er im Oktober 2019 ein Interview und äußert sich deutlich über Entwicklungshilfe:

„Heute morgen erst las ich einen Artikel über Hilfsgelder. Warum gebt ihr solche Gelder? Hört auf, uns zu „helfen“! Diese Gelder helfen uns nicht, sie machen uns faul, sie halten uns auf. Hier in Deutschland redet Ihr darüber, wie man Leute aus der Sozialhilfe herausbekommt. Aber wenn Ihr nach Afrika schaut, fragt Ihr Euch: Wie können wir ihnen mehr Hilfsgelder zukommen lassen? 600 Milliarden Dollar, die Afrika gegeben wurden, haben nicht einen einzigen Arbeitsplatz geschaffen!“

Der schweizer Journalist Alex Baur schreibt in seinem soeben erschienenen Buch „Der Fluch des Guten“: „Seltsamerweise wird Idealismus stets mit etwas Positivem verbunden, selbst wenn sich herausstellt, dass die Folgen verheerend waren.“ Den Menschen falle es schwer, Irrtümer einzugestehen und die Notbremse zu betätigen. Das hänge vermutlich damit zusammen, dass all die Hilfswerke unser schlechtes Gewissen gewinnbringend bewirtschaften. Die Vermarktung der Armut sei ein Business, von dem die vermeintlichen Helfer selber am meisten profitieren.

Ein gefährliches Suchtmittel und eine Kultur der Abhängigkeit

Die Entwicklungspolitik hat es in den vergangenen Jahrzehnten unter Beweis gestellt, dass sie in der Regel das Gegenteil dessen bewirkt, was sie eigentlich erreichen will. Hilfe ist ein gefährliches Suchtmittel und schafft eine Kultur der Abhängigkeit. Sie fungiert als Ersatz für Steuereinnahmen. Mit dem leichten Zugang zu Entwicklungsgeldern müssen die Regierungen keine effizienten Steuereinnahmen einführen und sind damit ihren Bürgern nicht rechenschaftspflichtig. Afrika wird mit Hilfe überschüttet, die die Zivilgesellschaft auch schwächt.

Man kann sich fragen, ob die Umsetzung politischer Ziele von Bürgern unter internationalem Fördergeld erstickt und die gewachsenen Überlebensstrategien der Einheimischen von Helfern überrannt werden. Ein nachhaltiger Entwicklungsprozess kann nur von innen heraus gestaltet werden. Wir können – auch wenn es die neue Kampagne wieder suggeriert – Afrika nicht von außen retten. Das ist ein Gedanke, der mit der Vorstellung einer eigenverantwortlichen und kreativen Zukunft nichts zu tun hat. 

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Leserpost

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beat schaller / 22.10.2019

Danke Herr Seitz für diesen treffenden Artikel.  Er passt so genau in das heutige Wissenschafts-befreite, macht-erhaltende egoistische Politumfeld der Selbstbeweihräucherung, Genau so wie alle anderen, überfälligen und an die Wand laufenden Themen, scheint es auch hier keine Korrektur zu geben. Zu anstrengend und rufschädigend, und man könnte sich ja plötzlich auf der nicht mehr so “guten Seite” wieder finden. Absolut treffend. b.schaller

Rolf Mainz / 22.10.2019

Wen interessieren schon Fakten? Dass die Entwicklungshilfe nicht tatsächlich hilft, jedenfalls nicht den “Entwicklungsländern” (kann man sie eigentlich so bezeichnen?), das dürfte seit vielen Jahren feststehen. Sie hilft allerdings den vielen Organisationen und Institutionen, die davon leben und/oder sich dadurch legitimieren. Und das scheint zu auszureichen, um das System fortbestehen zu lassen. Dass die “Entwicklungshilfe” darüber hinaus tatsächlich den Nehmerländern sogar schadet, diese Erkenntnis passt da natürlich schlecht ins Bild. Und folglich setzt man mancherorts vieles daran, eben jene Realitäten zu verzerren oder zu verdecken. Dass sich bereitwillig opportune “Kulturschaffende” (die selbst bestens von aktuellen Verhältnissen leben) zu PR-Zwecken finden lassen, wen wundert das noch?

Kay Ströhmer / 22.10.2019

Gerd Müller, ein Idol meiner Kindheit. Der “Bomber der Nation”, mit 365 Toren. Weltmeister 1974, Europameister 1972. FIFA-Verdienstorden, Silbernes Lorbeerblatt, Ballon D’Or, bester Torschütze Europas 1970 und 1972, WM-Torschützenkönig 1970. Und nun das… :D

U. Unger / 22.10.2019

Danke Herr Seitz, dass Sie mal wieder ein ärgerliches Thema mit riesigen Fehlallokationen angehen. Ich wünschte mal eine Entwicklungshilfe, die sich nach den Wünschen der Nachfrager richtet. Viele Methoden der Hilfe haben sich als verschwenderisch erwiesen. Hinstellen abhauen. Geld schicken. Uberambitionierte High tech Transfers, wegen der kostenintensiven Dauerbetreung etc….. Mein Ergebnis kommt immer zu dem Punkt, an dem ich bei ökonomischer Betrachtung feststelle, dass die Helfer überproportional und ganz persönlich profitieren. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich dass Verhalten und die Art und Weise der Projektumsetzung, als nichts anderes als die bekannten Verhaltensmuster von Missionaren und Kolonialherren. Wir sind da, wir haben was mitgebracht und wenn Ihr es nicht nehmt sind wir sauer! Mit diesem Vorgehen, wird sichergestellt, dass die Vorortpräsenz der “Schenker” dauerhaft garantiert bleibt, allerdings zu Bedingungen der Herkunftsländer. Könnten Sie mir ein Beispiel nennen, wo Entwicklungshelfer in Afrika zum dortigen Lohnniveau bezahlt werden? Meine Idee von Entwicklungshilfe, wäre ein Internetshop, aus dem sich die Entwicklungshilfeländer einen Warenkorb zusammenstellen, bis zu Budgetgrenze. Versandkosten und Ingangsetzung der Hilfsmittel hätten Sie bei meinem Konzept in Eigenregie zu finanzieren und durchzuführen. Dieses System wäre auch tauglich den Wissenstransfer sicherzustellen. Was fehlt ist ein echtes Ausschlußkriterium für überteuerte Leistungen. Ein künstlicher Käufermarkt als Reform, die die Anbieter zwingt kostensparende Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Mir kamen alle Entwicklungshelfer die ich je kennengerlernt habe vor, wie staatlich finanzierte Abenteuertouristen im Luxussegment. Persönlich rundum zufrieden und top versorgt. Interessante Erzähler von Reiseerlebnissen, die nicht selten hinterher Kasse machen, wie Karl May. Ist das die Botschaft?

Anders Dairie / 22.10.2019

Die Vertrauen erweckenden Herren LIEFERS, ´SCHWEIGER, MAFFAY und HIRSCHHAUSEN wurden für den JOB der Katalysatoren zur Steigerung des Images des Ministers MÜLLER/CSU und seines Ministeriums gecastet und verpflichtet.  Es geht nicht um die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe.  So ist alles an der Übung aus Eigennutz angelegt,  angefangen bei der Werbeidee, über die Werbefirmen, die NOGen bis zu den Empfängern in Afrika. Oder, wie bringt man deut- sches Geld unter die Menschen ?!  Vielleicht in der Hoffnung, dass daraus, analog zum Target-2-Bezahlverfahren der EU,  Aufträge für deutsche Firmen werden, Arbeitsplätze erhalten bleiben ? Min. Müller wird bezahlt als Geld-Briefträger,  in der Hand eine Liste festgelegter Kunden. Mich würde interessieren, ob die dafür Lederköfferchen nehmen oder ganze Blechcontainer in Regierungsfliegern?  Wie das OBAMA das mit der MIlliarde in Cash an die IRANER angeordnet hatte, als Teil der US-Leistungen für das Atom-Abkommen mit den Ayatollahs.

Susanne Sieg / 22.10.2019

Aber, aber Herr Seitz. Da schicken wir den Afrikanern doch unsere abgelegten Kleider, unsere überflüssigen Hähnchenteile und unseren Elektroschrott und die wissen nichts damit anzufangen - versteh ich nicht. Und es ist doch wichtig, dass sich die jeweiligen Regierungschefs vom überwiesenen Geld ein standesgemäßes Fahrzeug und eine repräsentative Villa und Yacht zulegen können, sonst haben die vor lauter Sorgen wie sie ihren Unterhalt gestalten können, keine Zeit sich Sorgen um ihre armen Untertanen zu machen. Und wir müssen doch auch noch für unseren Kolonialismus Buße tun. Und wie kommen wir an das so dringend benötigte Tantal für unseren Gaming Mist und andere seltene Erden, wenn wir uns die Regierenden nicht mit Geldmitteln gewogen machen. Und dann wollen wir doch auch nicht, dass die afrikanischen Länder ihren CO 2 Abdruck erhöhen. Das lässt sich sicherlich beliebig verlängern - alles gute Gründe für ein Weiter-so. Das ist halt alternativlos und ihre Einwände sind da sicherlich nicht hilfreich…

Regina Becker / 22.10.2019

Ich bin 56 Jahre alt. Als ich vor 50 Jahren in der 1. Klasse war, haben wir für hungernde Kinder in Afrika Spenden gesammelt. Die Kinder, die damals gehungert haben, sind heute Groß- oder Urgroßeltern. Sie haben gehungert, ihre Kinder, Enkel und Urenkel auch. Wie viel Geld ist in den vergangenen 50 Jahren nach Afrika geflossen - Entwicklungshilfe, private Spenden, Spenden von NGO? Und noch immer hungern sie ... kann mir das mal jemand erklären (gern auch Til Schweiger).

Nico Schmidt / 22.10.2019

Sehr geehrter Herr Seitz, jeder Mensch kennt die Probleme in Schwarzafrika: Kriminelle Eliten, Korruption in Größenordnungen, marginale Schulbildung und eine unglaubliche Population. Wir finanzieren dort einen Schwachsinn nach dem anderen Schwachsinn und seit Beginn der Entwicklungshilfe Anfang der 70ziger Jahre hat sich nichts verbessert. Hut ab, vor dieser Bilanz. MfG Nico Schmidt

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