Gerd Buurmann / 20.06.2025 / 14:00 / Foto: Matt Hrkac / 18 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Die Verantwortung der westlichen Mullah-Versteher

Wer andere im Westen öffentlich als „sexistisch“, „homophob“ oder „faschistisch“ an den Pranger gestellt hat, der sollte sich nicht aus der Affäre ziehen können, wenn sich zeigt, dass er selbst ideologisch zur Legitimation eines Regimes beigetragen hat, das Frauen unterdrückt und Homosexuelle aufhängt. 

Als im Jahr 1979 die islamische Revolution im Iran ihren Lauf nahm und der Schah gestürzt wurde, jubelten viele westliche Intellektuelle. Linke und Antiimperialisten sahen in der Revolution einen Befreiungsschlag gegen westliche Dominanz, Kapitalismus und Diktatur. Doch eine feministische Stimme erhob sich früh gegen diese Euphorie: Alice Schwarzer. Sie erkannte schon in den ersten Wochen nach der islamischen Machtübernahme, dass sich hier alles andere als eine emanzipatorische Befreiung vollzogen hatte. In den folgenden Jahren nach der Revolution dokumentierte sie Verhaftungen, Hinrichtungen, Folter und prangerte nicht nur das Mullah-Regime an, sondern auch die Blindheit vieler westlicher Intellektueller.

Mit der islamischen Theokratie kamen Zwangsverschleierung, Unterdrückung und die brutale Verfolgung von Homosexuellen, religiösen Minderheiten und Intellektuellen. Die vermeintlich progressiven und linken Kreise kritisierten jedoch nicht diese Brutalität, sondern Alice Schwarzer. Sie warfen ihr „kulturelle Arroganz“ vor, unterstellten ihr einen „westlichen Universalismus“ und sogar Islamophobie, lange bevor dieser Begriff seine breite Verwendung finden sollte. Ihre Verteidigung der Frauenrechte wurde als Angriff auf eine nichtwestliche Kultur gedeutet. In den Augen vieler galt jede Kritik an der Revolution als Ausdruck einer reaktionären, prowestlichen Haltung, die angeblich den antikolonialen Befreiungskampf verkenne.

Kommt uns das bekannt vor?

Auch heute sind viele linke und vermeintlich progressive Bewegungen blind gegenüber dem offenen Hass auf Frauen, auf Homosexuelle und auf Andersdenkende, wenn dieser Hass von islamischen Regimen oder Gruppen ausgeht. Stattdessen richtet sich die Kritik dieser Kreise nach wie vor gegen jene, die diese Gewalt beim Namen nennen. Wer heute darauf hinweist, dass in islamischen Regimen Frauen eingesperrt, gefoltert und öffentlich hingerichtet werden, weil sie ihr Haar nicht bedecken oder tanzen, gilt schnell als islamfeindlich oder als „Rassist“.

Die Blindheit hat geradezu groteske Formen angenommen, wie zum Beispiel „Queers for Palestine“. Hier versammeln sich westliche Aktivisten, die sich selbst als queer und progressiv bezeichnen, hinter einem politischen Kampfbegriff, der sich gegen Israel richtet, den einzigen Staat der Region, in dem Homosexuelle frei leben können, in dem es Pride-Paraden gibt, offene Debatten, feministische Ministerinnen und Rechtsstaatlichkeit. 

Auch in deutschen Universitäten findet man mehr kritische Stimmen zu Israel als zu den iranischen Revolutionsgarden. Die Angst, als „kulturimperialistisch“ zu gelten, scheint größer zu sein als das Interesse an universellen Menschenrechten. Die kritischen Studenten an deutschen Universitäten wissen dabei viele Professoren auf ihrer Seite. Die Theoretikerin Judith Butler zum Beispiel bezeichnete die Hamas und die Hisbollah als Teil der „globalen Linken“. Möglich werden solche geistigen Verrenkungen nur durch ein ganz simples Weltbild: Die USA und Israel sind die Aggressoren, und ihre Gegner werden als Opfer und somit als Verbündete angesehen, ganz gleich, wie brutal und frauenfeindlich sie agieren.

Durch die islamische Revolution im Iran wurden tausende, zehntausende, hunderttausende Homosexuelle, Juden, Frauen, Dissidenten, Andersgläubige gefoltert, gesteinigt, vergewaltigt, öffentlich erhängt, erschlagen, verbrannt, aus dem Leben gejagt. Diese Gewalt wurde nicht nur von den Ayatollahs und ihren Revolutionswächtern verübt. Sie wurde mitgetragen, mitfinanziert, mitideologisiert von jenen Kreisen im Westen, die sich selbst als „progressiv“ bezeichnen.

Es sind linke Intellektuelle, postkoloniale Professoren, feministische Theoretikerinnen, queere Aktivistengruppen und antirassistische Bündnisse, die seit Jahrzehnten alles daran setzen, die islamische Revolution als „antikolonial“, als „antikapitalistisch“, als „Widerstand gegen den Westen“ umzudeuten. Sie haben das Morden, Steinigen und Foltern nicht nur übersehen. Sie haben es gedeckt. Sie haben es legitimiert. Und sie haben versucht, diejenigen mundtot zu machen, die den Mut hatten, es beim Namen zu nennen.

„Ausdruck kultureller Vielfalt“

Diese Komplizenschaft der westlichen Linken mit dem islamischen Totalitarismus hat eine konkrete, blutige Bilanz. Viele haben die Ermordung von tausenden Homosexuellen und Juden ideologisch versiert weginterpretieren wollen. Wer in westlichen Universitäten, in linken Kulturzentren, in „progressiven“ Redaktionen das islamistische Regime verharmloste, wer die verschleierten Frauen als „Ausdruck kultureller Vielfalt“ feierte und dabei die Peitschenhiebe auf dem Marktplatz ignorierte, der hat mitgemacht.

Prediger politischer Korrektheit suchten die Nähe der Mörder, Wokeness-Verkünder die der Folterer, Ideologen waren sanftmütig mit den Vergewaltigern. Mit ihrem Schweigen, mit ihrer Rhetorik, mit ihrer Feigheit, Gewalt beim Namen zu nennen, wenn sie von den „falschen“ Tätern ausgeht, machten sie sich zu Komplizen. Vor allem aber mit ihrem Hass auf sich selbst, auf den Westen.

Es ist an der Zeit, dass diese „Fortschrittlichen“ dafür zur Rechenschaft gezogen werden, denn wer sich jahrzehntelang als moralische Instanz inszeniert hat, wer andere im Westen öffentlich als „sexistisch“, „homophob“ oder „faschistisch“ an den Pranger gestellt hat, der darf sich nicht aus der Affäre ziehen, wenn sich zeigt, dass er selbst ideologisch zur Legitimation eines Regimes beigetragen hat, das Frauen unterdrückt und Homosexuelle aufhängt. Es wird Zeit für eine echte Aufarbeitung.

 

Gerd Buurmann. Als Theatermensch spielt, schreibt und inszeniert Gerd Buurmann in diversen freien Theatern von Köln bis Berlin. Er ist Schauspieler, Stand-Up Comedian und Kabarettist. Im Jahr 2007 erfand er die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Mit seinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und den von ihm entwickelten Begriffen des „Nathan-Komplex“ und des „Loreley-Komplex“ ist er in ganz Deutschland unterwegs. Seit April 2022 moderiert er den Podcast „Indubio“ der Achse des Guten. Sein Lebensmotto hat er von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!“

Foto: Matt Hrkac from Geelong / Melbourne, Australia - Solidarity with Iranian Protests, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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RMPetersen / 20.06.2025

Wer an dem Sinn dieser Militäroperation zweifelt und die Probleme damit aufzeigt, ist also ein “Mullah-Versteher”. Das Vokabular kennt man vom Problembereich “Ukraine/Russland und US-Geopolitik”, da ist man Putin-Versteher. Gleiche Diktion betraf Kritiker an der Corona-Politik, betrifft Kritiker an der deutschen “Klima"politik und traf Kritiker von Merkels 2015er Schleusenöffnung. Herr Buurmann wirft Kritik an der Militäroparation in einen Topf mit der klassischen linken Komplizenschaft mit palästinensischen Terror und Billigung des Umgangs der Mullahs mit Frauen und Homosexuellen. Es muss schön sein, mal richtig mit den Machthabern zu tröten.

Lutz Liebezeit / 20.06.2025

Zum Glück sind unsere besten Freunde, die Saudis ganz genauso. Homosexualität wird tabuisiert, mit Gefängnis bestraft und körperlicher Züchtigung ausgetrieben, und wenn das alles nichts nützt, bringt man den halt um. Da werden Hände abgekackt und wird gesteinigt.  -  Stalin hat Homosexualität. Wer da toleranter war, war Adolf Hitler. Der hat Röhm sogar erwischt. Dann müssen wir jetzt auch auf Saudi Arabien Bomben werfen. - Das ist wirklich eine ganz schwache Begründung.

Thomas Szabó / 20.06.2025

Weil die Linken die iranische Mörderbande mit an die Macht gebracht haben, würden sie es verdienen gesteinigt zu werden. Wir zivilisierten Menschen steinigen aber nur mit Worten. Steinigen wir die Linken verbal. ✦ Lieber Herr Steinmeier, Sie haben bei mir einen Stein im Brett. Ihr Brett vorm Schädel ist hart genug.

Lutz Herrmann / 20.06.2025

“erscheint mir angesichts der eher wenig minderheitentoleranten Protagonisten der aktuellen israelischen Regierung (wie z.B. Itamar Ben-Gvir u.v.a.) wenig überzeugend.” Whataboutism war noch nie ein Argument. Offenbar reichern die Iraner, die bekanntermaßen ihren Energiebedarf aus Öl und Gas decken könnten, ihr Uran nicht zur Energiegewinnung an. Das sagt auch die IAEO. Munition horten, aber noch keine Knarre besorgt. Genau mein Humor.

Marc Greiner / 20.06.2025

Wie Sie hier schreiben, Hr. Buurmann, ist die Ignoranz weder neu noch unbeabsichtigt. Ich erinnere mich an einen Kinobesuch Anfang der 90er mit einem guten Freund. Der Film hiess “Nicht ohne meine Tochter”. Hinter uns sassen zwei links/grüne Tussis und tuschelten die ganze Zeit so dass wir sie um Ruhe bitten mussten. Dann in der Pause kicherten sie noch. Für sie war dieser Film anscheinend fernab der Realität. Der Iran ein Opfer amerikanischer Propaganda. Hr. Buurmann, noch etwas: Sie schreiben “islamistisches Regime”. Die offizielle Bezeichnung für den Iran lautet “Islamische Republik Iran”. Es ist sinnvoll sonst von Islamismus zu reden, damit man weiss um was es geht, aber hier nicht.

Bernhard Freiling / 20.06.2025

@Anke Müller # Finde ich gut, daß Sie sich darüber Gedanken machen. # 2009 vertraute ich z.B. noch den deutschen Statistiken. Damals wies Statista 4,25 Mio. Moslems für Deutschland aus. Heute, 16 Jahre später, nach einer Grenzöffnung 2015, nach seitdem jährlichen Zuzügen “Schutzsuchender” von rd. 250Tsd., nach einem jährlichen Zuzug von rd. 100Tsd. Familienangehörigen, mit einer Geburtenrate von rd. 300Tsd. jährlich sollen es angeblich um die 5,6 Mio. sein. Auf denjenigen, der mir plausibel erklärt wie das zusammenpaßt, warte ich bisher vergeblich. # Behalten Sie bitte Ihre Skepsis. Nicht nur hinsichtlich des Anteils der “indigenen Deutschen” an der Bevölkerung. M.E. werden wir hinsichtlich Allem, was “wir” an Statistiken präsentiert bekommen - ob Bevölkerung, Kriminalität, Corona, Anteil der “regenerativen Energien” am Stromverbrauch, usw. betreffend - völlig hemmungslos belogen. Ein System, eingeführt von einer erfahrenen DDR-Agitpropse die es bis in den Kanzlersessel schaffte, ist dabei, uns vollständig zu verdummen. Und die Einzigen, die bereit sind uns aus diesem Teufelskreis herausführen zu wollen, werden von den wahren Faschisten dieses Landes als Nazi verunglimpft. Und die Mehrzahl der Wähler glaubt diesen Unsinn denn auch noch.

Hans-J. Haupt / 20.06.2025

Nur eine Frage an den Autor: Was sind “postkoloniale Professoren”?

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