Wenn ich an die Beziehung zwischen den USA und Europa seit Beginn des ersten Weltkrieges denke - und da besonders an die transatlantische zwischen den USA und der BRD, habe ich immer wieder ein Bild vor Augen, das sich mir spätestens seit dem Balkan-Konflikt Anfang der 1990er-Jahre einprägte: Immer dann, wenn es für Europa und Deutschland brenzlig wurde, weil in ihrem Haus wieder einmal ein Feuer ausgebrochen war und sie selbst aufgrund ihrer Zerstrittenheit und Feigheit nicht willens waren, den Brand zu löschen, riefen sie letztlich die USA (den Feuerwehrmann) zu Hilfe. Der kam dann auch treuherzig, ging in das Haus und löschte den Brand - wenn nötig, auch mit schwerem Gerät. Und jedes Mal, wenn er nach getaner Arbeit wieder aus dem Haus kam - verschmutzt und etwas abgerissen -, wiesen die Europäer/Deutschen mit ausgestrecktem Finger auf ihn und riefen: „Igitt, wie dreckig hat der sch doch gemacht. Hoffentlich fällt von seinem Schmutz nichts auf uns ab!“ Einfach nur schäbig, dieses Verhalten.
Ach Gottchen, Herr Willert. Sie erinnern sich doch bestimmt auch daran, daß vor den “Freien Wahlen”, die es auch in der Ostzone - glaubt man den Sowjets - IMMER gab, zunächst einmal Berlin (West, der freie Teil) blockiert werden mußte und nachdem das in die sozialistische Hose gegangen war, die “Wiedervereinigung” freien Wahlen nach SED-Art VORAUSGEHEN sollte. Daß Sie überhaupt versuchen, auf der sogenannten Stalin-Note herumzureiten, zeigt nur, daß Sie (zu Recht) auf die umfassenden Erfolge der grünsozialistischen “Bildungs"politik hoffen. Mehr aber auch nicht. Ohne die USA wäre Deutschland die popeligste Provinz in Stalins Imperium geworden. Mehr aber auch nicht. Das stört aber in einem Land, das Freiheit und Moderne heute wie gestern konsequent ablehnt, niemanden: Man muß nur seinen Ressentiments feien Lauf lassen können, mal äußern sich diese als Antiamerikanismus, mal als Antisemitismus, meist leider zusammen.
Wie mir ein Bekannter unlängst schrieb: “Ich würde als Ami auch bei uns spionieren. Bei so viel politischer Naivität und gefährlicher Ignoranz bezüglich globaler, terroristischer Bedrohungen, die in Europa vorherrscht, muss man sich ein eigenes Bild machen und Risiken einschätzen können.” Das heisst nun nicht, dass ich ohne Bauchschmerzen auf die Bemühungen der NSA schaue. Auch ich habe Freunde in den USA. Wenn ich daran denke, dass meine Mails und Briefe an sie abgefangen und mitgelesen werden, dann fühle ich mich wie in der DDR, wo auch jeder wusste, dass es kein Briefgeheimnis gab und die Stasi überall ihre schmutzigen Griffel drin hatte. Dennoch kann ich Verständnis für die USA aufbringen. Die Art und Menge sowie Vorhaltezeit der abgeschöpften Daten muss eben nur eingegrenzt und parlamentarischer Kontrolle unterstellt werden. Da liegt wohl eben das Defizit in den USA. Nur nebenbei bemerkt: Mr. Snowden hat nur deutlich gemacht, was ohnehin SEIT JAHREN jeder wusste. Ich selbst habe zum Beispiel schon vor Jahren auf die Einrichtung einer facebook-Seite verzichtet, obwohl ich immer wieder dazu gedrängt wurde. Warum habe ich mich dagegen entschieden: es WAR IMMER bekannt, dass die NSA sich ein Zugriffsrecht auf deren Daten gesichert hatte und man mit den Geschäftsbedingungen diese Tatsache anerkennen muss. Gleiches gilt auch für andere Internet - Dienste. Warum also gerade JETZT diese Aufregung? Wahlkampfthema Anti-Amerikanismus? Medien als Erfüllungsgehilfen linker Wunschträume? Wer weiß...
Selbst wenn einige Staaten in Europa, insbesondere haben Sie Deutschland ins Visier genommen, so etwas wie der 52. Staat der USA wären, gibt es moralische Grenzen der technischen Überwachung, jedenfalls dann, wenn das Verhältnis auf Freundschaft, Gleichberechtigung und gegenseitiger Anerkennung beruht. Ihre Auflistung der Versäumnisse deutscher Politiker und das Ausbleiben der abgöttischen Liebe der Bevölkerung klingt dann lustig, wenn Sie als Professor für Geschichte tatsächlich der Meinung sind, dass Dankbarkeit und Liebe relevante Begriffe der Geschichtsschreibung sind. In der Realität sind sie es nicht. Auch mein Land hat unter großen Opfern die Nazidiktatur bekämpft, sogar über zwei Jahre länger als die USA. Daraus den Anspruch abzuleiten, dass die Deutschen von nun an jede Entscheidung aus London begrüßen müssen und vor Freude auf die Knie fallen sollten, würde mir niemals einfallen. Tagespolitik geschieht im Jetzt, und jetzt ist im Gegensatz zu 1945-1949 die technische Totalüberwachung eines Verbündeten ein Fehler.
Es ist Alles nur eine Frage der Zeit: Ohne die USA gäbe es keine BRD. Ohne die USA wäre die BRD heute rot. Ohne die USA wäre Deutschland aber schon 1948 wiedervereinigt, wenn auch rot eingefärbt. Leider können wir uns nicht schmerzfrei von unseren christlich-abendländischen Denkmustern befreien. Es kann eben nur errettet werden, was errettbar ist. Nur durch die BEDINGUNGSLOSE Kapitulation konnte Deutschland errettet werden. Unser Herr Morgentau wollte Bestrafung, und das wäre eine entzückend teure Angelegenheit für die USA geworden, und für die Sowjetunion ein Spaziergang durch den europäischen Supermarkt. Also kam der Marschallplan. Denn eine Kuh die man melken will, muß man vorher gut füttern. Schon vergessen was die bösen Russen im Ostsektor Berlins angestellt haben? Sie versorgten die Menschen mit den notwendigsten Lebensmitteln, eröffneten die Universität und die Oper, und anschließend boten sie FREIE Wahlen an. Und das alles nur, um anschließend die Deutschen zu knechten? Und unsere amerikanischen Freunde überschütteten uns mit JUINGAMM und SCHOKKOLLADDE. Uni oder kulturelle Einrichtungen? Fehlanzeige. Aber nun kamen sie mit der GROßEN BERTA Marschallplan, und das zarte Pflänzchen wurde plattgewalzt. Aber das kennen sie ja alles. Die USA wissen also, das sie auf die Wanzen nicht verzichten können.
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