Walter Krämer / 30.11.2015 / 10:56 / 2 / Seite ausdrucken

Die Unstatistik des Monats: Lebenselixier Kaffee

Die Unstatistik des Monats November ist die in verschiedenen Medien verbreitete Meldung, Kaffeetrinken befördere ein langes Leben. So titelte beispielsweise das Hamburger Abendblatt am 18. November „Kaffee soll das Leben verlängern“. Auch die Augsburger Allgemeine berichtete am 19. November: „Kaffee verlängert das Leben“.

Das klingt gut in den Ohren leidenschaftlicher Kaffeetrinker. In Wahrheit hatte aber die diesen Meldungen zugrundeliegende, in der Fachzeitschrift „Circulation“ erschienene Studie „Association of Coffee Consumption with Total and Cause-Specific Mortality in Three Large Prospective Cohorts” nur eine Korrelation notiert, also einen Zusammenfall von Kaffeekonsum und höherer Lebenserwartung. Ein Kausalzusammenhang, dass der Kaffeekonsum ursächlich für die höhere Lebenserwartung ist, wurde jedoch nicht festgestellt: „The association between consumption of caffeinated and decaffeinated coffee and risk of mortality remains inconclusive“ („Der Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Todesrisiko ist weiter ungeklärt“). Vielleicht verhält es sich ja auch genau umgekehrt: Menschen, die aktiv im Leben stehen und deshalb auch länger leben, trinken gerne Kaffee.

Verschiedene Medien wie der Spiegel wiesen in diesem Kontext auf den zentralen Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität ausdrücklich hin. Anderen Medien wie dem Hamburger Abendblatt und der Augsburger Allgemeinen scheint dieser leider immer noch nicht bekannt.

Wie groß wäre denn die Wirkung von Kaffee, wenn diese Korrelation wirklich kausal wäre? Lebt jeder länger, der Kaffee trinkt? Die Größe eines Effekts ist ja entscheidend, nur darüber wurde so gut wie nie berichtet. Die Antwort ist: Im besten Fall würde Kaffeetrinken jedes Jahr das Leben einer von je 1 000 Personen retten. Also vielleicht doch lieber abwarten und Tee trinken?

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de.

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Leserpost

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Hjalmar Kreutzer / 01.12.2015

Gab es nicht auch einmal in den 1980ern eine Statistik mit positiver Korrelation von Storchpopulation und Geburtenrate?

Detlef Dechant / 30.11.2015

Leider Gottes kursieren gerade im Gesundheitsbereich viele dieser Studien: Man nimmt zwei Parameter, startet eine Versuchsreihe und “wertet” diese Daten aus. Es kommt immer eine Korrelation heraus, selten aber eine Kausalität!!! So sehen auch viele medizinische “Doktorarbeiten” aus, die, da verpflichtend publiziert, ständig zu sich wiedersprechenden Meldungen in verschiedensten Zeitungen führen. Und davon werden ja eine ganze Menge produziert auf einem Niveau, das in anderen Studiengebieten nicht einmal für eine erfolgreiche Hausarbeit gereicht hätte! Für den normalen Leser ist es schwer, zwischen den publizierten Ergebnissen dieser Arbeiten und denen seriöser wissenschaftlicher Langzeitstudien mit einer Vielzahl von Parametern zu unterscheiden.

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