Markus Vahlefeld / 02.11.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 72 / Seite ausdrucken

Die Unkultur der Soldateska

In der ersten Woche des Jahres 2016 trat mit einigen Tagen Verspätung ein Phänomen ins öffentliche Bewusstsein, das bis dahin nur Schwarzmalende für möglich gehalten hätten: die gruppenorganisierte sexuelle Gewalt gegen Frauen. Am Silvesterabend von 2015 auf 2016 hatte sich auf der Kölner Domplatte unter die Feiernden eine hohe Anzahl Menschen gemischt, die unsere sichere, liberale und vor allem öffentliche Feierkultur zutiefst verachten.

Die offene Flanke der Verwundbarkeit, die liberale und tolerante Gesellschaften zwangsläufig haben, wurde von derart vielen jungen Männern schamlos und mit dem hämischen Grinsen der Überlegenheit ausgenutzt, dass selbst die Gutmeinendsten innerhalb der Willkommenskultur ins Grübeln gerieten. Silvester 2015 in Köln war der Umschlagspunkt der deutschen Toleranzbesoffenheit mit der Folge eines Katers, der weiterhin anhält.

Jedes Verbrechen ist schockierend und vermag die Betroffenen und die Nahestehenden zu erschüttern. Dann wiederum gibt es Verbrechen, die eine Kleinstadt, eine Großstadt oder ein ganzes Land zu schockieren imstande sind. Manchmal liegt es an der unfassbaren Grausamkeit der Tat, manchmal aber auch an der scheinbaren Normalität der Täter. Beides zusammen wirft ein Licht auf Abgründe, die jeden von uns umgeben und in die nicht zu stolpern man meist nur dem Schicksal zu verdanken hat und nicht irgendwelchen Anstrengungen oder eigenen Leistungen. Das „Horrorhaus von Höxter", in dem ein Paar mehrere Frauen missbrauchte und tötete, war so ein Verbrechensfall. Oder der aufgedeckte Fall an gewerbsmäßiger Pädophilie, wie er vor wenigen Monaten in Freiburg aufgedeckt wurde. Obwohl die meisten Fälle hinter dem Sichtschutz der privaten Mauern stattfinden, haben sie immer auch eine politische Dimension, bei der nach Verfehlungen und Nachlässigkeiten der Sozialbehörden oder der ermittelnden Beamten gefragt wird.

Die in der letzten Woche an die Öffentlichkeit gelangte Vergewaltigungstat von Freiburg ist ebenfalls ein solches Verbrechen, das eine politische Dimension besitzt. Die Fragen, die sofort vor dem inneren Auge auftauchen, lauten: Wenn die bisher acht Tatverdächtigen alle „polizeibekannt" waren, warum schafft es der liberale Rechtsstaat nicht, vor derartigen Tätern zu schützen? Und wenn, wie sich mit großer Wahrscheinlichkeit herausstellen wird, nicht nur acht Täter an der Tat beteiligt waren, sondern bis zu fünfzehn, und die überwiegende Mehrzahl der Täter Menschen sind, die seit 2015 dieses Land betreten haben und als Flüchtlinge hier leben, welche systemischen Fehler wurden seit 2015 gemacht und wie können sie geheilt werden? Werden diese Fragen nicht gestellt und beantwortet, wird sich zwangsläufig ereignen, was Bertolt Brecht so wunderbar bedichtete:

Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen 

Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen, 

Wie man schneller sägen könnte, und fuhren 

Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen, 

Schüttelten die Köpfe beim Sägen und 

Sägten weiter.

Ein merkwürdig aggressives Damoklesschwert

Neben der systemischen Diskussion wirft aber die Vergewaltigung von Freiburg auch eine Frage auf, die eine kulturelle Identität betrifft. Diese kulturelle Identität bleibt meist unbewusst und tritt erst im Zuge ihrer Bedrohung ins Bewusstsein. Es ist schon einige Jahre her, als eine gute Bekannte von mir, die russischer Nationalität ist und Deutschland ungemein schätzt, auf meine Frage, was genau sie denn an Deutschland so möge, ohne zu zögern antwortete: die öffentlichen Feiern und Straßenfeste, die sind so friedlich!

Damals amüsierte mich ihre Antwort, verstand sie aber erheblich besser, als ich das erste Mal Russland besuchte. Öffentliche Versammlungen, zu denen auch Feste und Feiern gehören, schienen in Russland eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darzustellen, und sobald sich mehr als drei Menschen auf der Straße versammelten, war recht schnell die russische Polizei anwesend, um entweder staatsfeindliche oder gewalttätige Ausschreitungen im Keim zu unterbinden. Über Menschenansammlungen schwebte ein merkwürdig aggressives Damoklesschwert, das jederzeit niedersausen konnte.

Auch aus den USA, wo ich das Glück hatte, drei Jahre zu leben, erinnere ich mich an die öffentlichen Straßenfeiern zum Unabhängigkeitstag, dem 4th of July, oder zu Halloween, die latent aggressiver und explosiver waren als jedes Straßen-, Dorf- und Weinfest, das ich aus Deutschland, Frankreich oder Spanien kannte. So bin ich schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass es ein ganz wesentlicher Bestandteil der europäischen Identität ist, den öffentlichen Raum allen Menschen zur Verfügung zu stellen und sich in ihm zu versammeln, so dass sich ein Maß an Gesittetheit eingestellt hat, das in nicht-europäischen Ländern eher die Ausnahme darstellt.

Auch der Begriff des „Flaneurs", wie ihn schließlich Walter Benjamin prägte, unterliegt einer genuin europäischen Definition: In Großstädten umherzuschweifen, setzt eben einen unbewussten Plan von Stadt voraus, in dem sicheres und planloses Umherschweifen möglich ist. Der Flaneur muss sich nicht erwehren, er kann interessiert beobachten. Städte wie Bangkok, Los Angeles oder Moskau lassen Flanieren nur schwer zu, während Städte wie Paris, Barcelona oder Berlin förmlich dazu einladen.

Das Messer ist in den öffentlichen Raum zurückgekehrt

Seit einigen Jahren erleben wir in Deutschland den Einbruch dieses Konzeptes an europäischer Identität. Dass sich der Mord in Chemnitz auf einem Stadtfest ereignete, dass sich Silvester 2015 unter den Scheinwerfern des Kölner Doms abspielte, dass das Messer in den öffentlichen Raum zurückgekehrt ist, dass die mehrfache und mehrere Stunden dauernde Vergewaltigung in Freiburg nun im Gebüsch vor einem Club stattfand – all das sind bereits Zeichen der Verwahrlosung des öffentlichen Raums, die neben den Schrecklichkeiten der Tat an einer zivilen Identität rütteln.

Die Hartnäckigkeit der progressiven Politiker, diese Identität ignorieren zu wollen, überrascht am meisten vor dem Hintergrund, dass doch tagtäglich europäische Werte angemahnt werden. Die Feier im öffentlichen Raum ist einer der wichtigsten europäischen Werte, der die Lebensqualität der Europäer wirklich betrifft. 

Darüber hinaus warfen die Ereignisse von Köln bereits einen Schatten auf das, was sich nun in Freiburg ereignet hat und unter dem Begriff „gang rape" firmiert. Auch hier soll die systemische Frage außen vor bleiben und eher die Konkretion der Lebenswirklichkeit in den Vordergrund treten. Die in Freiburg ermittelten Täter sollen im Alter zwischen 19 und 25 Jahren sein. Auch ich habe mich zwischen 19 und 25 gerne in Clubs herumgetrieben. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass ich je in einem öffentlichen Club zu acht oder zu fünfzehnt gewesen wäre. Und selbst, wenn mir Cliquen-Verhalten fremd ist, setzten sich die Cliquen, die ich kannte, immer aus Menschen beiderlei Geschlechts zusammen. 

Trotzdem: ich war nie in einem Club, wo ich aus dem Stand heraus acht Menschen – geschweige den fünfzehn – als Freunde getroffen hätte. Aber selbst wenn: Wäre ich meinen Freunden je mit dem Plan gekommen, dass draußen ein wehrloses Mädchen im Gebüsch liegt, über das sich nun jeder meiner Freunde hermachen soll, wie viele der Freunde hätten a) die Polizei gerufen und b) mich sofort dafür verprügelt? Ich hoffe: alle!

Im Kriegsmodus gegen das Aufnahmeland

Die Frage der Lebenswirklichkeit betrifft also den Umstand, was für Kreise man sich aufbaut, damit derartige Taten überhaupt denkbar sind. Dass einige der Täter mit ihren Familien in Deutschland sind, lässt ja darauf schließen, dass Familienzusammenführungen nicht unbedingt die Antwort auf diese Frage sind. Wie baut man sich also ein sehr gut funktionierendes Netzwerk auf, das aus gemeinsamem Frauenhass, Menschenverachtung, Überlegenheit, Unangreifbarkeit, sexueller Verwahrlosung und Brutalität besteht? Die einzige Möglichkeit, auf die ich komme und die seit Jahrhunderten bekannt ist für öffentliche Massenvergewaltigungen, ist die der Armee oder Soldateska. Nur Männer, die sich im Kampfmodus befinden, sich unbedingte Treue und Verschwiegenheit geschworen haben und die zudem noch die Waffen der Einschüchterung besitzen, sind überhaupt in der Lage, ein solches Netzwerk für einen öffentlichen „gang rape“ zu aktivieren.

Die Frage, die sich Politik und Justiz also zu stellen haben, lautet: Wie erlangt man Hinweise auf derartige Netzwerk- oder Kompaniebildungen, deren Zweck die Suche nach Vergewaltigungsopfern ist, und wie zerschlägt man diese Kompanien bereits im Vorfeld? 

Dass sich hier eine scheinbar nicht unerhebliche Anzahl Männer im Kriegsmodus gegen das Aufnahmeland – man könnte auch sagen: gegen die Besiegten – befindet, ist ein Menetekel, das sich nicht dadurch wegwischen lässt, indem man nur vor Pauschalurteilen warnt und darauf hinweist, dass sich die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Migranten gesetzestreu verhält.

Natürlich sind nicht alle Soldaten einer Siegerarmee Vergewaltiger, das Konzept der öffentlichen Massenvergewaltigung ist jedoch aus Kriegen hinlänglich bekannt. Wie wäre es zur Abwechslung mal, das Problem korrekt zu benennen und Maßnahmen zu ergreifen, die diesem Krieg ein Ende bereiten?

Das und noch viel mehr behandelt Markus Vahlefeld in seinem neuen Buch: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Oktober 2018, erhältlich hierwww.markus-vahlefeld.de

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Leserpost

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Emil Marauder / 02.11.2018

Jeder darf sich in weiterer Folge selbst die Frage stellen, ob sich diejenigen welche die geschilderten Erscheinungen relativieren, vertuschen und vor Instrumentalisierung derartiger Taten warnen nicht auch im Kriegsmodus gegen Deutschland bzw. die europäische Lebensart befinden.

Gertraude Wenz / 02.11.2018

Ein brillanter Artikel, Herr Vahlefeld, vielen Dank! Ich möchte zwei Punkte herausgreifen: Sie haben eindrücklich den drohenden Verlust des friedlichen öffentlichen Raums beschrieben, der ein bedeutsamer Bestandteil der europäischen Identität ist und nun der Verwahrlosung anheimfällt. Genau! Der öffentliche Raum ist es doch, der Heimat bedeutet: Sicher auch meine Wohnung, aber mehr noch die Einbettung dieses häuslichen Umfeldes in den öffentlichen Raum, und den möchte ich wie wohl die meisten als deutsch/europäisch erleben. Wenn ich kaum noch Deutsche sehe, fühle ich mich fremd, unwohl. Wenn die Sicherheitslage bedrohlich wird aufgrund der häufigeren Straftaten, hat meine Lebensqualität schwere Einbußen. Als ich einem grünen Freund mit einem Beispiel ( “Du würdest doch auch nicht deine Haustür für alle offenlassen, die ohne Kontrolle einfach so zu dir hineinspazieren und sich zwecks Vollverpflegung bei dir einquartieren können…”) die Migrationsprobleme deutlich machen wollte, meinte der nur, DAS wäre ja nun etwas gaanz anderes, der Staat wäre ja nicht das Zuhause. Und schwupps - da liegt schon der Denkfehler: Viele begreifen gar nicht, dass der Staat doch das erweiterte Zuhause ist, dass auch sein Geld unser Geld ist, dass wir ja aus unserer Haustür hinaustreten, dass Infrastruktur und Kultur auch zu unserem erweiterten Zuhause gehören. Wer fühlt sich denn wohl in einer Schule, die hauptsächlich von arabisch oder türkisch sprechenden Schülern bevölkert wird? Ganz davon abgesehen, welche Verwerfungen durch die demographische Entwicklung vorhersehbar sind? Der zweite Punkt betrifft die vollkommen naive Vorstellung, die Familienzusammenführung könne bei der Integration helfen. Sie wird sie erschweren. Aber man sucht halt in jeder Ecke nach Entschuldigungen, Ausflüchten, macht immer neue Fässer auf, um sich nicht der drückenden Realität stellen zu müssen: Die Grenzen offen zu lassen, war der schwerwiegendste Fehler in der bundesrepublikanischen Geschichte!

Susanne antalic / 02.11.2018

Was erwartet man? Milionen Junge Männer die die Gehirnwäsche schon mit Muttermilch bekammen, die meisten ungebildet und mit Hass auf alles westliches grossgeworden sind, für die ist das einziges Halt ihre Religion, die sie weiter gegen das westliche hetzt, es wird ihnen eingetrichtet das sie die einzige Übermenschen sind. Die anderen, die Ungäubigen sind nur ein Stück Sch… Ein Überschuss von Männern, die kaum eine Frau bekommen werden( in ihren Ländern würden sie schon längsr verheiratet) und noch das Stellenwert von Frauen, der noch hinter den Ziegen liegt. Das alles hatte man gewust und trotzem hat man das forsieret damit man sich als Gutmensch präsentieren kann. Es sind keine Gutmenschen die sowas forsieren, es sind Ideologen und Deutschlandhasser, die alle diese Morde und Vergewaltigungen nur als kollateral Schäden “für die gute Sache” sehen.

Klaus Reichert / 02.11.2018

Auch in Chemnitz waren es erst zwei, die Daniel Hilbig provozierten und kurze Zeit später dann zehn. Die immer wieder vorkommenden Angriffe gegen Sanitäter zum Beispiel werden meist auch von Gruppen begangen, die sich innerhalb von Minuten zusammenrotten. Dazu gehört hohe Aggressivität und die Bereitschaft, Alles stehen und liegen zu lassen, nicht nach Sinn und Zweck zu fragen und sich bedingingslos auf die Seite dessen zu stellen, der gerufen hat. Immer das gleiche Schema.

Frank Pressler / 02.11.2018

Ideologie und Ignoranz verhindern es, das Problem korrekt zu benennen und Maßnahmen zu ergreifen. Ideologisch-ignorant führend sind dabei die das Kopftuchtragen befürwortenden linken Pseudo- und Genderfeministinnen, die sich bei ihren Bestrebungen, einfach nur aufzufallen und / oder die Gesellschaft umzukrempeln, von der Islamlobby instrumentalisieren lassen. Dabei solidarisieren sich diese ideologisch verblendeten, aber inzwischen politisch recht wirkmächtigen Frauen, die sich als unterdrückte Außenseiterinnen einer reaktionären Umwelt geben, mit einer Lobby, die das Spiel, stets das unschuldige Diskriminierungsopfer zu spielen, perfekt beherrscht.

Chris Groll / 02.11.2018

Ganz ganz großartiger Artikel. Danke!

Wolfgang Kaufmann / 02.11.2018

Reifemäßig unaufdringlichen Menschen verstellt die Ideologie den Blick auf die Realität. Sie mögen Trump nicht, also denken sie, keiner könne Trump mögen. Sie sind von Merkels Mission begeistert, also sehen sie nicht die 27 anderen europäischen Nationen, die sich distanzieren. Sie halten ihre vorauseilende Unterwerfung für die Krone der Humanität, also sehen sie nicht, dass Millionen von Migranten deutlich offensivere Werte leben. Anthony Glees hatte völlig Recht.

Werner Arning / 02.11.2018

Eine an einem auswärtigen Studienort studierende Tochter einer in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Nachbarsfamilie kam vorzeitig auf unbestimmte Zeit nach Hause zurück. Sie sei auf einer Feier gewesen, die unter dem Motto „Feiern ohne Alkohol“ stand. Dort habe man ihr heimlich etwas in ihr nichtalkoholisches Getränk gemixt. Über das, was danach geschah, möchte die Familie nicht reden. Ich habe nur konstatiert, dass das Mädchen (Erstsemester) extrem verstört wirkt und jetzt schon seit Wochen nicht an ihren Studienort zurückkehrt Was ist los in unserem Land?

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