Da haben die Grünen erstmals eine Kanzlerkandidatin nominiert, und dann stiefelt sie von einem Fetteimer in den nächsten. Hoffentlich hält sie bis zum Wahlabend durch.
Gute Geschichten beginnen am Anfang (Copyright Thilo Schneider). Dass eine Partei mit 20-Prozent-plus in Umfragen vor einer Bundestagswahl einen Kanzlerkandidaten stellt, ist ein völlig logischer Vorgang. Erst recht, wenn die bisherigen Konkurrenten ebenfalls um diese Marke herumdümpeln und die bisherige Übermutti aus Altersgründen in den nicht so ganz wohlverdienten Ruhestand geht und die Karten komplett neu gemischt werden.
Wären FDP und AfD nicht so feige, dann hätten sie selbst ebenfalls einen Kandidaten aufgestellt, aber das nur am Rande. Dann hätten wir endlich mal wieder eine Bundestagswahl mit Schmackes und echter Auswahl gehabt! Bundestagswahlen sind Kanzlerwahlen, sind letztlich immer auch Personenwahlen.
Es sah auch ziemlich easy nach einem fröhlichen Durchmarsch mit Regenbogen und Sonnenblumen aus. Die SPD hatte zu diesem Zeitpunkt schon den knorrigen Scholz aufgestellt. Der das Pech hat, dass, wer ihn wählt, mutmaßlich auch Saskia Esken und Sawsan Chebli und einigen anderen SPD-Koryphäen aus dem politischen Schreckenskabinett einen Ministerposten verpasst. Bei der Union war noch nicht klar, ob es der übermotivierte Bayern-Söder oder das Abziehbild eines angegrauten Lateinlehrers wird, der bereits mit der korrekten Tragweise eines Nasen-Mundschutz überfordert ist.
Im Trampolin-Springen ist sie ganz gut
Habeck oder Özdemir hätten bei den Grünen, allein schon aus taktischen Erwägungen heraus, den Zuschlag bekommen müssen. Beide sind jung, beide sind smart und beide reden auch gelegentlich Klartext. Wenngleich nicht immer sinnvollen. Aber ach… Da stand den Grünen jetzt die eigene Agenda im Weg und wer Roth, Göring-Eckardt und Baerbock in eine Reihe stellt – es war klar, dass die beiden Erstgenannten konservative Wähler eher auf- als hinter sich würden bringen können. Also Baerbock.
Annalena Baerbock ist eine Frau, jung, hübsch anzusehen, leidlich intelligent, nicht ungebildet – und das war es dann leider auch schon.
Ihr erstes Bein stellt sich Baerbock, als sie Habeck vor laufender Kamera in dem Duktus „Ich Völkerrechtlerin, Du Schweinebauer“ düpiert. Ich glaube nicht einmal, dass sie das böse gemeint hat, sie wollte nur „die unterschiedlichen Welten“ darstellen, kam dabei aber in ihrer Unbedarftheit arrogant und etwas verächtlich rüber. So isse halt, die Annalena.
Dann stellt sich heraus, dass sie zwar „irgendwas mit Völkerrecht“ irgendwie irgendwo irgendwann gemacht hat, aber mit den entsprechenden Scheinen echten Akademikern nur ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann. Immerhin hat sie ihren Lebenslauf „konkretisiert“ (wie man seit Neuestem das Korrigieren von Hochstapelei nennt) – allerdings steht jetzt auch nicht wesentlich mehr als vorher darin. Im Trampolin-Springen ist sie ganz gut. Das kann ihr niemand nehmen. Will auch keiner. Sie ist halt einfach Annalena.
Schlicht an das Peter-Prinzip gekracht
Danach die extrem verhaspelte Rede auf dem Grünen-Parteitag, bei der sie fleißig und vor lauter Aufregung „Wechsstaben verbuchselt“, Begriffe vertauscht und immerhin die Selbsterkenntnis hat, ihre eigene Rede „scheiße“ zu finden. Ehrlich, ladgrienig, unwervechselbar. Annalena eben.
Dann kommt „ihr“ „Buch“ heraus: Bestehend aus fröhlich zusammengeklöppelten Versatzstücken richtiger Autoren und damit in etwa so gehaltvoll wie einer ihrer lustigen und purzelnden Redeschwalle. Und Annalena fällt dazu nichts Besseres ein als: „Kein Autor schreibt sein Buch allein“. Nun ist Annalena nicht Hemingway, der ganz allein seine Bücher schrieb (okay, Alkohol war hilfreich), aber sogar ich schaffe es, mein Buch allein zu schreiben. Sozusagen „Schreiben, ohne abzuschreiben“. Ich will aber nicht Kanzler werden. Noch nicht. Aber so denkt sie halt, die Annalena.
Woran liegt es? Ich mutmaße, Annalena Baerbock ist schlicht an das Peter-Prinzip gekracht, also „bis zur Stufe ihrer Inkompetenz befördert worden“. Baerbock ist sicher kein schlechter Mensch, nicht verkehrt, fröhlich und nett und als Firmeninhaber (der ich auch als Wähler bin) würde ich sie jederzeit die Betriebsfeier organisieren lassen. Ich schwöre, es stünden da sogar frische Blumen auf dem Tisch und jeder würde sich wohl fühlen. Prokura würde ich ihr lieber nicht geben, damit würde sie Unsinn machen und diese als „offizielle Auskunftei“ getarnten Betrugswerbeanzeigen zahlen, die einem ja gelegentlich in die Firma flattern. Und mehr Prokura als eine Kanzlerin hat, geht nicht, sorry.
Es ist einfach nur so, dass Baerbocks Treten von einem Fett-Eimer in den Nächsten (von „Näpfchen“ kann schon lange keine Rede mehr sein) etwas von einer Slapstick-Komödie hat und ich stelle mir vor, wie eine Annalena „von wo aus dem Völkerrecht kommen tut“ dereinst einem Putin oder Erdogan oder irgendeinem Terrorfürsten der Hamas gegenübersteht (oder, in angemessener Entfernung, gegenübersitzt). Wie soll das gehen? Die Reibungshitze beim Ziehen über den Tisch wird eine Kanzlerin Baerbock als menschliche Wärme interpretieren! Da ist das Heulen und Zähneklappern hinterher doch schon vorher programmiert? Annalena Baerbock ist keine Margaret Thatcher, keine Golda Meir und nicht einmal eine Angela Merkel, Gott behüte! Annalena ist einfach nur Annalena.
Wanken und Schwanken in viel zu großen Schuhen
Das reicht dicke für den Ortsvorstand der Grünen in Hasenheide-Buntekuh – zur Kanzlerin reicht es nicht. Baerbock kann weder intern noch extern mit Widerspruch umgehen, wie ihre verzweifelt um sich schlagenden Reaktionen zeigen. Sie wirkt wie ein verzogenes Kind, das nie eine Gegenrede erhielt, das immer machen konnte, was es wollte, weil es doch so niedlich aussah und sonst geweint und getobt hat. Und für Selbstverständlichkeiten und Mittelmaß über den sprichwörtlich grünen Klee gelobt wurde. Und ja – sie tut mir leid. Ein bisschen. Sie ist sicher mit den besten Absichten gestartet, wollte Deutschland ein neues, ein junges – aber damit auch leider unbedarftes und naives Gesicht geben. Was vom Grunde her zu großen Teilen der teilzeitarbeitenden woken Bevölkerung gepasst hätte.
Falls Annalena Baerbock nicht bis zur Wahl ausgewechselt wird, wird sie tapfer am Wahlabend vor der Kamera stehen und trotzig „die volle Verantwortung übernehmen“ und alle Welt beschuldigen, sich gegen sie verschworen zu haben. Bis heute ist bei ihr und ihren Parteifreunden nicht angekommen, dass sich Kritik nicht deshalb manifestiert, weil Annalena eine Frau ist, sondern obwohl sie eine ist. Man muss als (grüne) Frau wirklich viel in den Sand setzen, um wie ein weit weniger fehlerhafter Mann behandelt zu werden. Bisher war das alles noch vergleichsweise nett!
Ich für meinen schlechten und bösartigen Teil hoffe, dass Baerbock noch bis zum Wahlabend durchhält. Einfach, weil ich es mag, sie in viel zu großen Schuhen wanken und schwanken und schusselig wie in einem Comic rudern zu sehen. Ich bin da vielleicht etwas sadistisch. Und nur ein bisschen habe ich Angst, dass Totgesagte länger leben. Sonst gäbe es ja auch die FDP schon lange nicht mehr. Fakt ist jedoch, dass das weibliche Spitzenpersonal der Grünen das fleischgewordene Gegenargument zur sogenannten „Frauenquote“ ist.
(Weitere Bärböcke des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.