@Gertraude Wenz: Ich stimme Ihnen zu. Ich bin als Fachärztin für Nuklearmedizin auf diesem Gebiet zwar nicht so qualifiziert, aber als Mathematik- UND Russisch-Olympiaden-Gewinnerin in der Schulzeit kann ich mir schwer vorstellen, dass sich die beiden Talente tatsächlich ausschließen. Gerade in der Medizin braucht man eigentlich beide Begabungen: die sprachliche, um alle anatomischen Strukturen, Medikamente usw. auswendig zu lernen (und natürlich auch für die Kommunikation mit den Patienten) - die naturwissenschaftliche, um zu verstehen, was da so im Körper abläuft. Natürlich ist nicht bei jedem Kollegen beides in gleichem Maße vorhanden, aber ich fand es in Studium und Beruf immer recht hilfreich. Ich bin kein Einstein und denke mal sequentiell und mal simultan. Mit einem IQ von 137 (99. Perzentile) bin ich aber auch nicht ganz dumm. Und deshalb lasse ich mich auch nur sehr ungern von grünen Studienabbrechern belehren. Im Gegensatz zu diesen kann ich wenigstens meine Fähigkeiten realistisch einschätzen und lasse musikalische, handwerkliche und sportliche Aktivitäten deshalb lieber sein.
“In der „geisteswissenschaftlichen Welt“ gab es seit der Aufklärung praktisch keinen Fortschritt. Die durch andere Denkweisen geprägte Welt hingegen plant Flüge zum Mars”, so Frau Heinisch. Oha, woher kommt diese profunde Erkenntnis? Meine Hypothese: Das ist Selbsthaß pur (und eine Portion Neid auf die Allmacht der “objektiven” Naturwissenschaften). So weit ich weiß, hat die Autorin die Rechte studiert, also auch so eine Art “Geisteswissenschaft”. Ich will gern glauben, daß das ihrer persönlichen “einzelheitlich-sequentiellen Denk- beziehungsweise Verarbeitungsweise” nicht aufgeholfen hat. Immerhin kann sie damit ihr Brot verdienen. Das ist ja auch schon mal was.
Gute Lehrer waren in meiner Zeit—zwischen 1960 und 1980—eher konsequent und gnadenlos. Da flog so manches Wort her und der Schwamm, jedoch nie zurück. Niemand wurde gedemütigt. Komisch aber typisch: Die Namen vieler anderer habe ich vergessen oder muss bei Klassenfotos schwer nachdenken. Der Techniker ist ein Individualist, der die Arbeitsteilung als unverzichtbar verinnerlich hat. Der Arbeitgeber oder Kunde kauft ihm nur Nützliches ab.
In manchen Ansätzen zutreffend, Frau Heinisch, so ist in der Tat in der Produktion eines massenhaften Akademikerprekariats über die vergangenen 40 Jahre erst der Treibstoff für den derzeitigen Wahn geschaffen worden, und der Grund zu suchen, warum sich in allen Schaltstellen der Gesellschaft der Typus des nassforschen Einschleimers durchsetzen konnte - und doch fällt Ihr Erklärungsansatz zu kurz aus: er erklärt nämlich nicht die STOßRICHTUNG der derzeitigen Politik - die alte politische Elite Großbritanniens mag dünkelhaft und auf vielen Feldern inkompetent gewesen sein. Aber es wäre ihr nie eingefallen, Millionen von Troglodyten ins Land zu holen und diese auf die eigene working class zu hetzen. Der konservative Unternehmer und Landbesitzer wusste, was er an “guten Leuten” zu schätzen hatte, so wie das jeder gute Unternehmer heute auch weiß. Auch in diesem Forum müsste endlich einmal über geostrategische Interessen und deren Verflechtung mit bestimmten ökonomischen Sichtweisen (und Fehlinterpretationen) gesprochen werden, sowie darüber, wie sich diese Interessen mit denen des oben angesprochenen akademischen Prekariats (in ALLLEN westlichen Ländern übrigens) auf perverse Weise überschneiden. Und nein, das ist KEINE Verschwörungstheorie, sondern nichts als gute alte Soziologie und Milieu- und Elitentheorie - worüber sich gerade die Begründer der modernen Sozialwissenschaften wie Michels, Simmel und Halbwachs schon vor hundert Jahren die Griffel blutig geschrieben haben, die sich aber die Zeitgeistkritiker von heute zu fein sind zu lesen - auch das eine Folge der geistigen Prekarisierung unserer Universitäten.
Alles Spekulation und Stochern im Nebel. Die Behauptung, die Misere der britischen Wirtschaft in den späten 70er sei der Ausbildung der Eliten in Oxford geschuldet (und noch dazu deren “begrifflichen Denken”) ist hahnebüchen. Und wenn doch, stellt sich die spannende Frage, warum Frau Thatcher, die nicht minder “begrifflich” gedacht (und Naturwissenschaften in Oxford studiert hat), dann die Karre aus dem Dreck gezogen hat. Tut mir leid, selten einen Artikel hier gelesen, der in luftigeren Höhen schwebt - und zugleich dieses Schweben in luftigen Begriffswolken auch noch als den Urgrund eines Systemmangels ausfindet macht. Wie hätte das Karl-Otto Apel mit Inbrunst bezeichnet: “performativer Selbstwiderspruch”. Das Bildungssystem Humboldts hat übrigen Einstein hervorgebracht, der vielleicht “in Bildern” gedacht haben mag, aber dessen physikalisch-theoretisches Werk gleichwohl nichts anderes ist als angewandte Mathematik. Und Herrn Einstein möchte ich nicht zum Regierungschef haben. Jeder dorthin, wo er hingehört nach Begabung, Ausbildung, Leistung und Befähigung. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Begriffliches, rationales und logisches Denken verschwindet aus dem politischen Diskurs, was jeden Tag immer klarer zu Tage tritt. Boshaft gesagt: Die Politik ist weiblicher geworden. “Sinnlicher” könnte man auch sagen. Bildhafter. Jetzt kriegt der politische Gegner “eins auf die Fresse”, wenn man nicht gleich zum Ergebnis kommt, dass er “sie nicht alle hat”. Das, was hier als die Wurzel allen Übels hingestellt wird, ist in Wahrheit deren Heilmittel. Ein trockener, bildloser, entsinnlichter, rationaler Dialog, an dessen Ende eine Entscheidung steht, die auf Vernunftsgründen beruht. Davon entfernen wir uns immer mehr. Mehr Humboldt ist die richtige Antwort, mehr Goethe aber auch. Und ist alles Maß verloren gegangen.
Zum «Orakel von Coventry» kommt mir ein kürzlich gelesenes Märchen in den Sinn: Ein Herrscher möchte mit seinem Volk den angestammten Lebensraum auf der Suche nach einem besseren verlassen und ist der Ansicht, dass die Alten seines Volkes für dieses Unterfangen eine Last seien.Er gibt daraufhin den Befehl sie zu töten .Alle folgen dem Befehl, ausser einem jungen Mann,der seinen alten Vater in einen Sack steckt und ihn heimlich auf die beschwerliche Reise mitnimmt. Unterwegs stehen der Herrscher und sein junges Gefolge immer wieder vor unerklärlichen Phänomenen und existentiellen Herausforderungen, auf die niemand eine Antwort bereithält, sie zu lösen aber unter Androhung von Strafe befohlen wird.Das Los entscheidet. Nach einigen unglücklichen Lösungsversuchen anderer ,trifft es auch immer wieder den jungen Mann .Dieser fragt nachts heimlich seinen alten Vater ,der sich alles schildern lässt und ihm Ratschläge zur Lösung gibt. Am Ende offenbart der junge Mann dem erstaunten Herrscher, wessen Ratschlägen er und sein Volk ihr Überleben zu verdanken hätten.Dieser besinnt sich und der Alte darf nun offen mitreisen.
Unsere Unis brüten in der Tat Gleichgeschaltete aus, während sie Andersdenkende ausmerzen. Ich habe noch einen Magister in Neuere Deutsche Literatur, Ältere Deutscher Philologie und English Linguistics gemacht, nach dem Vordiplom in BWL wollte ich das nicht mehr studieren, denn ich musste meine Statistik-Klausuren jedesmal wiederholen und hatte am Ende eine Karriere, die von keiner meiner Studium wirklich profitierte. Mein Sohn und meine Tochter sind diesbezüglich aus väterlicher Sicht erfolgreicher und wesentlich pflegeleichter. Warum dieser Vorlauf, ich kann auf meine Erfahrungen und die meiner Kinder in Bauingenieurwesen und Anglistik stützen und etwas feststellen, was im Artikel vermieden wurde: Linkes Gedankengut und Ideologien- und Personenkult ist in den Literaturwissenschaften omnipräsent, bis hin zum radikalen Feminismus. Man sollte mit Niklas Luhman konform gehen und Joss Whedon vergöttern, hilft zumindest an einer gewissen Uni. Ich hatte bereits damals damit zu kämpfen. Im Bauingenieurwesen und BWL scheint der etwas verschrobene Statistik-Professor eine Konstante zu sein. Die Naturwissenschaftler setzen sich wenn es um Uni-Politik geht meiner Ansicht nach weniger gut durch als die Sprach- und Politikwissenschaftler. Ganz pauschal gesagt! Weltbild und Einstellung, auch Sympathie und Antipathie beinflussen Noten und Erfolg an der Uni bei letzteren erheblich. Das sollte nicht sein. Das zerstört den Ruf der Literaturwissenschaften zu Recht. Wenn drei Gören in der Vorlesung zur Ruhe gebeten werden mit den Worten “Mädchen, jetzt seid doch bitte mal leise, oder geht raus”, und dem Dozenten daraus ein Strick gedreht werden soll, weil die 17-18 jährigen Frauen durch das Wort Mädchen diskriminiert wurden, nun, ja, so etwas wird an der Uni bis in höchste Gremien verhandelt.
Interessanter Ansatz, aber das menschliche Gehirn ist so vielschichtig, daß es mir sehr kühn erscheint, ein so komplexes Organ auf zwei Ausrichtungen festzulegen. Es würde schon die Fähigkeit des Menschen zur individuellen Weiterentwicklung, und der bewußten Reflexion über seinen Geisteszustand relativieren. Ich denke die Dinge sind weitaus banaler. Die Schulbildung bot (zu meiner Zeit) die Möglichkeit sich sowohl in einzelheitlich-sequentieller, als auch naturwissenschaftlich-bildhaft-simultaner Weise fortzubilden. Eine dieser beiden Entwicklungsrichtung konnte schon früher aufgrund eines unfähigen Pädagogen ins Stocken geraten. Und wer glaubt denn, daß Merkel oder andere despotische Führungsgestalten nach diesen beiden möglichen Denkmustern handeln? Es geht in der evolutionär angelegten Struktur des Gehirns um Triebfedern wie Macht über andere Menschen, und das damit verbundene Gefühl des Selbstbewußtseins und der Befriedigung. Sicher sind diese chemischen Prozesse des Gehirn durch Erbe ( hauptsächlich, hallo Herr Sarrazin!) und teilweise auch Sozilisation bei jedem Menschen verschieden ausgeprägt, aber diese Triebe dominieren Mensch und Tier. Die Herangehensweise, also sprachlich oder naturwissenschaftlich sich einem Thema zu nähern, denke ich, ist eher marginal auf dem Weg zum Ziel. Der Mensch ist für den Lebenskampf geschaffen. Lebt er bequem, wird er träge und manipulierbar. Die äußeren Bedingungen auf der Welt waren noch nie so gut wie heute. Darum leben Grüne von der Angst der irgendwann, eventuell, eintretenden Verschlechterung!
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