Heute ist der 8. Dezember: Mariä Empfängnis. In Österreich, Liechtenstein und den katholisch geprägten Kantonen der Schweiz sowie in Argentinien, Spanien, Chile, Nicaragua, Portugal, Kolumbien, Italien und Malta ist Mariä Empfängnis ein gesetzlicher Feiertag.
Kaum ein katholisches Dogma wird so weitläufig missverstanden wie das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias. Machen Sie mal den Test und fragen Sie, gerne auch einen Katholiken, was das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias besagt, und Sie werden mit Sicherheit überwiegend die Antwort hören, das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias besage, dass Maria Jesus als Jungfrau empfangen hat.
Falsch! Genau darum geht es in diesem Dogma nicht. Würde es darum gehen, müsste es heißen: „Die unbefleckte Empfängnis Jesu“, da Jesus ja empfangen wurde. Hier aber geht es um die unbefleckte Empfängnis Marias.
Auf natürlich Weise gezeugt, aber ohne Erbsünde
Es kann sich schon allein deswegen nicht um die Empfängnis von Jesus handeln, da Jesus ja nicht mal drei Wochen nach dem 8. Dezember geboren wird. Was aber wird neun Monate nach „Mariä Empfängnis“ am 8. August gefeiert? „Mariä Geburt“!
An „Mariä Empfängnis“ geht also darum, wie Maria von ihrer Mutter Anna empfangen wurde, und die vollständige Bezeichnung des Festes macht es auch deutlich, denn sie lautet: „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria.“
Das Dogma der unbefleckten Empfängnis (lat. immaculata conceptio) besagt, dass Maria von ihren Eltern Anna und Joachim zwar auf natürlich Weise gezeugt, dieser Akt jedoch von jedem Makel der Erbsünde bewahrt wurde. Da für Katholiken Maria die Mutter Gottes ist, muss Maria einfach vom ersten Augenblick ihres Lebens an vor der Sünde bewahrt sein, da Gott ja sonst aus der Sünde geboren worden wäre. Geht aber nicht, sagt die Katholische Kirche, und was nicht passt, wird passend gemacht. Die Protestanten sehen das nicht so eng und sagen sich, wenn Gott schon unbedingt Mensch werden wollte, dann bitte auch mit allen Konsequenzen.
Im Evangelium wird die Mutter von Maria kein einziges Mal erwähnt. Sie taucht lediglich in apokryphen Schriften auf. Deswegen ist es bis heute völlig ungeklärt, wie der unbefleckte Zeugungsakt von Maria stattgefunden haben soll. Es ranken sich unglaublich viele Legenden darum. Eine Legende besagt, dass Anna ihren Mann und Züchter Joachim kennenlernte, als er gekommen war, um die Tiere seiner Herde im Tempel zu opfern. Als er seine Schafe im Bethesda-Teich beim Schaftor wusch, sah ihn Anna, die an diesem Stadttor stand. Nach zwanzigjähriger kinderloser Ehe wurde die Ehe jedoch geschieden. Daraufhin zog sich Joachim verzweifelt in die Wüste Juda zurück. Dort soll ihm dann ein Engel das Kommen eines Kindes angekündigt haben, worauf er zu Anna zurückkehrte.
Bretonische Prinzessin
Eine ganz besondere Legende über Anna findet sich in der Bretagne. Dort glauben viele Menschen, dass Anna eine bretonische Prinzessin gewesen sein soll, die während ihrer Schwangerschaft von Engeln ins Heilige Land gebracht wurde, um dort ihre Tochter zu gebären.
Der Journalist Gustave Geffroy berichtete im Jahr 1903, dass Anna mit einem bösen und eifersüchtigen Herrn verheiratet war, der Kinder hasste und keine haben wollte. Als er daher feststellen musste, dass Anna schwanger geworden war, misshandelte er sie und warf sie raus. Anna ging zum Meer, wo sie dann ein Licht sah. Geffroy schreibt:
„Es war ein Boot, das von einem Engel geführt wurde. Sie kam dort an, segelte lange, lange und landete schließlich in Judäa, wo sie die Jungfrau Maria zur Welt brachte.“
Danach soll Anna in die Bretagne zurückgekehrt sein, und ihr Enkel soll sie dort sogar besucht haben. Geffroy berichtet:
„Jahre und Jahre nach ihrer Rückkehr wurde sie von ihrem Enkel Jesus besucht, der gekommen war, um seinen Segen zu erbitten, bevor sie anfing, das Evangelium zu predigen. Jesus ließ auf Wunsch seiner Großmutter einen Brunnen erstehen, in dessen Nähe die Kapelle errichtet wurde, die den Kranken und Elenden Zuflucht bieten sollte. Als Anna starb, suchte man überall, aber vergeblich, nach ihren Überresten; sie wurden erst viele Jahre später beim Baden in den Wellen gefunden, mit Muscheln übersät.“
Jesus war ein Jude, weil seine Mutter Jüdin war. Maria aber kann nur dann eine Jüdin gewesen sein, wenn ihre Mutter auch Jüdin war. Das ist der Grund, warum lokalen Überlieferungen zufolge Anna entweder nach Verfolgung oder zur Buße in die Bretagne reiste und zwar nach La Palue, am Ende der Bucht von Douarnenez.
Wie sich dieser Glaube in der Bretagne entwickeln konnte, führen Kulturwissenschaftler auf die Göttin Ana zurück, die vor der Christianisierung der Bretagne dort als Urgöttin und Mutter der Menschen verehrt wurde. Was aber auch immer am Anfang stand, heute wird die unbefleckte Empfängnis Marias gefeiert.