Man kennt das Muster aus Gaza: die korrupte, von Hamas-Leuten durchsetzte UN-Organisation UNRWA als Schutzschild und Cover für islamischen Terror. Die UN fungiert, von den westlichen Staaten bezahlt, offen als Helferin ihrer gefährlichsten Feinde, der islamischen Milizen wie Hisbollah und Hamas.
Zu viel von einer Sache wirkt oft kontraproduktiv. So ist es mit den UN-Resolutionen gegen Israel: Es gibt ihrer einfach zu viele, um sie noch ernst zu nehmen. Inzwischen rund zweihundert Israel betreffende Resolutionen der Vollversammlung und weitere 229 des UN-Sicherheitsrats.
„Die Organisationen der UNO verabschieden jedes Jahr mehr Resolutionen, die sich gegen den Kleinstaat Israel richten, als solche gegen alle anderen Staaten der Welt zusammen“, schreibt die Schweizer Politikerin Marianne Binder-Keller. „Im Jahr 2018 beispielsweise, waren es 21 von 26. Gut 80 Prozent aller UN-Verurteilungen wegen Menschenrechtsverletzungen richten sich folglich gegen die einzige Demokratie im Nahen Osten.“
2022 kam es zu 15 Verurteilungen Israels durch den Sicherheitsrat, während Nordkorea, Iran, Myanmar und Syrien nur je einmal verurteilt wurden. Zudem gab es zwischen 2006 und 2024 weitere 108 Verurteilungen durch den UN-Menschenrechtsrat, aber im gleichen Zeitraum nur 17 gegen Nordkorea und nur 15 gegen Iran, das Land mit der weltweit höchsten Quote für Hinrichtungen und Folter. Kein noch so blutiges Regime der Welt wird mit solcher Gnadenlosigkeit an den Pranger gestellt wie Israel. Nach den Abstimmungen der UN erscheint Israel als der mit Abstand verwerflichste, unmenschlichste und kriegerischste Staat der Welt.
Das UN-Abstimmungsverhalten wird von der Organization of Islamic Cooperation diktiert
Lohnt es, alle diese Resolutionen, mehrere hundert insgesamt, alle diese Empfehlungen und Auflagen, diese Verpflichtungen und Ermahnungen, genauer zu betrachten? Man findet Muster und Leitmotive, Stoff für mehrere Doktorarbeiten. Für Juristen, die sich mit den Absurditäten des Völkerrechts beschäftigen wollen. Die Resolutionen sind in sich nicht konsistent, sie widerspiegeln verschiedenes Völkerrecht und die Wandlungen, die das, was sich so nennt, im Lauf der Jahrzehnte erfahren hat. Völkerrecht ist weniger eine Frage der Kodifizierung als der Übereinkunft, daher der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse. Und die Vereinten Nationen waren im November 1947, als sie mit der berühmten Resolution 181 (II) eine Aufteilung des verbliebenen britischen Mandatsgebiets in einen arabischen und einen jüdischen Teil empfahlen und damit den Weg freigaben für die Gründung des Staates Israel, eine vollkommen andere Körperschaft als heute. Damals überwogen – bei nur 51 Mitgliedern – die westlichen oder mit dem Westen kooperierenden Länder, denen nach dem Schock des Holocaust mehrheitlich an der Entstehung eines jüdischen Staates lag.
Inzwischen wird das UN-Abstimmungsverhalten von der heute mächtigsten Staatengruppe diktiert, der Organization of Islamic Cooperation (OIC), der 56 islamische Staaten angehören und die damit weitgehend die Gruppe der Blockfreien Staaten (insgesamt 120) dominiert, die unter den 193 UN-Mitgliedstaaten immer die Mehrheit bildet. So dass von der islamischen Staatengruppe vorgeschlagene Resolutionen gegen Israel automatisch eine Mehrheit in der Vollversammlung haben. Explizite Israel-Verurteilungen durch den UN-Sicherheitsrat sind seltener als durch die Vollversammlung, weil im Sicherheitsrat jede Resolution durch das Veto eines einzigen der ständigen Mitglieder zu Fall gebracht werden kann.
Vor acht Jahrzehnten, im Zuge der Gründung der Vereinten Nationen, war auch zu entscheiden, wie mit den von der Vorgänger-Institution, dem Völkerbund, vergebenen Mandaten – darunter dem britischen „Palästina-Mandat“ – in Zukunft umzugehen sei, und man beschloss mehrheitlich, die Rechtslage der Mandate beizubehalten, also das, was vom Völkerbund festgelegt worden war, im Wesentlichen zu belassen. Das bedeutete, dass „die Schaffung einer Heimstätte für das jüdische Volk“ („the establishment of a Jewish national home“) und die „dichte Besiedelung durch Juden“ („close settlement by Jews on the land“) im gesamten britischen Mandatsgebiet weiterhin geltendes Völkerrecht blieb. Die Regelung entfiel für die Teile des Mandatsgebiets, in denen das Völkerbunds-Mandat durch eine neue Staatsgründung erloschen war, also zunächst das 1923 von den Briten eigenmächtig vom Mandat abgetrennte Gebiet des heutigen Jordanien (um ihren Allierten im Ersten Weltkrieg, Abdallah ibn Hussain, zu belohnen), später, 1948, das Gebiet des Staates Israel. Doch im Westjordanland und Gaza, wo bisher keine Staatsgründung erfolgt ist, gilt nach wie vor die 1947 von den Vereinten Nationen beschlossene Fortsetzung der Rechtslage des Mandatsgebiets, mit anderen Worten: die fortgesetzte Besiedelung dieses Gebietes durch Juden.
Den „israelisch-arabischen Konflikt“ gibt es nicht mehr
Von daher ist die in deutschen Medien, inzwischen auch in deutschen Schulbüchern übliche Behauptung, der Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland verstoße „gegen das Völkerrecht“, grundsätzlich falsch. Andererseits haben die neuen Mehrheitsverhältnisse in der UN durch immer neue Resolutionen, die schrittweise die Festlegungen von 1947 zugunsten der islamischen Staatengruppe verschoben, de facto für eine Art neues Völkerrecht gesorgt, für ein Gewohnheitsrecht, das von der Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten getragen wird. Dabei hat die UN, um ihren Satzungsdokumenten treu zu bleiben, die völkerrechtlichen Regelungen für die Mandate niemals widerrufen. Von den israelischen Siedlern wird daher das neue Gewohnheitsrecht nicht anerkannt, sie bauen – wenn auch immer wieder von der eigenen Regierung und durch internationalen Druck behindert – weiterhin neue Siedlungen im Mandatsgebiet Westjordanland, unter Berufung auf das Völkerrecht des Völkerbundes, das 1947 von den Vereinten Nationen als weiterhin gültig anerkannt und nie offiziell widerrufen wurde. Heute verurteilen zahlreiche UN-Resolutionen den Siedlungsbau, doch ihre Gültigkeit ist durch das hier bestehende Dilemma des Völkerrechts grundsätzlich fragwürdig.
Zahlreiche UN-Resolutionen gelten der militärischen Besatzung des Westjordanlandes durch israelische Truppen. Diese ist nicht durch Völkerrecht begründet, daher illegal. Der israelische Staat rechtfertigt seine militärische Präsenz in den sogenannten „Palästinenser-Gebieten“ mit der Sicherung der jüdischen Siedlungen, die ihrerseits, nach der UN-Satzung von 1947, im Sinne des Völkerrechts legitim ist. Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 weiß die ganze Welt um die Notwendigkeit dieser Vorsorge. Denn schutzlose jüdische Siedlungen würden von Massakern und Plünderungen heimgesucht wie an jenem Oktobermorgen die Kibuzim an der Gaza-Grenze. Die Erfahrung des 7. Oktober hat Israel in der Überzeugung bestärkt, dass die Forderungen der meisten an Israel gerichteten UN-Resolutionen praktisch unausführbar sind. Dass ihre Ausführung in vielen Fällen für Israel existenziell bedrohlich wäre. Hätte der Staat Israel versucht, den ihn betreffenden UN-Resolutionen zu folgen, würde er nicht mehr existieren.
Manches hat sich inzwischen auch einfach erledigt. Allein zwischen dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und 1989 erließ der UN-Sicherheitsrat die Rekordmenge von 131 Resolutionen, die sich mit dem „israelisch-arabischen Konflikt“ beschäftigen. Doch den „israelisch-arabischen Konflikt“ gibt es inzwischen nicht mehr. Die meisten arabischen Staaten halten, offen oder verstohlen, im derzeitigen Krieg zu Israel. Und tun es eigentlich schon seit 2009. Die Minderheit der noch gegen Israel kämpfenden Araber, seien es „Palästinenser“, Schiiten im Libanon oder Huthi im Jemen, stehen inzwischen im Sold des persisch-schiitischen Mullah-Regimes in Teheran, also einer nicht-arabischen Macht, die mit den arabischen Staaten der Region verfeindet ist wie mit Israel. Hier verläuft die eigentliche Konfliktlinie unserer Tage: zwischen dem Iran nebst von ihm unterhaltenen Milizen einerseits und Israel und den sunnitisch-arabischen Staaten andererseits.
Guterres hat eine lange Vorgeschichte als Israel-Hasser
Somit könnte man diese 131 Resolutionen zu den Akten legen: Sie sind von Interesse für Historiker, aber irrelevant für die gegenwärtige politische Situation. Auch die zahlreichen Resolutionen, die zum Abzug der israelischen Besatzungstruppen aus dem Westjordanland aufrufen, sind obsolet: Zu einem solchen Abzug kann und wird es sobald nicht kommen, es sei denn, Israel entwickelte plötzlich suizidale Tendenzen. Bisher ist davon nichts zu merken, der Überlebenswille der meisten Israelis ist ungebrochen. Sie verstehen die UN als Instrument der ärmeren, zurückgebliebenen Länder, Druck auf den reichen Westen auszuüben, unter anderem mit einem ständigen Palästina-Hype, einer von der Organization for Islamic Cooperation immer wieder neu angefachten Hysterie. Sie funktioniert auch recht gut: Die westlichen Länder zahlen jährlich Milliardensummen an die korrupten Regimes und „failed states“, die von der UN profitieren und ihre Hilfsgelder nicht selten veruntreuen. Daher denken die meisten Israelis an der UN vorbei. Sie sehen nicht ein, warum sie diesem Betrieb zuliebe die Existenz ihres Landes riskieren sollen.
Nach Jahrzehnten ungerechter Behandlung durch die UN genießt diese Organisation bei Israelis verständlicherweise so gut wie kein Ansehen mehr. Den meisten ist die in ihren Augen korrupte UN-Administration nicht mal mehr ein Schulterzucken wert. Spannungen der eigenen Regierung mit dem Gremium, sogar eine aus westlicher Sicht übertrieben anmutende Maßnahme wie die Erklärung des derzeitigen UN-Generalsekretärs Guterres zur persona non grata, verbunden mit dem Verbot seiner Einreise, sind hierzulande weitgehend populär. Guterres hat eine lange Vorgeschichte als Israel-Hasser, schon vor seiner UN-Karriere, als Präsident der Sozialistischen Internationale. Er ist für viele Israelis zum Symbol der Israel-feindlichen Haltung dieser Organisation geworden.
Wie wenig UN-Resolutionen wert sind, sieht man an der dieser Tage erneut ins Bewusstsein gerückten Resolution 1701 von 2006. Sie verlangt die Entwaffnung der islamischen Kampfgruppe Hisbollah im Libanon und ihren Abzug hinter den Litani-Fluss – nichts davon ist bisher, achtzehn Jahre später, auch nur andeutungsweise geschehen. Gleichfalls versagt hat die sogenannte „Friedenstruppe“ der UN-Organisation UNIFIL: In unmittelbarer Nähe ihrer Kontrollposten konnte die Hisbollah Tunnel graben, exzessiven Waffenschmuggel betreiben und Basislager aufschlagen, angeblich von den „Blauhelmen“ unbemerkt. Der Eindruck entsteht, die „UN-Friedenstruppe“ beschränke sich ganz darauf, die Aktivitäten Israels zu überwachen und zu denunzieren, während sie die Hisbollah gewähren lässt. Das neue Völkerrecht ist das der dominierenden islamischen Staaten. Die „Weltordnung“, von der die westlichen Gründer der UN träumten, ist längst umgekippt – zu ihrem Schaden. Man kennt das Muster aus Gaza: die korrupte, von Hamas-Leuten durchsetzte UN-Organisation UNRWA als Schutzschild und Cover für islamischen Terror. So fungiert die UN, von den westlichen Staaten bezahlt, offen als Helferin ihrer gefährlichsten Feinde, der islamischen Milizen wie Hisbollah und Hamas. Spätere Generationen werden sich wundern über so viel Leichtsinn und Perversion.
Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist am 12. Oktober in der Zeitschrift CATO erschienen.
Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland. In der Achgut-Edition ist von ihm erschienen „Der Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel