Von Moritz Mücke.
In dem paradigmatisch-amerikanischen Roman „Der große Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald gibt es eine Schlüsselszene, in welcher der schwerreiche Jay Gatsby seiner Geliebten Daisy Buchanan in deren Abwesenheit attestiert, ihre Stimme sei „voller Geld“. Es war einer der klareren Momente im Leben des Gatsby, des Romantikers, der in seinen dionysischen Partys „Sternenlicht an gewöhnliche Motten“ verabreichte, wie Fitzgerald es nannte. Aber die Bemerkung zu Daisys monetären Stimmbändern beweist: Gatsby war sich durchaus bewusst, dass seine große Liebe an seinem großen Vermögen eventuell nicht ganz uninteressiert war.
Auch Donald Trump hat so eine Stimme, in deren schillernder Wucht man das Klingeln von Münzen auszumachen glaubt. Ergänzt wird das Klangbild freilich durch seine unmögliche Frisur, die ihm wie ein Implantat auf dem Kopf sitzt und deren Platinblondheit eine besondere Bonitätsnote zu versprühen scheint. Bei all den überstürzten Rassismusvorwürfen, mit denen die amerikanische Linke den Republikaner überhäuft, wird gerne vergessen, dass Trump gar nicht weiß ist, sondern golden.
Und das kommt an. Genau wie das Ansehen Jay Gatsbys in den Augen seiner Geliebten proportional zu seinem Reichtum in die Höhe kletterte, so steigt auch Trumps Wert beim amerikanischen Wähler durch sein beeindruckendes Portfolio, das als Zeugnis besonderen Erfolgs und Talents betrachtet wird. Politisch aber hat Trumps Reichtum noch einen anderen Vorteil, der weit über das lediglich Materielle hinausgeht, nämlich die Tatsache, dass sein Vermögen ihn von Wahlkampfspenden unabhängig macht. Indem Trump seinen Wahlkampf selbst finanziert, entzieht er sich dem politischen Dauervorwurf, er sei käuflich oder Gefälligkeiten schuldig.
Wie stark dieser Vorzug den Primary-Wählern imponiert, ist nicht zu unterschätzen, denn die Amerikaner halten ihren Bundesstaat für durchaus korrupt, was Umfragen zur Unbeliebtheit des Kongresses allenthalben untermauern. Allerdings manifestiert sich die Ablehnung der unheiligen Allianz zwischen Geld und Politik in der Regel auf der linken Seite des politischen Spektrums. Hier ist der sich ebenfalls um die Präsidentschaft bewerbende (Sozial-)Demokrat Bernie Sanders das Spiegelbild von Trump. Beide unterstreichen die Notwendigkeit einer reineren, von Wirtschaft und Eliten unabhängigen Politik. Doch während der heillos unbegabte Sanders der politischen Arena per Gesetzen den Geist des Geldes austreiben will, stützt sich Trump auf sein Privatvermögen, welches ihn dem Reich der Notwendigkeiten scheinbar enthebt.
Was bei Linken schon aus ideologischen Gründen als verrucht gilt, nämlich der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik, ruft in diesem Wahlzyklus auch bei den Republikanern Abscheu hervor. Verraten fühlen sich viele an der konservativen Basis vom Partei-Establishment und deren Rumgeschmuse mit der amerikanischen Handelskammer und Großkonzernen. Allzu oft nämlich richten letztere an republikanische Politiker den mit Wahlkampfspenden untermauerten Wunsch nach billigen Arbeitskräften aus dem Ausland und freiem Waren- und Dienstleistungsverkehr mit dem Rest der Welt. Das sind beides Dinge die an der konservativen Basis überhaupt nicht (oder, im Falle von Freihandel: nicht mehr) gut ankommen. Es ist deshalb auch gar nicht überraschend, dass Trump vor allem mit seiner einwanderungskritischen und gegen „dumme“ Handelsabkommen gerichteten Rhetorik punktet.
Der freie politische Handelsspielraum des Staatsmanns Trump könnte bei der dringend notwendigen Sicherung der porösen amerikanischen Südgrenze durchaus von Vorteil sein. Allerdings hat sich der ungebundene Wahlkämpfer Trump auch zu populistischen Versprechungen hinreissen lassen, vor denen ihn eine stärkere Verzahnung mit der politischen Realität eventuell bewahrt hätte. So neigt der Milliardär dazu, fiskalische Probleme zu externalisieren, indem er etwa suggeriert, die hoffnungslos maroden Sozialversicherungssysteme, die den amerikanischen Staat momentan in Richtung Bankrott steuern, müssten gar nicht reformiert wären, wenn man nur durch cleveres Verhandeln mit China genug Arbeitsplätze nach Amerika zurückholt. Durch solch deliriöses Geschwätz entlässt Trump (dessen berühmter Ausspruch aus seiner Fernsehserie „The Apprentice“ immer „you’re fired!“ war) den amerikanischen Wähler aus der Verantwortung für die Solvenz des Staates.
Dennoch ist vieles Gold, das glänzt. So sehr haben sich deutsche Medien vom Hass auf Trump treiben lassen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, zu erkennen, mit welchen legitimen Ansinnen Trump beim amerikanischen Volk punktet. Er klagt an, worunter viele tatsächlich leiden: Unbedachte Globalisierung, naive Außenpolitik, inkompetente Gesundheitsreform, und eine katastrophale medizinische Unterversorgung der Kriegsveteranen. Was die Risiken unkontrollierter Masseneinwanderung betrifft, so weiß momentan niemand besser als Deutschland, worin die Nachteile und Laster einer solchen Politik bestehen.
Viele sagen, es hat einen George W. Bush gebraucht, um einen Barack Obama zu erschaffen. Vielleicht hat es einen Barack Obama gebraucht, um einen Donald Trump zu erschaffen. Jedenfalls hat es meines Wissens in der Geschichte der USA noch nie einen Präsidenten gegeben, der vor seinem Amtsantritt nicht vorher der Öffentlichkeit in irgendeiner Form (Staat oder Militär) gedient hätte. Wenn der Privatmann den Sprung ins höchste Amt der freien Welt schafft, kann er seinen Kritikern zeigen, dass er der Kategorie des Historischen würdig ist. Oder er zeigt seinem Volk, wie schnell Gold schmelzen kann.
Moritz Muecke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan.