Der Mangel an Software-Knowhow verhindert in Deutschland in vielen Bereichen die dringend notwenige Modernisierung. Der zunehmende Import von Software zeigt die sinkende Leistungsfähigkeit des Landes. Im ersten Teil dieser Serie wird dies am Beispiel der Automobilentwicklung anschaulich.
Die wenigsten Krisen entstehen urplötzlich aus heiterem Himmel. Krisen sind oftmals der Kulminationspunkt für eine ganze Kette von negativen Entwicklungen, die Jahre, manchmal auch Jahrzehnte andauern. Beginnen möchte ich diese Artikelserie mit einem Blick auf die Automobilindustrie, die nach wie vor von entscheidender Bedeutung für Wertschöpfung und Beschäftigung in der deutschen Volkswirtschaft ist.
Bereits in den Jugendjahren hat sich bei mir eine Begeisterung für jede Form von motorbetriebener Fortbewegung herausgebildet. Ich oute mich hiermit ganz offen und ehrlich als Mensch mit „Benzin im Blut“. Mein rückblickend betrachtet potenziell klimaschädliches Verhalten begann Anfang der 1980er Jahre pünktlich zum 15. Geburtstag mit einem „Mofa“, ausgestattet mit einem 50-Kubikzentimeter-Zweitaktmotor, gefertigt von dem im Jahr 1917 in Nürnberg gegründeten Motorradhersteller Zündapp.
Die Zeit auf dem Mofa hinterließ gemischte Gefühle, bestand beim Fahren mit überschaubaren 25 km/h bauartbedingt begrenzter Höchstgeschwindigkeit doch immer das Risiko, von einem sportlich ambitionierten Klassenkameraden auf einem 10-Gang-Rennrad überholt zu werden, was je nach Tagesform eine zutiefst demütigende Wirkung hinterlassen konnte. Richtig erbaulich wurde die Teilnahme am motorisierten Individualverkehr dann ein Jahr später, in Form eines 8,7 PS starken, mit 77 Kubikzentimetern Hubraum versehenen wassergekühlten Einzylinder-Zweitaktmotors, verbaut in einem über 80 km/h schnellen sogenannten Leichtkraftrad vom selben Hersteller.
Der damit erzielte Gewinn an individueller Freiheit und Unabhängigkeit vom Elternhaus hat sich bei mir bis heute wie der Aufbruch in eine neue, großartige Ära in mein Gehirn eingebrannt. Durch diese damals entstandene Begeisterung für den „motorisierten Individualverkehr“ bin ich in meinem weiteren Leben regelmäßig (auto-)mobilen Themen verbunden geblieben, privat wie auch beruflich.
Trotz meiner Freude an den Produkten ging Zündapp überraschend im August 1984 in Konkurs, obwohl die Qualität der Erzeugnisse auch in Fachkreisen unumstritten war. Lediglich sieben Jahre nach dem erfolgreichsten Jahr in der Firmengeschichte hatte das Unternehmen gegenüber der innovativen und kostengünstigen Konkurrenz aus Fernost plötzlich keine Chance mehr. Die im Werk München übriggebliebenen Produktionsanlagen wurden mitsamt den Markenrechten nach China verkauft.
Auch wenn dieser – aus damaliger Sicht volkswirtschaftlich betrachtet – relativ unbedeutende Vorgang bereits 41 Jahre zurückliegt, sollten wir die beiden Stichworte „Insolvenz“ und „China“ für die weiteren Ausführungen in dieser Artikelserie im Hinterkopf behalten. Insolvenzen, wie die von Zündapp (1984) oder Kreidler (1982), könnten in gewisser Hinsicht Anschauungsmaterial liefern für zukünftige, deutlich umfangreichere volkswirtschaftliche Umwälzungen. Auch große, zerstörerische Erdbeben kündigen sich oftmals Jahre oder sogar Jahrzehnte zuvor durch kleinere lokale Erdstöße an. Verblüffenderweise wird in der Nachbetrachtung dann oftmals festgestellt, dass die Epizentren nicht allzu weit voneinander entfernt lagen.
Eine automobile Zeitreise
Vergangenes Wochenende hatte ich erstmals in meinem Leben die Gelegenheit, mit einem Meisterstück deutscher Automobil-Fertigungskunst aus der Wirtschaftswunderzeit zu fahren. Ich durfte hinter das Steuer eines Mercedes-Benz „190 SL Roadster“, der innerhalb des Oldtimermarktes zu den begehrtesten Nachkriegsfahrzeugen gehört und sich seit einigen Monaten im Besitz eines guten Freundes befindet. Der SL aus der Baureihe W 121 B II verfügt über einen 105 PS starken Vierzylinder-Ottomotor mit 1,9 Litern Hubraum und bringt bei Abmessungen, die in etwa denen eines VW Golf der 8. Generation entsprechen, lediglich 1.200 kg auf die Waage. Einen Oldtimer selbst zu fahren, ist in der Tat eine Art Zeitreise und stellt für jeden Autofreak eine großartige Erfahrung dar. Ein solches Fahrzeug auf hügeligen und kurvenreichen Nebenstraßen einigermaßen zügig und unfallfrei zu bewegen, ist aber durchaus eine Herausforderung und erfordert von einem Ungeübten volle Konzentration.
Am schwierigsten war das Anfahren und Einbiegen von einer untergeordneten Seitenstraße in den (schnell) fließenden Verkehr einer Haupt- bzw. Landesstraße. Automatikgetriebe und Servolenkung: Fehlanzeige. Beschleunigung aus dem Stand: Ja, vorhanden – aber Dragster-Rennen werden so nicht gewonnen. Bremskraftverstärker: Laut Datenblatt zwar im Fahrzeug verbaut, aber beim Betätigen des Bremspedals kaum spürbar. Die in grau-metallic lackierte Automobil-Ikone forderte von mir allzeit kräftiges Zupacken und -treten. Mit meinen zum Fahrzeugtyp exakt passenden 190 Zentimetern Körpergröße und einer dazu im Einklang stehenden Armlänge war die fahrerische Aufgabenstellung zwar grundsätzlich zu meistern, aber dennoch körperlich überraschend anstrengend. Nach dem Abschluss dieser lehrreichen Ausfahrt meinte ich erstmals, die Herkunft des seltsamen Begriffes „Herrenfahrer“ nachvollziehen zu können.
Am nächsten Tag machte ich mich nach dem Frühstück wieder auf die mehrstündige Heimreise. Nach dem Start des Motors und dem Einlegen des Rückwärtsganges orientierte ich mich beim Rangieren auf dem Hotelparkplatz mithilfe des Kamerabildes eines in der Heckklappe eingebauten winzigen CMOS-Kamera-Chips. Diverse in den Stoßfängern verbaute Abstandssensoren überwachten zusätzlich die Fahrbewegung, um vor unnötigen „Parkremplern“ zu schützen.
Wieder in der Vorwärtsbewegung, ließ ich das Navigationssystem mit genau einem Tastendruck meine Route sowie die voraussichtliche Ankunftszeit unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrslage für die vor mir liegende Strecke berechnen, was deutlich unter 10 Sekunden Rechenzeit in Anspruch nahm. Ohne auch nur eine Sekunde die Hände vom Lenkrad nehmen zu müssen, konnte ich anschließend mithilfe des virtuellen Sprachassistenten Siri meiner Familie mit einer kurzen WhatsApp-Nachricht mitteilen, wann die Ruhe zuhause wieder vorüber ist.
Über die im „Infotainment-System“ integrierte App des in Stockholm gegründeten Streaming-Anbieters Spotify wählte ich noch schnell meine mittlerweile 155 Titel umfassende Playlist mit 80er-Jahre-Hits. Da ich die Nacht zuvor nicht sonderlich gut geschlafen hatte, entschied ich mich über Auswahl eines speziellen „Öko-Fahrmodus“ für eine entspannte und verbrauchsoptimierte Fahrweise, was die Motorsteuerung u.a. mit einer veränderten Gaspedalkennlinie und einer entsprechenden Anpassung der Dynamik des Automatikgetriebes quittierte.
Transformations-Schmerzen
Ich dachte nochmals über meine Fahrt mit dem Auto-Klassiker Baujahr 1961 nach. Zum damaligen Zeitpunkt ein Meisterstück deutscher Ingenieurskunst, das international Anerkennung erzielte und weltweit erfolgreich verkauft werden konnte, bei einem Exportanteil von beachtlichen 80 Prozent. Aktuell erreichen uns hingegen fast nur noch Hiobsbotschaft aus der Automobilindustrie. Die Gewinne der deutschen Autohersteller sind im ersten Halbjahr 2025 massiv geschrumpft, Mercedes-Benz, Volkswagen, Audi, BMW und Porsche melden teils drastische Rückgänge. In den einschlägigen Kommentaren dazu ist viel von hohen Energiepreisen, steigenden Löhnen und einer schwachen Nachfrage zu lesen sowie von den schmerzhaften Folgen einer „Transformation“, die von den Analysten ungern näher spezifiziert wird, auch wenn jeder Leser weiß, was gemeint ist.
Wer sich auf den Websites deutscher Automobilhersteller informiert, wird von Elektro- und Hybrid-Angeboten förmlich überwältigt. „Normale“ PKW mit verbrauchsgünstigen und robusten Verbrennungsmotoren ohne aufwändige und teure Energiesparvorrichtungen lassen sich kaum noch entdecken. Seit ungefähr dem Jahr 2015 wurde zur Reduktion des CO2-Ausstoßes sukzessive alles verbaut, was der Komponentenkatalog der Zulieferer nur so hergab. Entsprechend komplex wurde die Technik, die Fahrzeuge legten teils beträchtlich an Gewicht zu, und es stiegen die Preise, was viele Kunden nun mit Kaufzurückhaltung quittieren.
Dass die ein Jahrzehnt lang vielgepriesene Mobilitätswende weitgehend gescheitert ist, lässt sich gegenwärtig kaum noch verschleiern, schließlich lassen zahlreiche Automobilhersteller ein Umdenken in der Produktstrategie durchblicken. Aus einem über Jahre großmundig verkündeten „electric only“ wurde zunächst „electric first“. Aktuell geht es vielerorts schon wieder zurück in Richtung Verbrenner, was in den Budgets für die Motorenentwicklung bereits Anerkennung findet. Das Elektroauto wird uns erhalten bleiben, aber mehr als ein Nischenprodukt wird daraus in den meisten Ländern Europas in den nächsten 10 bis 15 Jahren kaum werden.
Die irgendwie seltsamen und notorisch übergewichtigen Plug-In-Hybride mit zwei separaten Antriebstechnologien werden nach meiner Meinung wieder vom Markt verschwinden und insbesondere unter Nachhaltigkeitsaspekten als Treppenwitz in die Automobilgeschichte eingehen. Ungünstig ist diese Entwicklung natürlich für die Automobilhersteller und -zulieferer, die noch vor Kurzem alle Ressourcen in die Elektromobilität investiert haben. Aber dieses Risiko bestand in der Wirtschaft schon immer: Wer als vermeintlicher Pionier mit großen Schritten voraus läuft, merkt unter Umständen nicht, wenn die breite Masse der Marktteilnehmer hinter ihm bereits eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat.
Von null auf hundert Millionen
Unabhängig von der Antriebstechnologie sehe ich ein ganz anderes strukturelles Problem, mit dem nicht nur die deutsche Automobilindustrie, sondern darüber hinaus große Teile unserer Volkswirtschaft konfrontiert sind. Die von mir gefahrene Automobil-Ikone aus den 60er Jahren hatte noch keinen einzigen Mikroprozessor im Fahrzeug verbaut, ich durfte 1,2 Tonnen besten deutschen Maschinenbaus in Reinform bewegen. Die Anzahl der Programmzeilen (Englisch Lines of Code, abgekürzt LoC) dient in der Informatik als überschlägiges Maß für den Umfang und die Komplexität einer Software. Für den 190 SL Roadster Baujahr 1961 wurde noch keine einzige Zeile Software geschrieben, daher lautet diese Angabe demnach ganz klar: LoC = 0, Null Komma Null.
In einem modernen Premiumfahrzeug sind hingegen Dutzende von Mikroprozessoren verbaut, die über ein oder sogar mehrere digitale Bussysteme untereinander kommunizieren sowie auf die unterschiedlichste Sensorik zugreifen. Elektronische Benzineinspritzung, ABS, ESP, Airbag(s), adaptive Getriebesteuerung, Reifendruckkontrollsystem, Navigation, Klima-Automatik, Verkehrszeichen-Erkennung, Spurhalte-Assistent, Abstandsradar, Rückfahr-Kamera, Soundsystem, Notruf über eCall etc.: All diese Funktionalität erfordert neben der dedizierten Hardware eine Menge Softwareentwicklung.
Es lassen sich valide Schätzungen im Internet finden, die den Umfang der in einem PKW verbauten Software mit über 100 Millionen Zeilen Programmcode angeben. Um auch als Fachfremder ungefähr eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Wertes und der dahinter verborgenen intellektuellen Leistung zu erhalten, bietet sich zur Veranschaulichung ein Hilfswert an: Die Anzahl der DIN A4-Ordner vom „Typ breit“, die mit dem Ausdruck des Quellcodes gefüllt werden könnten. Mit 100 Millionen Zeilen Programmcode lassen sich bei einseitigem Druck, 60 Zeilen pro Seite und 800 Seiten pro Ordner über 2.000 A4-Aktenordner füllen. In Worten: zweitausend. Allein das monatliche Abstauben solch eines Aktenbestandes würde Stunden in Anspruch nehmen. All dieser Code ist das Resultat jahrzehntelanger Arbeit von zehntausenden – hoch qualifizierten – Softwareentwicklern und Ingenieuren in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller und insbesondere auch in den Entwicklungsabteilungen der zahlreichen Zulieferer.
Die eigentliche Herausforderung
Um den Gedanken der Transformation wieder aufzunehmen: Die eigentliche Transformation, die weite Teile unserer Wirtschaft herausfordert, ist die zunehmende Bedeutung von Software. Diese Transformation begann in den 1970er Jahren, legte Anfang der 90er Jahre deutlich in der Geschwindigkeit zu und führt aktuell durch „Künstliche Intelligenz“ (abgekürzt KI) zu einer möglicherweise sehr dynamischen Phase einschneidender Veränderungen in einer Vielzahl von Branchen.
Der Verkaufserfolg eines Automobils wird heute nicht mehr durch den Antriebsstrang, sondern zunehmend über Umfang, Leistungsfähigkeit und Bedienbarkeit der verbauten Software definiert. Automobile sind Maschinen zum Transport von Menschen. Der hier geschilderte Trend im Käuferverhalten trifft daher auch den seit Jahrzehnten erfolgsverwöhnten, mittelständisch strukturierten Maschinenbau. Mechanische Robustheit, Präzision und Langlebigkeit – lange Zeit Alleinstellungsmerkmale deutscher Ingenieurskunst – werden von den Kunden mittlerweile vorausgesetzt.
Heute fällt die Kaufentscheidung oftmals aufgrund der in den Maschinen und Anlagen „eingebetteten“ Software (Englisch embedded software). Welcher Werkleiter in einem Fertigungsbetrieb träumt nicht davon, dass selbst einfache Geräte und Maschinen mit übergeordneten Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen reibungslos kommunizieren. Dabei sollen die Prozessdaten in der Cloud abgespeichert und statistisch ausgewertet werden. Idealerweise kann der Maschinenbediener die generierten Daten und „Key Performance Indicators“ im Vorbeilaufen auf einem Tablet-Computer visualisieren. Wenn die Daten bereits in Cloud-Rechenzentren gespeichert sind, liefert der Maschinen-Lieferant im besten Fall über KI-basierte „Machine Learning“ Ansätze gleich noch Vorschläge zur Reduzierung der Stillstandszeiten mit. Um all die hier beschriebene Funktionalität bieten zu können, muss eine Menge an intelligenter Software entwickelt werden.
Ganz allgemein gilt für immer mehr Produkte und Dienstleistungen: „Software is everywhere“. Die einschlägigen Suchmaschinen liefern für diese populäre Wortfolge Millionen Treffer. Betrachten wir im nachfolgenden Abschnitt, wie sich Deutschland international im Bereich der Informationstechnik (abgekürzt IT) positioniert.
US-Konzerne dominieren
Auch wenn der deutsche Ingenieur und Erfinder Konrad Zuse im Jahr 1941 in Berlin den ersten funktionsfähigen Computer der Welt zusammenschraubte, so muss heute leider zur Kenntnis genommen werden, dass keine Basistechnologie der Digitalisierung aus Deutschland kommt, weder im Bereich der Hardware noch bei der Software. Desktop-, Notebook-, Smartphone- und Tablet-Nutzer bedienen sich heute in der Regel der Prozessoren von US-amerikanischen Herstellern.
„Motherboards“ für PCs werden oftmals in Taiwan gefertigt, Speicherbausteine kommen aus Südkorea, Japan oder China. Betriebssysteme und Plattformen für die Softwareentwicklung, die die funktionale Basis für jede Art von Anwendungsentwicklung darstellen, kommen zusammen mit den für die Programmierer so wichtigen integrierten Entwicklungsumgebungen überwiegend von US-amerikanischen Softwareherstellern und IT-Konzernen. Auch das Know-how zum Aufbau und Betrieb von Rechenzentren für Cloud-Services und der damit verbundenen cloudbasierten Anwendungen befindet sich größtenteils fest in US-amerikanischer Hand. Selbstverständlich lassen sich in vielen dieser Bereiche auch europäische Hersteller bzw. Anbieter identifizieren, aber die meisten davon fristen ein Nischendasein und erlangen auf internationaler Ebene kommerziell kaum Relevanz.
Die renommierte Computer-Fachzeitschrift c't fasste erst kürzlich die insbesondere auch aus deutscher Sicht prekäre Lage wie folgt zusammen: „[...] US-Konzerne wie Microsoft, AWS, Google, Oracle, Broadcom oder OpenAI dominieren in zahlreichen Bereichen der IT, von Hardware über Clouddienste bis hin zu Betriebssystemen und (KI-)Anwendungen.“ [1]
Es ist folglich wenig verwunderlich, dass sich unter den zehn – anhand der Marktkapitalisierung ermittelt – wertvollsten Unternehmen weltweit aktuell vier US-IT-Unternehmen befinden (Apple auf Platz #1, Microsoft #2, NVIDIA #3 und Broadcom #10) [2]. Werden Amazon (#4) sowie Alphabet/Google (#5) als führende Anbieter von Clouddiensten noch hinzugerechnet, dann wird die weltweite US-Dominanz im IT-Sektor mehr als deutlich. Wenn Hardware, Betriebssysteme, Clouddienste und KI-Anwendungen von US-Konzernen dominiert werden, dann bleibt für die anderen Marktteilnehmer nur noch, mithilfe der Basistechnologien Anwendungsprogramme („Apps“) zu entwickeln oder Spezial-Chips für Marktnischen zu fertigen, in denen sich ein Engagement für die großen Player in der Halbleiterindustrie kommerziell nicht lohnt.
Allzu viele international erfolgreiche Anwendungen „Made in Germany“ lassen sich allerdings im „Consumer Market“ kaum finden, denn unter den weltweit meistgenutzten Apps, die jeweils hunderte Millionen, teils sogar Milliarden von Nutzern haben, findet sich ausschließlich US-amerikanische und chinesische Software. Überlegen Sie kurz, welche Software „Made in Germany“ Sie heute bereits genutzt haben? Die Banking-App Ihrer Hausbank? Diese wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von osteuropäischen Programmierern entwickelt. Hat die App das Potenzial, von Millionen Nutzern weltweit verwendet zu werden? Eher nicht.
Betrachten wir ein in vielen Haushalten vorhandenes elektronisches Gerät, den Router. Sie haben sich möglicherweise aus einer gewissen patriotischen Überlegung heraus vor einiger Zeit für einen Router von einem deutschen Hersteller entschieden. Freuen Sie sich nicht zu früh: Im Inneren des Gehäuses steckt mit hoher Wahrscheinlichkeit primär US-Technik. Und sobald Ihr Router die Verbindung zum Netzbetreiber erfolgreich aufgebaut hat, lässt sich im entsprechenden Status-Fenster der Benutzeroberfläche entdecken, dass am anderen Ende des Kupferdrahtes oder der Glasfaser oftmals Netzinfrastruktur eines Herstellers aus der Volksrepublik China montiert ist.
Ein Lichtblick aus Walldorf
Im gewerblichen Bereich ist die Lage glücklicherweise etwas besser, denn mit SAP aus Walldorf schafft es immerhin ein deutscher Softwarehersteller unter die Top-100, dazu noch – als wertvollstes deutsches Unternehmen – auf einen beachtlichen 31. Platz. Die für diesen großartigen Erfolg erforderliche unternehmerische Leistung der fünf Firmengründer kann gar nicht groß genug gewürdigt werden. Dennoch sollten die Größenverhältnisse klargestellt werden: Allein der US-Konzern Microsoft erzielt in zwei Monaten bereits locker den Jahresumsatz von SAP.
Auch gehört erwähnt, dass die SAP SE als „Weltgrößter Anbieter von Unternehmensanwendungen“ nur noch ein Viertel der weltweit 109.000+ Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Auch im deutschen Mischkonzern Siemens (#74), dem zweiten von lediglich drei deutschen Unternehmen unter den Top-100, wird in vielen Bereichen durch die Entwicklung von Software zur Wertschöpfung beigetragen. Der Geschäftsbereich „Siemens Digital Industries Software“ sitzt allerdings im US-Bundesstaat Texas, daher dürfte der Umfang der in Deutschland produzierten Software auch bei Siemens überschaubar sein.
Selbstverständlich gibt es in Deutschland zahlreiche mittelständische Unternehmen, die Softwareentwicklung als zentralen Geschäftszweck haben und mit ihren Produkten und Diensten unter Ausnutzung herausragenden Domänenwissens erfolgreich internationale Märkte adressieren. Viele dieser Unternehmen wurden von Mitgliedern der geburtenstarken Jahrgänge unmittelbar nach dem Abschluss der Ausbildung oder des Studiums in den 80er und 90er Jahren gegründet. Nicht wenige davon verharren allerdings aus organisatorischen Gründen bewusst in einer kleinen Unternehmensgröße und bedienen primär den deutschsprachigen Markt. Softwareunternehmen mit über 100 Mitarbeitern und mehr als 20 Millionen Euro Umsatz pro Jahr dürfte es vielleicht ein paar hundert in Deutschland geben, mehr nicht. Unternehmen wie TeamViewer aus Göppingen, mit über 1.500 Mitarbeitern und fast 700 Millionen Euro Umsatz, sind die erfreuliche Ausnahme – nicht die Regel.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich mit Ausnahme SAP kein deutsches Unternehmen finden lässt, das in irgendeinem Bereich der IT eine weltweit führende Rolle einnimmt und aus dieser Position heraus volkswirtschaftlich relevante Umsätze erzielt. Im Gegenteil: Die Dominanz anderer Länder bei Hard- und Software zwingt hunderttausende deutsche Unternehmen in die hochproblematische Rolle des abhängigen Kunden.
Im nächsten Teil dieser Serie versuche ich die möglichen Ursachen zu ergründen, warum Deutschland in der Informationstechnik den Anschluss verloren hat. Im dritten Teil diskutiere ich, welche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahren zu erwarten sind.
Teil 2 finden Sie hier.
Tel 3 finden Sie hier
Christian Demant hat an der Universität Stuttgart Technische Kybernetik studiert, mit Abschluss Dipl.-Ing. Er verfügt über 30 Jahre unternehmerische Erfahrung im Bereich der Software und Automatisierungstechnik. Zudem hat er über zwei Jahrzehnte als Mitgesellschafter und Aufsichtsrat ein Tech-Unternehmen in Oxfordshire/UK begleitet.
Literatur:
[1] Steiner F, Wölbert C (2025) Open Source als Plan B. In: c’t Magazin für Computertechnik, Heft 11 2025, S. 120
[2] PricewaterhouseCoopers LLP (2025) Global Top 100 companies – by market capitalisation. pwc.co.uk
Wie war das nochmal, als die ersten besseren Mobiltelefone aufkamen und die Benutzer deren Playlist im Auto hören wollten? Richtig: Fehlanzeige! Heute überschlagen sich die Autohersteller mit irgendwelchen Gimmicks, die oft nur sehr begrenzt nützlich sind, aber leicht für eine Totalüberwachung genutzt werden können (zu ihrer Verteidigung muß gesagt werden, daß diese Systeme zum großen Teil von der EU vorgeschrieben sind). Was die Entwicklung der IT in Deutschland angeht, kann man viele Details bei DAnisch nachlesen...
Zitat aus dem Artikel: "Überlegen Sie kurz, welche Software „Made in Germany“ Sie heute bereits genutzt haben? "==> Ich habe mindestens zwei, die ich seit Jahren täglich nutze: "Kalenderchen" von Daniel Manger Software, und ScribblePapers von Jens Hötger, beides Freeware, die ich sehr gut finde und auf die ich nicht verzichten wollte. Es gibt nur im Linux-Universum etwas Ähnliches, nämlich Osmo und CherryTree, aber sie sind nicht kompatibel, bzw. die Originale laufen nur unter Windows, was mit ein Grund ist, warum ich das MS-System noch immer benutze. Und dann gibt es noch das deutsche Softmaker Free Office aus Nürnberg mit Microsoft-ähnlichen Büroprogrammen. Nur sind das eben Einzelpersonen bzw. kleine Firmen, die aber ihre Marktlücke gefunden haben.
Mein klimaschädliches Verhalten begann mit 12 und einem selbstgebauten Renn-Gocart. Man Vater hatte den auf einem Bauernhof entdeckt und stellte ihn mir in den Garten! D A N K E ! ! ! Jetzt konnte ich endlich mein selbstgebautes Moped, ein Fahrrad mit 50 ccm Sachsmotor und ohne Bremsen wegwerfen. Um anzuhalten mußte man den Dekompressionshebel drücken. Das führte bei Unerfahrenden zu so mancher Vollbremsung in der Gartenhecke. Zwischen den Beinen brummte jetzt ein 250 ccm dicker DKW-Motor. Ach nee, davor hatte ich ein Kettcar? Da saß der Sachsmotor ja auch drinnen? Damit bin ich auf der Straße herumgefahren. Alle Nachbarn standen auf der Straße. Der Kettcar war aber schnell ausgeleiert. Für so einen Motor und 50 Sachen war das Teil eben nicht gebaut.
Vor 35 Jahren, als ich in der Industrie begann, hab ich von der Physik zur SW, sprich von Formeln zu Algorithmen, gewechselt. Es ging damals schon um KI, Echtzeit SW und formale SW Verifikation. Das war alles so unglaublich schwer, die guten Informatiker waren im Vorteil. Und an meinem ersten Tag in der Industrie sagte der beste Kollege: „Habt ihr gehört was Bill Gates gesagt hat? Er hat gesagt, wie machen keine Hardware, aber auf jeder Hardware läuft unsere Software“. Das hat Microsoft zu einer der wertvollsten Firmen der Welt gemacht. So finden wir nach Marktkapitalisierung unter den wertvollsten Firmen der Welt mit Apple, Microsoft, Alphabet und Meta vier SW dominierte Firmen, selbst wenn sie auch mal HW designen und verkaufen, sie sind SW dominiert. Letztlich kann man das auch von Broadcom sagen. z.B. wegen deren Infrastruktur SW Portfolios; dann wären unter den zehn wertvollsten Firmen schon fünf SW Firmen. Und da wäre dann noch dabei die HW Firma Nvidia, aber die ist dabei, weil sie die beste …. Entwurfs-SW hat. Übrigens, alleine Apple (Stand Jan. 2025) ist mit knapp 3,8 Billionen Dollar fast doppelt so viel wert wie alle 40 DAX-Konzerne zusammen. Das Problem mit der SW ist: Es ist verdammt schwer. Kauft man über 30 Jahre zwei Bücher pro Jahr (kann man sich ruhig mal leisten), dann hat man zu guter Letzt sechzig Bücher; das kann man nicht alles in einen Kopf kriegen, ein paar liest man genau, der Rest hilft für den Überblick. Unbeteiligte verstehen nicht im Ansatz, wie schwer SW ist und die KI setzt dem (übrigens schon länger) einen oben drauf. Wer in der Schule nicht schon auf die Mathematik abgefahren ist, der ist nicht geeignet für die SW Entwicklung. So viele sind das also nicht. Und wenn die Blechbieger den SW Leuten sagen wollen, wo es lag geht, dann dreht sich Alan Turing im Grabe um. Und wenn sie wissen wollen, wie der Staat in die digitale Zukunft investiert, dann googlen sie mal: „Quaero“ bzw. „De-Mail“ bzw. „Gaia-X“ !!! Wenn sie mal lachen wollen ….
Werter Herr Dip. Ing. Demant, denke, Sie liegen in allen angesprochenen Themenbereichen falsch. Die Aktionäre & Vorstandsetagen der Deutschen Automobil-Industrie haben längst beschlossen, ins Ausland zu gehen. Ihre kostbaren Tech-Giganten leben auch nur davon, in Asien & Ostasien entwickeln & produzieren zu lassen. Ein Indischer Programmierer verdient in etwa Deutschen Mindestlohn (auch nur noch ein Hungerlohngeschäft), migriert aber trotzdem nicht nach Deutschland, weil es keinen Sinn macht, im neo-feudalen Deutschland überhaupt noch zu arbeiten. In einem Krieg der Zukunft trifft es zuerst die Kraftwerke & Serverzentren, die dem Erdboden gleich gemacht werden & schon ist es aus mit einem KI-gesteuerten Krieg. Für die marode Bahn könnte man Software aus Japan oder China kaufen. Aber das bringt nichts, weil die ganz normale Bildung seit Jahrzehnten den Bach runter ging. Die Deutschen bis 45 sind mittlerweile zu blöd um infrastrukturelle Jobs zu machen, wie Straßen, Gleise & Brücken instand zu halten, von unseren Goldstück-Primaten ganz zu schweigen. Das ist auch der einzige Trost. Der II. Weltkrieg war der größte Raubzug der Menschheitsgeschichte. 2 Weltmächte kloppten sich in einem militärischen Wettlauf um Deutsche Patente, die eine Weltmacht zur Supermacht mutierten. Das kann uns heute nicht mehr passieren. Außer Industrieschrott ist bei uns nichts mehr zu holen.
Wie die das bei SAP machen, ist mir auch ein Rätsel. Wer schon einmal in ABAP entwickelt hat, und den halbherzigen objektorientierten Versuch von Objective ABAP vor 20 Jahren kennen gelernt hat, und heute feststellt, dass die meisten Consultants den immer noch nicht akzeptieren, ist eher ernüchtert und verwundert. Es gab bei SAP zweifellos sehr innovative Konzepte am Anfang, aber die sind m.E. inzwischen aufgebraucht. Das Danebensetzen einer Java-Machine neben die ABAP-Maschine hat nur für ein heilloses Durcheinander geführt, dass der eine Teil der Entwickler den anderen nicht versteht. Sie haben den falschen Ansatz gewählt. Sie hätten einen Compiler bauen müssen, der ABAP Code auf der Java-VM ausführbar macht. Stattdessen haben sie den "bequemen" Weg gewählt, der auf alle Zukunft zwei kaum vereinbare Welten (zwei-Sprachen-Lösung) nebeneinander bedeutet. Aber ich gebe zu, dass ich mich seit etwa 5 Jahren ncht mehr dafür interessiere und deshalb könnte alles schon längst ganz anders sein. Andererseits haben sie auch Java so verhunzt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es inzwischen vernünftiger geworden ist.
Was für ein Durcheinander? Die meisten Zeilen Code sind in Bibliotheken, die man mit einem Controller oder CAN-Bus Client einfach mit kauft vom Hersteller. Kein Automobilhersteller stellt Microcontroller oder CAN-Bus Controller her. Die werden garantiert NICHT in Deutschland hergestellt. Der Zug ist längst abgefahren. Das war vor 35 Jahren! Also ich bescheinige dem Autor eine gewisse Kenntnis für Fahrzeuge aus den 60-ern, noch vor dem Tod von JFK, aber das Gejaule, dass Software fehlt, ist nicht zielführend. Es beweist die Unkenntnis des Austors zum hochgradig arbeitsteiligen Prozess in einer globalen Technologie. Wenn die Automobilhersteller trotzdem keine Ahnung haben, bedeutet das ja nicht, dass man mit unspezifischem Gejaule irgendwas bessern kann. Schuld ist auch die Arroganz der Automobilhersteller, dass sie eine sichere Programmiersprache weiterhin ablehnen, weil sie schon vor 20 Jahren nicht intellektuell mitgewachsen sind. C++ hat sich inzwischen für Leute, die heute auf der einen Hochzeit tanzen und morgen auf der anderen, zu einem echten Problem entwickelt, weil zu viel Ballast seit 1975 mitgeschleppt wird und alle Neuerungen nur denen verständlich sind, die sich den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigen, als C++. Aber die Hypes, wie z.B. Python sind, weil es eine Scriptsprache ist, für Autos nicht fehlersicher genug. Java hat man abgelehnt und deshalb hat auch unter den Chipherstellern niemand eine Java MCU für den Automobilsektor entwickelt, weil kein Bedarf bestand. Niemand entwickelt etwas, was er den rückständigen Führungskräften auf Kundenseite aufdrängen muss. So müssen sie sich weiter mit C/C++ und den Fallstricken und Fußangeln, wie Memory-Leaks herumschlagen, die letzen Endes die grüßte Zeit für das Debugging verbrauchen. Man weiß es eben besser. Aber das hat NICHTS mit Deutschland zu tun, weil die europäische Automobilindustrie nicht deutsch ist und auch nicht europäisch. Hochmut kommt vor dem Fall. Und der Fall kommt nach dem Hochmut.