Gastautor / 13.11.2024 / 12:00 / Foto: K.I / 46 / Seite ausdrucken

Die telefonische Krankmeldung – Willkommen in Phantasialand

Von Dr. Christoph Schneider.

Im Corona-Ausnahmezustand fing es an mit der telefonischen Krankschreibung. Inzwischen gibt es sie längst wieder, diesmal, um Ärzte und Praxen zu entlasten. Und plötzlich steigen die Krankenstände dramatisch. Welch ein Wunder.

Der gemeinsame Bundesausschuss und das Bundesministerium für Gesundheit hat sie vor knapp einem Jahr zur kurzfristigen Bekämpfung der Praxis-Überlastung etabliert, nun fordern der Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt und die Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes Nicola Buhlinger-Göpfarth, dass sie für immer bleiben soll: die telefonische Krankmeldung.

Da bleibt doch der gesund Menschenverständige mit offenem Mund sitzen und möchte rufen: Willkommen im Phantasialand! In diesem idealen Land schaut niemand zunächst auf seine eigenen Interessen, sondern alle Menschen haben das gesellschaftliche Gesamtgelingen und die Interessen der Schicksalsgenossinnen und -genossen im Auge.  Man meldet sich nur krank, wenn eine Aufnahme der Arbeit objektiv nicht möglich ist, kann folgerichtig selber täglich morgens über seine Arbeitsfähigkeit entscheiden, am besten auch seinen Grad der Behinderung (GdB) beim Versorgungsamt angeben und sein Renteneintrittsalter nach ehrlicher Selbsteinschätzung der Belastbarkeit selbstbestimmt festlegen. Alle arbeiten gerne, sind kollegial und zufrieden, die Wirtschaft prosperiert, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben die glücklichen Bewohner dieses Landes noch heute.

Auch in der realen Welt hatten wir ein über Jahrzehnte gut funktionierendes Solidarsystem, dessen Wert gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Es wurde durch die Agenda 2010 nachgeschärft, was zu einer über Jahrzehnte prosperierenden Wirtschaft führte. In dieser Wohlstandsphase haben sich allerdings interne und externe Normen verändert – und auch das Verhalten der Menschen. In der realen Welt des Jahres 2024 sitzen im Gegensatz zum Phantasialand in den Arztpraxen nicht nur Behandlungsbedürftige, beim VdK nicht nur Berentungspflichtige, morgens rufen nicht nur Kranke beim Arbeitgeber und beim Hausarzt an, um sich abzumelden.

Verantwortung der Ärzte

Die Krankenstände steigen landesweit massiv an und sind unterdessen doppelt so hoch wie in Schweden. Diese Entwicklung ist nicht allein durch Corona- und andere Viruserkrankungen erklärbar, sondern durch eine ganz andere Epidemie: nämlich die der Krankmeldung aus Frustration oder Bequemlichkeit. Auf den Punkt gebracht hat es der Vorstand der Innovationskasse IK Lübeck, Ralf Hermes: “Es hat sich in unserer Gesellschaft normalisiert, sich anlasslos krankzumelden“.

Das Phänomen bewirkt nicht nur zahlreiche Ausfälle, es führt in ganzen Teams, die feststellen, dass die notorischen Arbeitsvermeider sanktionsfrei davonkommen, dazu, dass sich auch die Anderen im Team fragen, warum sie sich eigentlich nicht auch gelegentlich eine bezahlte Auszeit gönnen – schon ist der Dominoeffekt da. Ich würde den Verantwortlichen im BMG, der BÄK und des Hausärzteverbandes empfehlen, ihr Menschenbild einmal upzudaten und sich klarzumachen, dass das Verfolgen eigener Interessen ein elementarer Bestandteil des menschlichen Wesens ist, der in der Vergangenheit nur durch soziale und formale Kontrolle eingehegt wurde.

Eine Solidargemeinschaft funktioniert nur so lange, wie die Mitglieder aus freien Stücken oder durch die entsprechenden Kontrollinstitutionen dazu bewegt werden, ihren Aufgaben nachzukommen. Wenn es diese Instanzen nicht mehr gibt, kollabiert das System. An diesem Punkt sind wir bereits. Das Phänomen trägt dazu bei, dass immer weniger zu verteilen ist, was am Ende zu Lasten der wirklich Bedürftigen gehen wird.  

Da sollten wir als Ärzte unserer Verantwortung auch gerecht werden, Arbeitsfähigkeit objektiv zu beurteilen und nicht auf Zuruf zu bestätigen. Je leichter es den Arbeitnehmern gemacht wird, sich der Arbeit zu entziehen, umso mehr werden sie es statistisch tun. Schlecht sind nicht die Menschen. Sie sind so, wie sie schon immer waren. Schlecht ist ein politisches System, das von einem falschen Menschenbild ausgeht, und schlecht ist vor allem die Leistung der Verantwortlichen, die das nicht realisieren möchten. Den Kontext zwischen barrierefreier telefonischer Krankmeldung und Arbeitsunfähigkeitsquote zu negieren, ist genauso naiv, wie zu bestreiten, dass die Unterbringung und Alimentierungssituation im Zielland keine Pull-Effekte für die illegale Migration bewirken. Aber das ist eine andere Geschichte…..

 

Der Autor schreibt unter einem Pseudonym und ist in einer großen deutschen Klinik als Gynäkologe tätig.

Foto: K.I

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Leserpost

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Susanne Weis / 13.11.2024

“Je leichter es den Arbeitnehmern gemacht wird, sich der Arbeit zu entziehen, umso mehr werden sie es statistisch tun.” Hört sich an wie der Leiter eines Arbeitslagers irgendeiner Diktatur. Meine Güte, welch totalitäre Einstellung da aus dem Autor spricht!+++Erstens, lassen sich Menschen, die zufrieden mit ihrem Job und ihrem Einkommen sind, nicht “anlasslos” krankschreiben, jedenfalls die weit überwiegende Mehrzahl nicht. Zweitens, ist eine erhebliche Anzahl der C-Geimpften tatsächlich krankheitsanfälliger, da ihr Immunsystem dauerhaft beschädigt wurde, Drittens, war es vor Corona eine, wie ich immer fand, Unsitte, stark erkältet arbeiten zu gehen und dadurch die Kollegen, meist “flächendeckend”, anzustecken. Dass Leute mit einem Infekt jetzt öfter mal zu Hause bleiben, finde ich daher das einzig Positive, was die unsägliche Corona-Zeit eventuell gebracht hat. Viertens mache ich die Erfahrung, dass es immer dieselben sind, die dauernd krankgeschrieben sind. Die Mehrheit macht das nicht. Die, die immer treu und brav arbeiten gehen, nun auch zu bestrafen, indem man ihnen die eine Krankschreibung im Jahr, wenn es sie wirklich erwischt hat, noch schwerer macht, wäre kontraproduktiv. Mag sein, dass es bzgl. Arbeitsmoral erhebliche Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Die Boomer sind eher die fleißigen. Aber die sind jetzt um die 60, wirklich nicht mehr so gesund, müssen aber, im Gegensatz zu früheren Generationen, die defacto mit 60, oder Ende 50 im Ruhestand waren, noch viele Jahre arbeiten. Die junge Generation passt auf, dass sie sich nicht überarbeitet, aber weiß, dass sie sich das leisten kann, weil Arbeitskräftemangel herrscht und ihnen, trotz grottiger Arbeitsmoral und meistens auch grottiger Qualität, die sie abliefern, der rote Teppich ausgerollt wird. Etliche Ärzte bzw. Arztpraxen geben übrigens sowieso keine telefonischen Krankschreibungen, angeblich, weil das im Praxisablauf aufwändiger ist, als hintereinanderweg das Wartezimmer abzuarbeiten.

Westermann E. / 13.11.2024

In Dänemark reicht es, wenn der Arbeitnehmer die Firma anruft, und sagt, er sei krank.  Falls die Fa. ,ein Attest verlangt, sie bezahlt die Artzrechnung. In Dänemark gibt es gegenseitiges Vertrauen. Krankmeldung ist wesentlich weniger, als in Deutschland.

Lao Wei / 13.11.2024

Arbeitsmoral ist ein gesellschafts-politisches Spiegelbild. Es wird Zeit, das Humanoiden das Zepter übernehmen ; die lassen sich weitaus „nachhaltiger“ als Versuchskaninchen dressieren. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Allahs Knechte (Refugees) nicht nur die A-Moral „nachhaltig“ demolieren.

Herbert Hauke / 13.11.2024

Wörtlich heißt es bei Schuler: „CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz bestätigte diesen Kurs am Dienstag auf einer Veranstaltung des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga): ‚Ich möchte uns alle davor bewahren, dass wir plötzlich Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD haben. Ich will das nicht.’ Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sekundierte, man wolle denen keinen Vorschub leisten, die der Union eine Kooperation mit der AfD unterstellen.“ Wenn die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt und keine „Zufallsmehrheiten“ möchte, dann sollte die AfD in der anstehenden Abstimmung dem Kanzler Scholz ihr Vertrauen aussprechen. Dann wäre die Vertrauensfrage gescheitert, Scholz weiterhin Kanzler einer Regierung, die keine Entscheidungen treffen kann und es gäbe keine vorgezogenen Neuwahlen mit einem Kanzlerkandidaten März. Das wäre quasi eine umgekehrte Brandmauer.

Stefan Riedel / 13.11.2024

Geier Sturzflug:  Ja, ja. ja, jetzt wird wieder in das Telefon gejammert, wir s e n k e n das Bruttosozialprodukt? Ja, ja, ja der CO2 Gehalt aller Klimalügen sinkt?

M. Frey / 13.11.2024

Manager-Magazin online vom 09.05.2024: “Beschäftigte in Deutschland haben im Jahr 2023 rund 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, den Großteil davon unbezahlt. Auf jeden Beschäftigten entfallen im Schnitt rund 32 Überstunden. Die Summe entspricht 835.000 Vollzeitstellen.” Noch irgendwelche Fragen?

G. Engler / 13.11.2024

Im tollen, ach so guten Amerika, in den USA wird dies anders geregelt:  Firma “Cornflakes”  also Kellogs hat ein Punktesystem.  Zwei Punkte für unentschuldigtes Kranksein (also ohne Arzt), Einen Punkt für entschuldigtes und der Hammer bei 12 Punkten fliegt man, wird “gefired”.

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