Aischa Schluter, Gastautorin / 08.10.2021 / 15:00 / Foto: Pixabay / 27 / Seite ausdrucken

Trickst die Tagesschau bezüglich des muslimischen Bevölkerungsanteils?

Die Tagesschau gibt in einer Grafik den muslimischen Bevölkerungsanteil mit 3,5 Prozent an. Nun entsprechen 5,5 Millionen Muslime einem Anteil um die 6,5 Prozent. Ein Beitrag über Definitionen, Äpfel und Birnen.

Täuschen die Tagesschau und die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland – fowid.de“ oder sind sie nur nicht in der Lage, Informationen verständlich zu präsentieren? Man muss sich doch sehr wundern, betrachtet man diese Infografik über die Verteilung der Religionszugehörigkeit in Deutschland. 3,5 Prozent Muslime in Deutschland? Das scheint doch sehr niedrig gegriffen.

Laut einer Studie der Bundesregierung nahm die Anzahl der in Deutschland lebenden Muslime in den letzten 6 Jahren um 900.000 zu. Das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verortet für 2019 die Anzahl der in Deutschland lebenden Muslimen „zwischen 5,3 und 5,6 Millionen“, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung zwischen 6,4 Prozent und 6,7 Prozent entspräche. Hat sich also die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime innerhalb eines Jahres beinahe halbiert? Wie kann es sein, dass dieser Exodus so unbemerkt vonstatten gegangen ist? 

Wer die Studie von Fowid selbst liest, anstatt sich auf die irreführende Grafik der Tagesschau zu verlassen, wird schnell fündig. Fowid selbst spricht von „konfessionsgebundenen Muslimen“. Nicht „konfessionsgebundener Muslim“, in der Studie „Kulturmuslim“ genannt, ist nach dieser Bewertungsgrundlage schon, wer weniger als einmal im Monat in die Moschee geht. Bei den christlichen Gläubigen werden die „Kulturchristen“ allerdings nicht herausgerechnet. Die Anzahl der Christen wird über die Melderegister berechnet. Obwohl Fowid auch für diese Gruppe Zahlen über die Regelmäßigkeit der Kirchenbesuche vorliegen, stehen in der von der Tagesschau veröffentlichten Grafik die Balken scheinbar gleichberechtigt nebeneinander. Gerade einmal 3,4 Prozent der deutschen Bevölkerung nehmen regelmäßig an christlichen Gottesdiensten teil. Also müsste man diese 3,4 Prozent „konfessionsgebundener Christen“ den 3,5 Prozent „konfessionsgebundenen Muslimen“ gegenüberstellen. Das hätte bestimmt einen gewissen Wow-Effekt. 

Kopftuch tragen, doch kein Muslim? 

Aber wie kommt es, dass die Zahl der Muslime in Deutschland noch einmal um die Hälfte gesunken zu sein scheint? Fowid:

„War bisher der Anteil der Kultur-Muslime in den Fowid-Berechnungen auf 20 Prozent angesetzt worden, so führen diese empirischen Daten dazu, dass der Anteil der nicht-religiösen Muslime (66 Prozent) auf 40 Prozent gesetzt und damit erhöht wurde. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Anteil der Frauen, die eine Moschee besuchen, deutlich geringer ist als bei den Männern, was allerdings nicht verwunderlich ist, weil sie dort getrennt von den Männern sitzen müssen. Ebenso spielen Faktoren wie die Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Religionsausübung eine Rolle – also zwischen Moscheebesuch und privatem Gebet.“

Man kann also durchaus Kopftuch tragen und sich als Muslima bezeichnen, wird aber nicht als Muslim gezählt. 

Abgesehen von der fragwürdigen Verknüpfung von gelebter Religiosität und regelmäßigem Moscheebesuch sind die zugrunde liegenden Zahlen auch alles andere als aktuell. Sie stammen aus Umfragen aus dem Religionsmonitor von 2013 und einer Befragung von Zuwanderern aus den Jahren 2013–2016. Wer also nur privat betet, wer die Moschee nicht regelmäßig besucht, beispielsweise weil dort für Frauen kein Platz ist, gilt in dieser Grafik nicht als Muslim. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, nicht alle, die aus muslimisch geprägten Ländern sind, als Muslime zu bezeichnen. Damit wird man den Andersdenkenden nicht gerecht. Gerade Ex-Muslime stören sich oft an dieser Zuschreibung.

Aber deren Anzahl dürfte eher gering sein. Einfach das Kind mit dem Bade auszuschütten, indem man nur regelmäßige Moschee-Besucher als Muslime bezeichnet, wird der Sache jedenfalls ganz und gar nicht gerecht. Diese Zahlen obendrein ganz anderen Zahlen zu Christen gegenüberzustellen, macht die ganze Betrachtung letztendlich wertlos, denn sie unterschreitet damit jedes wissenschaftliche, methodisch-saubere Niveau. Ich möchte der Tagesschau nicht unterstellen, dass sie diese Zahlen bewusst nutzen möchte, um den Kritikern einer von ihnen behaupteten Islamisierung zu zeigen, dass doch alles nicht so schlimm wäre. Um eine irreführende Darstellung handelt es sich aber allemal.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Manni Meier / 08.10.2021

Verehrte Frau Aischa Schluter, Sie hinken dem “State of the Art” in Deutschland hinterher. Die Schätzung wurde in unserem Land mittlerweile zu einem anerkannten wissenschaftlichen Standard entwickelt. Sei es bei Wahlen, Berlin ist hier Vorreiter, oder bei Zahlenspielchen Corona betreffend.

Nikolaus Suppanz / 08.10.2021

Es kommt nicht darauf an, ob sie zur Moschee gehen oder ob sie Kopftuch tragen. Gefährlich sind nur die, die uns umbringen wollen.

Dr Stefan Lehnhoff / 08.10.2021

ARD halt. Nur Idioten schauen sowas privat. Das Sie sich sowas beruflich antuen, nötigt mir Respekt und Mitleid ab. Ich bekomme da innerhalb weniger Minuten körperliche Schmerzen. Ich meine das Ernst. Mentale Form von Gabel über die Schiefertafel ziehen. Schaut hier eigentlich auch wer nordkoreanisches Fernsehen? Warum nicht? Nur wegen der Sprache- kaum , meine koreanischen Mitbürger machen das auch nicht. Muss wohl einen anderen Grund haben.

S.Buch / 08.10.2021

Wir wissen ja: Was nicht passt, wird passend (im Sinne der Agenda) gemacht. Ein offiziell geringer Anteil der Moslems soll den Leuten “erzählen”, dass die Umvolkungsrealität, die sie jeden Tag immer mehr vor Augen haben, nicht real ist. Das nennt man dann “Framen”.

Dietrich Herrmann / 08.10.2021

Wer glaubt schon der Tagesschau noch irgendwas?

Martin Ruehle / 08.10.2021

Sie halten es tatsächlich für denkbar, dass das Flaggschiff der Staats- und Zwangsgeldmedien ZUFÄLLIG oder aus Nachlässigkeit den tatsächlich vorhandenen Anteil von Moslems in Deutschland verschleiert?? Das Sturmgeschütz feuchter links-grüner Haltungs"journalisten” und unkritischer Islam-Versteher,... nicht Ihr Ernst…?!

Walter Weimar / 08.10.2021

Mein Oma trug früher, Sechziger Jahre, auch ein Kopftuch. War aber keine Muslime. Wir wußten damals gar was das ist. Daraus folgt, Tagesschau hatte Recht. Damals, in den 60er.

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