Henryk M. Broder / 16.08.2016 / 10:44 / 13 / Seite ausdrucken

Die Tagesschau nimmt es mit der Wahrheit so genau wie Präsident Abbas

Es ist keine zwei Monate her, da hat der Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde, "Präsident" Abbas, vor dem Europäischen Parlament eine Rede gehalten, in der er einen alten und bewährten antisemitische Klassiker aufwärmte - die Israelis würden die Brunnen der Palästinenser vergiften. Am Ende der Sitzung erhoben sich die Abgeordneten zu Standing Ovations, der Präsident des Europäischen Patlaments, Schulz, bedankte sich für die "inspirierende Ansprache". Die von der Europäischen Kommission frisch ernannte "Koordinatorin zur Bekämpfung von Antisemitismus", Katharina von Schnurbein, griff nicht ein, weder während noch nach dem Auftritt des Irren aus Ramallah. Sie muss sich in das Thema "Antisemitismus" erst einarbeiten.

Nun hat die ARD nachgelegt. Zuerst in der Tagesschau und - angsichts der Bedeutung des Themas - noch einmal in den Tagesthemen: Von Brunnenbergiftung war allerdings keine Rede. Denn die Palästinenser dürfen keine Brunnen bauen und haben deswegen kein Wasser, um sich zu waschen. Und schuld daran sind, wer sonst, die Israelis. Der Bericht wurde von vielen Tagesschau-Zuschauern zustimmend kommentiert ("Seit Jahrzehnten werden die Menschen in Palästina durch Israel unterdrückt und schikaniert. Es wird höchste Zeit dass die UNO diese Verbrechen beendet."), bis die Kommentarfunktion um 23.33 Uhr geschlossen wurde.

Was ist nun dran an der Geschichte mit den Brunnen, die nicht gebaut werden dürfen, weil die Israelis die Ressourcen kontrollieren? Es gebe in der Tat eine Wassernot, schreibt Ulrich Sahm,  aber weniger in der Westbank als in der Redaktion der Tagesschau. Siehe auch Alex Feuerherdt über Israel, die Palästinenser und das Wasser

Die Geschichte über die Familie Osman in dem Dorf Salfit ist nicht die erste Reportage, die sich der Tel Aviver Korrespondent der ARD, Markus Rosch, weitgehend aus dem Daumen gelutscht hat. Unvergessen sein Besuch im Al-Shati-Camp in Gaza, wo "über 100.000 Menschen auf zwölf Quadratmetern" leben, darunter auch ein Palästinenser, der aus lauter Verzweiflung mit Drohnen spielt. Beinah hätte Rosch dafür den Grimme-Preis in der Kategorie "Besser gut erfunden als schlecht recherchiert" bekommen.

Um sich etwas "Street Credibility" zu verschaffen, lässt Rosch diesmal einen deutschen Experten zu Wort kommen, der seit 20 Jahren in der Westbank lebt und arbeitet, den Hydrogeologen Clemens Messerschmid. Als der Gaza-Streifen wegen heftiger Regengüsse - ebenso wie Tel Aviv - unter Wasser stand, behauptete der Hydrogeologe, "Israel habe Staudämme geöffnet, die es allein gebaut habe, um im Winter den Gazastreifen zu überschwemmen oder – vielleicht besser ausgedrückt – wegzuschwemmen", schreibt Sahm. Ein Schönheitsfehler an dieser Erklärung war nur, dass es die Staudämme nicht gab.

Der Mann ist eben nicht nur Wasserexperte, sondern auch ein politischer Aktivist, der seine Agenda ausgerechnet dem muslim-markt offenbart hat. Aber das ist niemand in der Hamburger Zentrale der Tagesschau aufgefallen, und den Namen einfach mal zu googeln, wäre zu viel verlangt gewesen. 

Hier die Langfassung des Interviews, das Rosch mit Messerschmid geführt hat.. 

Nun warten wir, dass Rosch wieder in Gaza aufschlägt. Die Stadt hat was zu bieten. Oder in Aleppo, wo engagierte Hydrogeologen grade dringend gesucht werden.

Siehe auch: Die Tagesschau antwortet und die Antwort ist peinlich!

Und: Nachbemerkungen zu unseren Beiträgen über Wassermangel im Westjordanland, Tagesschau und Tagesthemen vom 14.8.2016

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Test 45: 42030

Giacomo Brigante / 17.08.2016

14 Buchstaben?Antisemit hat doch nur 9 BuchstabenJudenfeind hat 10Judenhasser und Antizionist je11Welches Wort meinten sie?Wir müssen uns wohl darauf einstellen, dass dies erst die Anfänge sind.Die "Qualitätsmedien" wollen sich bei der immer größer werdenden islamistischen...ups islamischen community anbiedern.

martina müller / 17.08.2016

hallo herr broder,ich hätte gerne einen einzigen wasserexperten, der von beiden seiten anerkannt ist! sowohl von israelis als auch von palästinenser!alles andere bringt nix.ulrich sahn ist unter palästinenser nicht anerkannt, und das wissen sie. insofern ist er nicht haltbar.viele grüßemartina müller

Viola Heyer / 17.08.2016

Die Palästinenser haben ein Wasserproblem.Der Staatsfunk hat ein Wahrheitsproblem.Beides ist hausgemacht.

Gaby Wuestensohn / 17.08.2016

Sorry, mein voriger Kommentar ist überflüssig, da schon drin und kann entfernt werden.Also gut recherchiert, Hut ab... :-)

Michel Rodzynek / 17.08.2016

ISRAEL-BERICHTERSTATTUNG IN DEUTSCHEN MEDIENVORURTEILE ODER (UND) DUMMHEIT ?Die bedenkliche Berichterstattung über den Nahen Osten in vielen deutschen Medien verdichtet sich auf eine simple Formel: Die Palästinenser sind Opfer, die Israelis Täter.Vordergründig betrachtet wird der hinterhältige (von Türkei-Präsident Recep Erdogan offenbar gesponserte !) Hamas-Terror auf wehrlose Zivilisten quasi als unvermeidbarer Freiheitskampf eines angeblich unterdrückten Volkes betrachtet.Über die Hintergründe dieser Ungerechtigkeit wird in unseren Kreisen viel spekuliert; die bevorzugte Diagnose für die Einäugigkeit staatlicher TV-Sender wie ARD und ZDF lautet „antisemitische Grundhaltung”. Dieser oft ­pauschale Vorwurf einer Voreingenommenheit gegenüber Juden und Israelis lässt sich allein schon vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Massenmordes und der ewigen Feindlichkeit gegenüber Menschen unserer Herkunft in zahlreichen Ländern nachvollziehen.Aber ist das wirklich so? Resultiert der schmerzliche Defizit eines angemessenen Verständnisses für die Haltung Israels tatsächlich aus solchen Vorurteilen? Oder zeigt sich auch hier die unerträgliche Oberflächlichkeit der heutigen Berichterstattung für eine zunehmend verblödete Spaß­gesellschaft, die kaum noch Zeit und Aufwand für verantwortungsvolle Recherchen erübrigt und auch personell vielfach auf Mitarbeiter ohne angemessene Qualifikation und journalistischem Gespür setzt?Keine Frage, das eine schließt das andere nicht aus und was wir auf den modernen Fernsehdisplays gestochen scharfer HD-Bilder ertragen müssen, ist gewiss eine Mischung aus beidem.Ich persönlich habe aber auch noch eine weitere Theorie: Die publizistisch schlimme Verfälschung von Israels Existenzkampf seit seiner Staatsgründung 1948 zu einer Menschenrechtsverletztenden Besatzungsmacht mag vielleicht auch das eigene Schuldbewusstsein über den begangenen Holocaust lindern, weil somit die Opfererben auf die Täterseite gezogen werden. Diese Selbsttäuschung könnte – zumindest symbolisch – eine so genannte Legitimation für die ewigen Vorurteile gegenüber dem jüdischen Volk ­liefern. Eine weitere Rolle spielt die unvorstellbare Stärke des israelischen Militärs, die allen traditionellen (Negativ-)Klischees vom „schwachen” Juden widerspricht.Die berechtigte Medienschelte in diesem Zusammenhang sollte uns aber nicht vor gebotener Selbstkritik befreien. Was unternehmen wir Juden in Deutschland denn gegen diese kommunikativen Verunglimpfungen unserer Nation; wo engagieren sich Zentralrat oder Gemeinden für die wirklichen Interessen der von ihnen repräsentierten Gemeinschaft? Ich höre immer nur eine weinerliche Jammerei über Antisemitismus mit dem gehobenen Zeigefinger von Funktionären, die ihre Hände primär für die eigene Beköstigung an üppigen Buffets einsetzen. Wo beispielsweise war der lautstarke Protest von ZR-Präsident Josef Schuster und der Berliner Gemeinde als das renommierte (einst jüdische) Hotel Kempinski jüngst gegenüber dem französischen Regisseur Claude Lanzmann erklärte, die Landesvorwahl Israels auf angeblichem Druck seiner arabischen Gäste nicht auf seiner Telefonliste aufzuführen?Es wird höchste Zeit für qualifizierte, mutige, offensive und auch konfliktbereite Interessenvertreter der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, die endlich auch ihre Verantwortung für den Staat Israel erfüllen muss. Ungeachtet von der eigenen Nationalität und Meinung über die Politik der aktuellen Regierung. Das sind wir unseren Glaubensbrüdern in Israel und vor allem auch den Menschen schuldig, die aufgrund ihrer Jüdischen Herkunft ihr Leben verloren haben.

Anne Cejp / 17.08.2016

Marcus Rosch spricht in einem Beitrag von 100 000 Gaza Bewohnern auf 12 Quadratmetern, im nächsten Beitrag benennt er den Hydrologen – oder was auch immer der sein möge – Messerschmidt zu Wasserschmidt um, was schon ein Witz an sich ist. Den verblendeten Eifer von dem dieser Mensch besessen ist, kann man gut in 14 Buchstaben ausdrücken.

Michael Riepen / 17.08.2016

Erschreckend natürlich die standing ovations und das Altmännertätscheln mit der Kröte aus Würselen. Zweitens aber erschreckend, daß dieser Skandal, der ja vom 23.6. datiert, bis jetzt von den Medien nicht mal erwähnt wurde. Bitte liebe Mitleser, pfeiffen Sie sich die Kommentare auf dem Tagesspiegel zur Abbas-Rede rein, speziell "hammerling" u. "ruebenkraut". Da diese Kommentare nicht gelöscht wurden, fährt der Tagesspiegel offenbar weiter zweigleisig.

Weitere anzeigen

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 05.07.2025 / 06:15 / 103

Dunja Hayali und die Wege der Diplomatie

Dunja Hayali hat vor kurzem Sigmar Gabriel im heute journal interviewt, routiniert wie immer. Dabei berief sie sich auf das Völkerrecht und behauptete, Kriege würden…/ mehr

Henryk M. Broder / 15.06.2025 / 13:00 / 14

Was Sie schon immer über den Antizionismus wissen wollten ...

An diesem Wochenende findet in Wien der erste jüdisch-antizionistische Kongress statt. Das Ereignis wird seit Wochen in den sozialen Medien konspirativ beworben. Der Veranstaltungsort wird…/ mehr

Henryk M. Broder / 10.06.2025 / 16:00 / 54

Der antisemitische Furor der gehobenen Stände

Die Zeit wird offenbar auch von Lesern konsumiert, die nicht ganz zum postulierten liberalen Profil des Blattes passen. Was sich bei deren Online-Ausgabe unter den…/ mehr

Henryk M. Broder / 01.06.2025 / 06:00 / 94

Endlich muss man „Messerstecher*innen“ sagen

Was wollte die Messerstecherin von Hamburg mit ihrer Tat beweisen? Die 39-jährige weiße deutsche Frau, die im Getümmel des Hamburger Hauptbahnhofs unter Einsatz eines Messers…/ mehr

Henryk M. Broder / 26.05.2025 / 12:00 / 59

Überleben, um von Kriegsverbrechen abzulenken?

Warum wächst der Antisemitismus eigentlich, wenn es immer mehr und neue Antisemitismus-Beauftragte gibt? Vielleicht, weil manch einer, der sich dazu berufen fühlt, auch schon mal…/ mehr

Henryk M. Broder / 21.05.2025 / 17:00 / 0

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts – Heute: Wolfgang K.

Wolfgang Koydl plädiert in der Weltwoche für einen "Diktatfrieden" zu Lasten der Ukraine. Denn: "Diktatfrieden werden dem Kriegsgegner auferlegt, der den Krieg verloren hat. Dies…/ mehr

Henryk M. Broder / 20.04.2025 / 12:00 / 40

Eine Chronik der Massaker in Kosovo

Dies ist kein Coffee-Table-Buch, kein Buch, das man auf Reisen mitnimmt. Und keine erbauliche Lektüre. Der Inhalt kommt einer Schocktherapie sehr nahe. Es ist eine…/ mehr

Henryk M. Broder / 31.03.2025 / 14:00 / 48

Al-Quds Tag: Positioniert euch!

The same procedure as every year! Nur dass dieses Mal der Präsident des Zentralrates der Juden muslimische Verbände um Hilfe bittet. Leider vergeblich. Stellen Sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com