Die Tagesschau in Platons Höhle

Durch Lockdown und Zwangsgebühren ist ein Großteil unserer Gesellschaft zu Höhlenbewohnern geworden – so wie sie Platon in seinem berühmten Gleichnis beschreibt. Das ist heute noch so wie vor 2.500 Jahren.

Vor Kurzem telefonierte ich abends von meinem Zuhause in Kapstadt mit einem Bekannten in Deutschland, da hörte ich im Hintergrund unseres Gespräches eine weibliche Stimme: „Schatz, kommst du?“ Es war genau 20 Uhr. Ein anderes Mal saß ich mit einem Freund im Café, der schaute auf die Uhr, stand auf und entschuldigte sich mit den Worten: „Ich hab noch einen längeren Anruf nach Deutschland, und der muss bis 8 Uhr fertig sein.“

Es gab noch weitere Episoden dieser Art, welche mir die Bedeutung besagter Uhrzeit im deutschen Tagesablauf deutlich machten, und mir war durchaus klar, was die Ursache war. Unwillkürlich erschien vor meinem geistigen Auge das Bild von Abermillionen Menschen, die völlig synchron vor Abermillionen von Fernsehern Platz nehmen, um Abermillionen identischer Lichtspiele zu folgen, die auf der Mattscheibe vor ihnen ablaufen. Ich sah Abermillionen Männer und Frauen, die wie in Hypnose synchron die Hände vor Entrüstung in die Höhe werfen, oder aber die Köpfe schütteln, um ihrer Verachtung Ausdruck zu geben.

Und da erinnerte ich mich an eine Schulstunde, als der Lehrer uns mit viel Pathos von Menschen in einer Höhle, von Feuer und Schatten erzählte. Wir Schüler nahmen die Bedeutung dieser Geschichte damals nicht so richtig wahr und tauschten unter der Bank Heftchen mit Bildchen aus. Was wir dabei versäumten, war das Höhlengleichnis, das heute so aktuell ist wie damals zur Schulzeit beziehungsweise wie vor 2.500 Jahren in Platons Heimat Athen.

Willkommen in Platons Höhle

Ich gebe Ihnen die Geschichte hier wieder, in Anlehnung an einen Text aus mygestalttherapy.com:

Eine Anzahl Gefangener lebt seit ihrer Geburt in einer Höhle. Sie haben die Außenwelt nie gesehen, sie kennen nur ihr elendes Dasein unter Tage. Mit dem Blick auf eine Wand gerichtet, sind sie angekettet und können den Kopf nicht drehen. Hinter ihnen brennt ein Feuer, das schwaches Licht erzeugt. Gelegentlich gehen Menschen hinter ihnen an dem Feuer vorbei. Sie tragen Tiere oder Figuren mit sich, deren Schattenbild dann auf der Wand erscheint, sodass die Gefangenen es sehen können.

Die Gefangenen, die nie etwas anderes erblickt haben als diese Schatten, geben ihnen Namen. Sie sind überzeugt, es seien echte Wesen. Sie sprechen mit Begeisterung und Hingabe von ihnen, in der Annahme, man müsse sich in Sachen Schatten gut auskennen, um im Leben erfolgreich zu sein.

Eines Tages gelingt es einem Gefangenen, sich aus der Höhle zu befreien und in die Außenwelt zu fliehen. Anfangs ist er vom starken Sonnenlicht geblendet, aber dann beginnt er zu sehen und er findet alles sehr bunt, aufregend und voller Leben. Er sieht die wirklichen Formen der Dinge, die er bisher nur als Schatten kennengelernt hatte; er sieht richtige Kaninchen, Vögel, Blumen, Menschen, Gegenstände, und sogar den Himmel und die Sterne.

Man erklärt ihm, dass hier draußen alles echt sei, und dass die Schattenbilder nur Phantome sind. Erst will er das nicht glauben, wird aber bald überzeugt, als er mit eigenen Augen beobachtet, wie die Sonne mit ihrem Licht Schattenbilder von wirklichen Gegenständen erzeugt. Er nimmt wahr, dass die Wirklichkeit dreidimensional ist, die Schatten aber nur zwei Dimensionen haben.

Der Geflohene kehrt zurück in die Höhle und erzählt voller Begeisterung, was er draußen erlebt hat, aber niemand will ihm glauben. Er will den Gefangenen etwas Gutes tun und versucht, sie zu befreien, aber die wehren sich und halten ihn für verrückt. Er nämlich, dessen Augen sich an das helle Licht der Sonne gewöhnt haben, kann die Schatten in der Finsternis jetzt nicht mehr richtig wahr- und ernstnehmen. Und somit hat er in der Höhle nichts mehr zu suchen, er muss ausgestoßen oder vernichtet werden.

Die Höhle ist das Wohnzimmer

Ich werde nun keinesfalls versuchen, eine allgemein gültige Interpretation dieses bedeutenden Gleichnisses zu liefern. Ich erlaube mir aber, einige verblüffende Parallelen zu gesellschaftlichen Phänomenen der heutigen Zeit aufzuzeigen.

Dank Lockdown sind wir Gefangene in unserem Wohnzimmer, in unserer Höhle, an deren Wand ein großer Bildschirm hängt. Die Zwangsgebühren erzwingen den Blick auf diese Wand, auf der zweidimensionale Schatten erscheinen, welche vom Betrachter für die Wirklichkeit gehalten werden.

Die Zuschauer, welche die Ereignisse nie anders erlebt haben als in Form dieser Schatten, geben ihnen Namen und glauben, es seien echte Wesen. Sie sprechen mit Begeisterung und Hingabe von ihnen, in der Annahme, man müsse sich in Sachen Schatten gut auskennen, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Einige Gefangene befreien sich aus der Höhle und fliehen in die Außenwelt. Zuerst brennt ihnen die Sonne in den Augen, aber dann beginnen sie zu sehen, und sie erkennen, dass die Wirklichkeit mit den Schatten wenig gemeinsam hat.

Sie sehen eine Demonstration, wo nicht etwa Neonazis die Polizei verprügeln, sondern sie sehen Polizisten, welche harmlose Bürger aufs Pflaster werfen, weil sie keine Maske tragen. Sie zählen Hunderttausend Teilnehmer, um dann in der Tagesschau nur von ein paar Tausend zu hören.

Fast immer, wenn sie jetzt selbst Zeugen von wichtigen Ereignissen werden, dann hat ihr Erleben kaum Ähnlichkeit mit den Schattenbildern, die sie vom Fernsehen kennen.

„Schädlinge“, „Covidioten“ oder „Klimaleugner“

Die Geflohenen kehren zurück in ihre Höhlen und erzählen, was sie draußen erlebt haben, aber niemand will ihnen glauben. Sie versuchen die Gefangenen aus ihrer Hypnose zu erwecken, aber die wehren sich mit aller Kraft. Die Ausreißer nämlich, deren Augen sich an das helle Licht der Wirklichkeit gewöhnt haben, können die Schatten auf den Bildschirmen jetzt nicht mehr ernst nehmen, und das macht sie verdächtig.

Die Gefangenen einigen sich darauf, dass die Eindringlinge nicht nur verrückt seien, weil sie die Bilder an der Wand verleugneten, sondern auch gefährlich. Sie geben ihnen Namen wie „Schädlinge“, „Covidioten“ oder „Klimaleugner“. Sie verstoßen sie aus ihrer Gemeinschaft und bezeichnen ihr unsoziales Verhalten ganz stolz als „Cancel Culture“ –  es ist die einzige „Kultur“, die ihnen geblieben ist.

Mut und Verstand

Platon bietet als Instrument zur Befreiung aus der Höhle die Beschäftigung mit der Philosophie an. Vielleicht ist es das, was Immanuel Kant als Aufklärung bezeichnete:

„Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Dazu bedarf es also Mutes und Verstands. Wie verbreitet sind diese Tugenden nun in einem Deutschland, das sechzehn Jahre lang wie in einem riesigen Kindergarten „genudged“ und bemuttert wurde? Wo die Radfahrerinnen mit FFP2-Maske im Gesicht alleine vor sich hin strampeln? Wo die Vierjährigen im Sandkasten mit Sturzhelm und Schutzbrille bewaffnet sind? Wo „Angst vor Klimawandel“ das Hauptfach in der Schule ist?

In der Geschichte gab es immer Epochen, während derer die Menschheit sich im Freien wohler fühlte als in der Höhle, vielleicht in der Renaissance; und es gab Epochen, als man sich lieber in die Höhle zurückzog, etwa im Mittelalter, aber ganz offensichtlich auch im frühen dritten Jahrtausend.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Illustration Stefan Klinkigt/ Carl Arriens

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Leserpost

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Brian Ostroga / 22.09.2021

Ich weiss, ein Beitrag kurz vor 12 nicht gut ... wird auch nur bedingt besser. Das Beispiel der Höhle kannte nich nicht, Bildungslücke die nun geschlossen ist. Ich komme gleich zum Thema, in dem Beispiel erkannte ich mich selbst, meine Meinung zum Thema Corona damals und heute. Ein kurzer Song vom Album “anekdotische Evidenz”, im März(oder später) 2020 meldete sich ein Pathologe aus Hamburg/Bremen(? ... ne weile her, mieses Namensgedächtnis) und sagte ihm kam noch kein Coron-Fall unter, der nicht einschlägige Vorerkrankungen hatte und eh in 1-2Jahren an ihnen verstorben wäre. Dachte damals noch “was für ein Verharmloser, Wichtigtuer und schlimmeres…”,  habe damals auch die Schatten für Realität gehalten und bin der Angst auf den Leim gegangen. Mit dem Wissen von heute, inklusive all den korrigierten und geänderten Zahlen/Begründungen/Zählweisen, sowie den revidierten Aussagen/Prognosen/Versprechungen ... hätte ich und andere es damals für “barere” Münze genommen, es wäre uns einiges erspart geblieben. Man lernt nie aus ... aber Hauptsache man lernt.

Ralf.Michael / 22.09.2021

Des kleinen Mannes Sonnenschein ist F**ken und Besoffen sein. Da habe ich früher immer darüber gelacht, heute nicht mehr. Heute gefriert mir das Lachen im Gesicht. Couch, ein paar SixPack``s, Glotze an und Mutti besorgt noch ne Pizza !! Herz, was begehrst du mehr ? DSDS, Komödienstadl, Musik, Kübelböcke und Silbereisen, Talkschows around the Clock mit Cheerleadern und Drag-Queens ?? Ist es das jetzt ?? Rückschritt, Verfall und Dekadenz ?? Ja, Ja und nochmal Ja !! Deshalb können unsere politischr Vorturner mit Uns alles machen, Keiner mekt es. Deutschland ist ein reiches Land und das Beste, in dem wir je gelebt haben. Die TopDown-Spirale beschleunigt immer schneller, deshalb : Lass Uns zum Schluss noch einen Absacker nehmen, das Erwachen wird fürchterlich werden !!

Ulrich Viebahn / 22.09.2021

Sehr schön transponiert. Die Parallelen stimmen Stück für Stück. Leider weiß ich nicht, wie die Geschichte ausgeht.

giesemann gerhard / 22.09.2021

Hätten die tatsächlich damals schon Papier gehabt - also Masken daraus - dann säße da garantiert einer und läse den anderen vor, was sie zu tun haben. So aber ... .

B. Kurz / 22.09.2021

Nach einem meiner “Querdenker-Vorträge” sagte mir eine Bekannte, dass man ja gar nicht mehr weiß, was man noch glauben kann. Ich riet ihr, für den Anfang einfach mal für eine Woche auf die Gehirnwäsche der Tagesschau zu verzichten. Daraufhin sah sie mich an, als wäre ich vom anderen Stern und brachte nur noch ein empörtes “na, also ...” heraus!  // @Gerhard Mader / 22.09.2021 Im Prinzip halte ich es mit Nachrichtensendungen wie Sie, aber dass der Wetterbericht noch sachlich-objektiv ist, ist m.E. auch nicht mehr uneingeschränkt der Fall. Achten Sie mal auf die mehr oder weniger gut versteckten Hinweise auf die “Klimakatastrophe”.

Florian Bode / 22.09.2021

Da der Staat kein Interesse daran hat, dass die Bürger ihren Verstand gebrauchen, wird das nur wenig in der Schule vermittelt. Zunehmend wird die Bildung unter Nützlichkeitsaspekten betrachtet. Vorbei- und Querdenken ist verpönt. Daher gibt es auch immer mehr Herrenfriseure und Telefondesinfizierer und immer weniger Ingenieure, Grundlagenforscher und Entwickler in Schland.

A. Adam / 22.09.2021

“Die Zwangsgebühren erzwingen den Blick auf diese Wand…” Also nein, bei mir - und sicher vielen anderen Lesern hier - erzwingen auch die Zwangsgebühren gar nichts mehr. Ich tu mir den ganzen Mist, den die ÖRR und auch die meisten anderen Sender mir vorsetzen, schon seit Jahren nicht mehr an. Hin und wieder schaue ich mir höchstens mal eine Doku (aber keine politische!) an, aber selbst dabei stelle ich immer wieder fest, dass versucht wird, mir um die Ecke herum noch “Haltung” einzubläuen. Sorry Leute, wirkt nicht mehr, denn Übertreibung erzeugt Überdruss. ••• “Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ... Wie verbreitet sind diese Tugenden nun in einem Deutschland, das sechzehn Jahre lang wie in einem riesigen Kindergarten „genudged“ und bemuttert wurde?” Das Einschläfern des Verstandes hat in Deutschland schon viel früher begonnen, nämlich mit Jahrzehnten rotgrüner “Bildungs"politik. Und seit viele Deutsche nur noch ein Kind haben, wird diesem Nachwuchs auch noch der Mut aberzogen, denn das gehätschelte Goldstück muss schließlich in Watte gepackt werden, damit ihm nichts zustößt (die armen Kinder!). Also, nein, mit den Tugenden Verstand und Mut steht es im heutigen Deutschland sehr schlecht, sie sind nicht verbreitet, sondern “Einzelfälle”.

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