Henryk M. Broder / 29.05.2020 / 12:00 / Foto: achgut.com / 49 / Seite ausdrucken

Die Tagesschau als Tribunal

Wie Sie vermutlich wissen, ist die Sicherheit Israels Teil der „deutschen Staatsräson“. Darüber, was das konkret bedeutet, kann man nur spekulieren. Alle, die es mit Israel gut meinen, hoffen freilich, der Tag möge nie eintreten, an dem Israel auf Hilfe aus Deutschland angewiesen wäre.  

Unbestritten ist, dass Israel – gerade so groß wie das Bundesland Hessen – eine überproportionale Aufmerksamkeit zuteil wird. Letzten Sonntag eröffnete die Tagesschau ihre 20-Uhr-Ausgabe mit der Nachricht, in Jerusalem habe der Prozess gegen den israelischen Ministerpräsidenten begonnen, dem die Anklage Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorwirft.

Mit Netanyahu stehe zum ersten Mal ein amtierender Regierungschef vor Gericht. Bei einer Verurteilung drohten ihm „bis zu zehn Jahre“ Haft. Was ihm im Falle eines Freispruchs drohen könnte – möglicherweise ein Urlaub mit seiner Frau Sarah in einem Hotel am Toten Meer – blieb ungesagt, womit suggeriert wurde, eine Verurteilung sei viel wahrscheinlicher als ein Freispruch. 

Was für Israel spricht

Man könnte die Geschichte auch anders erzählen. Es kommt in der Tat nicht oft vor, dass ein amtierender Regierungschef sich einem Verfahren wegen „Korruption“ stellen muss. Weder in den arabischen Staaten im Nahen und Mittleren Osten, noch in Europa, wo man das Wort „Korruption“ ungern in den Mund nimmt und lieber von „vertrauensfördernden Maßnahmen“ erzählt.

So betrachtet, spricht es für Israel, dass die Justiz den Ministerpräsidenten ins Visier nimmt, egal, wie der Prozess ausgeht. Der Kollege im Tel Aviver Studio der Tagesschau meinte allerdings, mit seinem „Frontalangriff auf die Justiz“ gehe Netanyahu das Risiko ein, „einen wichtigen Pfeiler des Staates zu beschädigen, dem er selbst als Premier vorsteht“, er setze „das Vertrauen in den Rechtsstaat aufs Spiel und auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft“.

Dem Bericht aus Tel Aviv folgte einer aus Hongkong, wo tausende von Menschen gegen ein von China geplantes „Sicherheitsgesetz“ in der „Sonderverwaltungzone“ demonstrierten. „Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Es gab zahlreiche Festnahmen.“ Der Reporter enthielt sich jeder Wertung.

Denn Demokratie in Hongkong ist kein Teil der deutschen Staatsräson.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: achgut.com

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Karla Kuhn / 29.05.2020

“...dem die Anklage Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorwirft.”  Leider habe ich nur das ENDE des Satzes gelesen, WER soll angeklagt werden, ein/e deutsche/r Politiker/in ??  WIRKLICH ??  Sind den Anzeigen (wie viel sollen es sein, über 1000 ??) gegen die “Allergrößte Kanzlerin” aller Zeiten etwa stattgegeben wurden ?? Oder gegen Frau Leyens MILLIONEN AFFAIRE ?? Oder, oder, oder ?? Ach nee, jetzt habe ich mir die Stimmung verdorben und den Anfang gelesen, keine/r der Politkaste aus Deutschland. ABER warum wird so ausführlich über einen ausländischen Präsidenten geschrieben, wo doch bei uns die K… am dampfen ist ?? FÜNFHUNDERT MILLIARDEN PAKT von Merkel und Macron, es sind UNSERE STEUERGELDER !! Oder doch nicht ? Ist es so, wie ein Professor es sagt, daß seit Jahren die Gelddruckmaschinen rotieren ??  Na ja aber dann wenigsten wegen dem enorm angestiegen Waffenexport. nein auch nicht, kommen doch u.a. derart “demokratische”  Länder wie Ägypten unter dem MILITÄRDIKTATOR SISSY in den Genuß der deutschen Waffen. Wirklich ein Schelm, wer da Böses dabei denkt ! Frank Stricker, wahrscheinlich. Herrlich !  “Es kommt in der Tat nicht oft vor, dass ein amtierender Regierungschef sich einem Verfahren wegen „Korruption“ stellen muss. Weder in den arabischen Staaten im Nahen und Mittleren Osten, noch in Europa, wo man das Wort „Korruption“ ungern in den Mund nimmt und lieber von „vertrauensfördernden Maßnahmen“ erzählt.”  Ach Herr Broder, Sie wieder mit Ihrer Akribie. ISLAMIST klingt doch auch viel harmloser als TERRORIST. Und die “VERTRAUENSFÖRDERNDEN Maßnahmen sind doch sowas von “harmlos!” WER soll denn da GERADE in DEUTSCHLAND das Wort KORRUPTION in den Mund nehmen ?? Da hackt man doch lieber auf ISRAEL rum, schließlich gab es schon immer Prügelknaben, Netanyahu kommt da gerade recht. Es läßt sich ja trefflich über andere herziehen, vor allem mit einer “WEIßEN WESTE. “

Michael Kunkel / 29.05.2020

Die Öffentlich-Rechtlichen sind nicht mehr neutrale Berichterstatter über Vorkommnisse in der Welt. Wichtiges wird zu Unwichtigem und umgekehrt, entscheidende Informationen werden vorenthalten, vernebelt, ins Gegenteil verkehrt. Mit raffiniertem Framing, Bildern, Hintergrundgeräuschen wird manipuliert. Gut, dass es noch Stimmen gibt, die eine andere Sicht der Dinge aufzeigen. Vielen Dank an die Autoren von Achgut.com und ihren Mut.

Karl Schmidt / 29.05.2020

Frau Merkel muss sich jedenfalls nicht vor einem deutschen Gericht verantworten, wenn sie wider die bestehenden Gesetze oder ganz ohne gehandelt hat. Spricht das aber nun für Frau Merkel oder gegen “ihr” Deutschland? Der “gesellschaftliche Zusammenhalt” (oder dessen “Gefährdung”) ist eine faszinierende Wortschöpfung der Linken: Ich frage mich immer, wie in ihrer Vorstellung eine Gesellschaft ohne Zusammenhalt aussieht: Ich dachte, eine Gesellschaft stellt eine solche Verbundenheit dar. Das müssen aber wohl zwei Dinge sein, die getrennte Wege gehen können: War die DDR vielleicht ein Staat mit Gesellschaft, aber ohne Zusammenhalt oder ein Zusammenhalt ohne Gesellschaft? War die Mauer ihr Zusammenhalt? Macht es dann aber nicht Sinn, einen solchen Zusammenhalt zu gefährden? Nun habe ich aber ohnehin so dermaßen keine Lust, mich mit Menschen verbunden zu fühlen, die mir ständig vorwerfen, ich würde ihre Verbundenheit, die sie - warum auch immer – an mich kettet, bedrohen oder mit Füßen treten. Ich bekomme bei solchen Leuten nicht einmal diesen “Dann geh doch”-Reflex, weil solcher Klammerer sowieso nicht zu meinem soziales Profil passen. Wahrscheinlich gucke ich deshalb nicht mehr Tagesschau. Ob es Netanyahu genauso geht? Jedenfalls muss er sich mal sagen lassen, dass man Korruption viel eleganter organisieren kann. So etwas wickelt man doch über NGOs ab. Gibt es in Israel denn keine AWO? Hat er etwa keine Hotels, die mit langfristigen Verträgen ausgestattet sind, um Migranten aufzunehmen? Ach, da war ja was mit der Ausländerpolitik - das macht er alles ganz falsch. Seine Methoden sind überholt. “Geschenke” sind eigensüchtig. Das muss sozial und als gesellschaftliche Großtat daher kommen, die die ganze Welt zusammen hält. So geht Korruption. In welchen Zeiten leben wir eigentlich, dass man das einem Juden erklären muss? Der taugt ja wirklich gar nichts. Da kann man ja nicht einmal einen überzeugenden Antisemitismus drauf aufbauen: Das ist viel zu unglaubwürdig.

Steffen Altmann / 29.05.2020

Genau so ist es, Herr Broder. Hier vergibt ein Verkehrsminister Millionenaufträge im dreistelligen Millionenbereich wohl wissend, dass die deutsche Mautregelung nach europäischem Recht zum Scheitern verurteilt ist.2015 öffnet Merkel die Grenzen und beruft sich auf moralischen Notstand. A propos Freunde Deutschlands. Ursula vdL hatte mal die Peschmerga als solche bezeichnet.Wen die deutsche Regierung als Freund benennt, sollte sich schnell nach neuen umschauen.

Jan Kandziora / 29.05.2020

Und zum Abschluss des Verfahrens dann der Aufmacher: »Sollte Netanyahu freigesprochen werden und seinen geplanten Urlaub am Toten Meer antreten, kann er immer noch von der sich dort regelmäßig auftuenden Erde verschluckt werden!«

Bernhard Freiling / 29.05.2020

Geht es da nicht um Zigarren und Alkohol? Also um so etwas Ähnliches wie Gastgeschenke? Nichtigkeiten aufzubauschen und wirklich Wichtiges zu hintertreiben hat bei deutschen Medien ja Tradition. “Wie der Polit-Herr, so’s Medien-Gescherr”. Wenn ich da an unseren Kurzzeit-Präsidenten Wulff denke.

Gabriele klein / 29.05.2020

...womit suggeriert wurde, eine Verurteilung sei viel wahrscheinlicher als ein Freispruch.  Stimmt doch, denn auch wenn sich die üble Nachrede am Ende als falsch rausstellt, der Effekt wurde erreicht und der politische Gegner ist tot nach dem man mit Hilfe solcher “Scheinverfahren” wunderbar eine Schlagzeile und Vermutung um die andere in den Blättern kursieren lassen kann. Ich frage mich wann man auf der konservativen Seite endlich lernt und genau mit der ganz genau gleichen Tour kontert.  Was der Eine kann kann auch der Andere. Man ist auf konservativer Seite so anständig dass es unanständig wird. Ich vermisse eine Latte von Verfahren, die den Staat und die ÖR in Haftung nehmen und zwar wegen Dingen die nicht erst noch aufgeklärt werden müssen, sondern handfest bereits vorliegen.

A.Lisboa / 29.05.2020

Diese gerne von den Berliner Politclowns erwähnte Staatsräson halte ich im Ernstfall für genauso belastbar wie die sog. Gefahr von Rechts im Lande. Deutschlands linke Politikermehrheit (87%) ist nicht bündnistreu: D erfüllt ja seit Jahren nicht einmal die Auflagen der NATO und bekämpft massiv seinen wichtigsten Verbündeten, die USA.  Es wird sich daher auch nicht an diese Staatsräson halten (technisch auch gar nicht können). Es sind alles nur Lippenbekenntnisse. Die Israelis sind den Deutschen in Sachen “Herstellung bzw. Halten der Sicherheit im Land” meilenweit voraus, und dies nicht nur technisch sondern auch geistig bzw. psychologisch. D.h. die Israelis werden niemals die völlig rückständige polizeiliche, militärische oder nachrichtendienstliche Hilfe von D einfordern. So eine “Hilfe” aus Deutschland würde tatsächlich die Gefahr für Israel nur weiter erhöhen. Wer von außen auf D einen Blick wirft und sieht, wie dieses Land seine Soldaten, seine Polizisten und seinen Geheimdienstchef behandelt, der kann sich eigentlich nur noch angewidert und kopfschüttelnd abwenden und auf Abstand gehen.

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