Es gibt sie noch, die Menschen mit Zivilcourage Der Verleger Christian Seeger wagt es, das Buch seines Autors Hubertus Knabe „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur“ herauszubringen. Frau Staatssekretärin Renate Meyer öffnet die Pforten ihrer Thüringer Landesvertretung, damit das Buch in einem würdigen Rahmen präsentiert werden kann .Als der Saal schon voll war, wurden einfach von überallher Stühle zusammengeklaubt, damit keiner abgewiesen werden musste, der sich anhören wollte, was der „Cicero“ sich nicht vorabzudrucken traute. Ausgerechnet die selbsternannte Edelpostille der einflussreichsten Intellektuellen kniff damit zeitgeistgemäß den Schwanz ein. Schließlich leben wir in Zeiten, da Mohnhaupt nicht Mörderin, Gysi nicht Stasispitzel und die DDR nicht SED- Diktatur genannt werden sollen. Das lässt sich noch steigern: der Stasiknast Hohenschönhausen war ein begehrtes Wellness- Paradies mit Schwimmbecken und Sauna.
Die Gefangenen stellten Einweisungsanträge, um dorthin zu gelangen. Die Angehörigen der Staatssicherheit konnten vor Sorge um das Wohlergehen ihrer Mitmenschen kaum schlafen und die Volksarmee der DDR stand gemeinsam mit der Bundeswehr an der Grenze auf Friedenswacht Wer an eben dieser Grenze erschossen wurde, hatte das selbst herausgefordert. Und einem politischen Gefangenen in der DDR die Knochen gebrochen zu haben, muß mit Milde beurteilt werden, denn als Politischer sei er ja ein besonders schlimmer Feind des Systems gewesen, an dem das Herz des Schlägers nun mal hing. Dies ist nur eine Auswahl der Talkshowäußerungen, Selbstbeschreibungen, Museumsinhalte und Richtersprüche, die zur Verklärung der DDR und damit zur Geschichtsfälschung beitragen.
All die unermüdlichen Kämpfer gegen die historische Wahrheit wären noch viel erfolgreicher, wenn es Menschen wie Hubertus Knabe nicht gäbe. Der Direktor der der Gedenkstätte Hohenschönhausen hat bereits das fünfte Buch zur Geschichte der SED-Diktatur vorgelegt.
Mit jedem Einzelnen hat er gegen die fortgesetzten Versuche angeschrieben, das Unrechtsregime der SED zum Kavaliersdelikt zu verniedlichen. Diesmal zieht er eine sehr kritische Bilanz des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit.
Er beschreibt die mangelnde strafrechtliche Verfolgung der Täter, ihre großzügige finanzielle Ausstattung durch den Rechtsstaat, der die ehemaligen Schergen nicht belangen mochte. Diesem großzügigen Umgang mit den Tätern stellt Knabe die schäbige Behandlung der Widerständler gegen das SED-Regime gegenüber, deren Zivilcourage im Kampf um Freiheit und Demokratie kaum öffentliche Wertschätzung erfährt und die man mit einer „Opferrente“ von höchstens 250€ bei „Bedürftigkeit“ abspeisen will. Knabe weist mit Recht darauf hin, dass diese Behandlung ehemaliger politischer Gefangener der DDR im vereinigten Deutschland ein verheerendes Signal an die Jugend ist. Denn die Botschaft lautet: seine Mitmenschen in Zeiten der Diktatur verfolgt und gemaßregelt zu haben, wird in der Demokratie mit Nachsicht betrachtet, sich gegen Unrecht zur Wehr gesetzt zu haben, wird gering geschätzt. Das schadet einer Gesellschaft, die darauf angewiesen ist, dass ihre Bürger aktiv für Recht und Freiheit eintreten.
Wie genau Knabes Analysen die Wirklichkeit widerspiegeln, wird deutlich, als sich nach der Vorstellung des Buches einer der Zuhörer zu Wort meldet. Es handelt sich um Mario Röllig, der als Neunzehnjähriger der Staatssicherheit in die Hände fiel, nachdem sein Fluchtversuch über Ungarn missglückt war. Drei Monate Verhöre und Isolationshaft folgten. Der Jugendliche versucht sich gegen seinen Vernehmer zu wehren, indem er ihn anlacht, statt die gewünschten Aussagen zu machen. Daraufhin wird er ins Haftkrankenhaus gebracht. Damit ihm das Lachen verginge, begann der Arzt seine Fußsohlen mit einer Bürste zu kitzeln, bis er vor Lachen und Schmerzen ohnmächtig wurde. Von dieser Behandlung ist dem jungen Mann ein ständiges stechendes und brennendes Gefühl in den Fußsohlen geblieben. Er kann nur unter äußerster Willensanstrengung seine eigenen Füße berühren. Aber das Sozialgericht Berlin weigert sich, die daraus entstandene Polyneuropathie als Haftfolgeschaden anzuerkennen. Der junge Mann mache Führungen durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen, da könne es ihm ja nicht so schlecht gehen.
Dieser Zynismus der Berliner Sozialrichter ist leider nicht untypisch für den Umgang mit Politischen Gefangenen der DDR. Deshalb sind Bücher wie das von Hubertus Knabe so wichtig.