Cora Stephan / 19.01.2023 / 10:00 / Foto: Fabian Nicolay / 24 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Vom Bauernsterben (Teil 2)

Der Aktivist Bauer Willi moniert, dass Landwirte mit Schreckensbegriffen wie „Massentierhaltung, Monokulturen, Pestiziden, Nitrat und Gentechnik“ verunglimpft würden. Maßlose Forderungen belasteten die landwirtschaftliche Produktion und gefährdeten die nationale Lebensmittelversorgung.

Blick zurück: Nostalgie ist nicht angesagt. Insbesondere kleine bäuerliche Betriebe hatten vor 40, 50 Jahren oft genug andere Probleme, um sich groß ums Tierwohl kümmern zu können. Schweine und Rinder in heruntergekommenen und dunklen Ställen zu halten, war eher normal.

Unsere Haustierverhätschelung kannte man nicht: Der angekettete Hofhund hatte Meldung zu machen, und die Katzen waren fürs Mausen angestellt. Im Haus hatten sie ebenso wenig zu suchen wie Schwein und Kalb. Ein unsentimentales Verhältnis zu Tieren, die irgendwann geschlachtet werden sollen, ist gewiss auch heute noch vorherrschend.

Doch die allfällige Kritik an Massentierhaltung, die Vorliebe für Bio, Natur- und Klimaschutz, übersieht, wie sehr sich die konventionelle Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Auf den Äckern und Weiden sind Fachleute unterwegs, die hohe Produktivität mit sorgsamem Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln verbinden, ohne dass vegetarisch lebende Landwirtschaftsminister ihnen das vorschreiben müssten. Moderne Ställe bekommen den Tieren weit besser als die alten Knäste, auch wenn in ihnen weit mehr Tiere stehen. Dem teureren und größere Flächen verschlingenden Biolandbau ist längst Konkurrenz entstanden. Nur unsere Grünen und die woken Städter haben das offenbar nicht mitbekommen.

Weckruf an die Verbraucher

Oder doch? Viele loben Bio, kaufen ihre Lebensmittel aber lieber möglichst billig ein – offenbar ganz ohne sich damit zu vergiften. Auch der Schweizer Vordenker des ökologischen Landbaus Urs Niggli hat das erkannt – wir könnten nicht „in der Bioblase vor uns her träumen und glücklich sein“, meint er. Biolandbau sei weniger produktiv, verbrauche mehr Flächen und exportiere „Umweltwirkungen“ in andere Länder. Biolandbau ist für Zuckerrüben und Raps nicht geeignet – importieren wir das also einfach, egal, wie es woanders produziert wurde. Schon seltsam, wieviel Vertrauen es in die Maßstäbe anderer Länder zu geben scheint – beim Fleischimport aus Argentinien oder Paraguay fragt offenbar auch niemand nach dem dort vorherrschenden Tierwohl.

Die Diskussion hierzulande ist geprägt von Schreckensbegriffen wie „Massentierhaltung, Monokulturen, Pestiziden, Nitrat und Gentechnik“, moniert Bauer Willi – Dr. Willi Kremer-Schillings – in seiner soeben erschienenen Philippika „Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“. Massive Anklagen und maßlose Forderungen belasteten die landwirtschaftliche Produktion und gefährdeten die nationale Lebensmittelversorgung.

Sein Weckruf richtet sich an die Verbraucher, die sich von all den Schreckensmeldungen irre machen lasse – und dennoch vor allem billig einkaufen möchten. Doppelmoral, mit anderen Worten. Nein, sagt Bauer Willi, der Nitratdünger ausbringende Landwirt verseuche nicht das Trinkwasser. Nicht Mist auf den Feldern und Kuhfladen auf den Wiesen töte Insekten, sondern im Gegenteil, diese meiden Flächen, die zum Naturschutzgebiet umgewidmet wurden. Glyphosat wiederum, das verboten werden soll, sei von weit geringerer Giftigkeit als „natürliche“ pflanzliche Spritzmittel. Und die „klimafreundlichen“ Biogasanlagen? Brauchen Monokulturen wie Mais, also den Boden auslaugende „Maiswüsten“, die weder für Artenvielfalt noch für lustiges Insektenleben sorgen. Übrigens: was ist eigentlich mit all den Insekten und anderen Lebewesen, die beim Abernten eines Getreidefeldes ums Leben kommen?

„Wir Bauern können alles.“

Natur ist nicht lieb und gut, man muss ihr die Nahrung schon abringen. Landwirtschaft ist immer ein Eingriff in die Natur. Ohne den Kampf gegen die Natur geht es nicht – zumal wenn es gilt, 8 Milliarden Menschen zu ernähren.

Weniger Fleisch essen, wird derweil verkündet. Weniger Rinder und Schweine halten, die mit ihren Methanrülpsern das Klima schänden. Dabei ist eigentlich nichts nachhaltiger, als das Fleisch von Tieren zu essen, die es schaffen, für Menschen unverdauliches Gras in Eiweiß umzuwandeln. Weltweit taugen drei Fünftel der Landfläche nicht für Ackerbau, um Lebensmittel für den direkten menschlichen Verzehr zu erzeugen. Mal abgesehen davon, dass weniger Dünger durch Viehhaltung den Eintrag von mehr künstlichem Dünger bedeutet.

Und was bedeutet eine Halbierung der Nutztierhaltung angesichts von 27 Millionen Haustieren in Deutschland, die Fleisch fressen? Tja. Katzen oder Hunde lassen sich nicht zu Vegetariern umerziehen, das wäre im Übrigen Tierquälerei.

Wie es weiter geht? Bauer Willi fürchtet, dass die Zahl der bäuerlichen Betriebe in Deutschland im Jahre 2040 von derzeit 265.000 auf rund 100.000 gesunken sein könnte. Es sei denn, man begreift endlich die Landwirte als Kulturbewahrer: „Wir Bauern können alles. Wir können Naturschutz, wir können Artenschutz, wir können Klimaschutz, wir können Tierwohl.“ Man müsse sie nur ordnungsgemäß dafür bezahlen. Das mache die Lebensmittel teurer, gewiss, doch die Bauern nicht reicher. „Nein, die Lebensmittel werden teurer, weil eure Ansprüche (…) so gestiegen sind. Wir Bauern können alles, es muss nur bezahlt werden. Von euch, denn ihr habt die Musik bestellt.“

Wunderbar geeignet für einen saftigen Familienstreit

Kleine Mäkelei zum Schluss:

Bauer Willi hält nichts von flächendeckenden Solaranlagen. Über die Windkraft aber verliert er kein Wort. Weil manch ein Landwirt, der nicht mehr ertragreich wirtschaften kann, seine Flächen lieber an die Windbauern verpachtet? Die Folgen des Humbugs von der „Energiewende“ sind dauerhafte Bodenversiegelung, Insekten- und Vogelsterben sowie womöglich auch weitreichende Auswirkungen aufs Wetter beziehungsweise Klima:

„Die Windenergie könnte auch massiven Einfluss auf das Klima selbst haben. 2017 gestand die deutsche Oberbehörde ein, dass laut Messwerten die Windgeschwindigkeit abnehme (…) Dass es in der Umgebung von Windkraft-Anlagen zu höheren Temperaturen kommt, ist de facto belegt.“

Aber das ändert nichts an meiner Leseempfehlung. Das Buch ist wunderbar geeignet für einen saftigen Familienstreit, ob man nun allem zustimmt oder nicht, auf jeden Fall gibt es hier eine Vielfalt von Fakten und Argumenten, die als Waffen eingesetzt werden können. Auch den jugendlichen Idealisten kann man es nicht rechtzeitig genug in die Hand drücken: Seht her, so ist die Welt. Rücksichtslos und gemein. Und wusstet ihr, übrigens, liebe Kinder, dass bei uns die meiste Bioware aus China kommt? Wer weiß schon, wie es dort zugeht.

Und deshalb: Better trust your local Landwirt.

Teil 1 finden Sie hier.

 

„Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“ von Dr. Willi Kremer-Schillings, 2023, Westend Verlag: Frankfurt am Main 2023. Hier bestellbar.

Foto: Fabian Nicolay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

A.Schröder / 19.01.2023

Schade daß nur Bauern sterben. Viele Journalisten hätten es viel notwendiger.

R.Camper / 19.01.2023

Keine Panik, die Bolschewoken haben an alles gedacht. Der Beitrag heute von Claudio Casula, “Ernährung: Die EU serviert uns jetzt Insekten”, bringt doch die Lösung. Wer sich sein Land wegnehmen lässt und die Eindringlinge noch versorgt (die Amerikaner (Indianer) haben wenigstens gekämpft), wer sich eine genmanipulierte Brühe injizieren lässt, wer sich in einen Krieg gegen Russland treiben lässt, wer sich der Klimareligion unterwirft, wer sich seiner Sprache berauben lässt, kurz, wer die Bolschewoken an die Macht wählt, der wird sich demnächst auch bereitwillig von Insekten ernähren. Ach ja, letztens habe ich in meiner Abwassergrube für Fäkalien eine große Anzahl Kakerlaken gesehen, ich glaube die fressen das, was da drin so rumschwimmt. Wenn wir dann irgendwann diese Insekten essen, ist der Kreislauf geschlossen, sozusagen das Perpeduum Mobile der Ernährung.

Claudius Pappe / 19.01.2023

Wir befinden uns mitten im Zwei-Fronten Krieg. Im Innern kämpft die Regierung gegen die Bio-Deutschen, also den Nettosteuerzahler und im Äußeren kämpfen wir als Vasallen der USA gegen Russland. Das wird dazu führen, das es das Deutschland, wie wir es mal kannten, von der Landkarte verschwindet.

Hans Meier / 19.01.2023

Auf es werde “Licht” es gilt den “Schwachsinn zu entlarven”! Die “Nahrungs-Produktion in Selbst-Verantwortung” darf kein “Teufels-Werk von woken Idioten vermasseln” die noch nicht mal, “eigene Gärten mit Obst-Bäumen bewirtschaften”!

Heiko Stadler / 19.01.2023

Vielleicht können wir in Zukunft tatsächlich Insektizide einsparen. Die Freigabe von Insekten für den Verzehr in Kombination mit den vielen ausrangierten Politversagern schafft ganz neue Möglichkeiten. Mit einem stabilen Elektrozaun um den Acker könnten wir die vielen Ungelernten aus Berlin und Brüssel in Ruhe mümmeln lassen und könnten dann bestes Gemüse ernten.

George Samsonis / 19.01.2023

Viele Bauern verunstalten ihren Acker großflächig mit Windkraft und Solaranlagen und bauen statt Lebensmittel großflächig Mais für “Bio"gas-Anlagen. Das wird den Bauern großzügig mit Staatsknete, umverteilt durch die sog. Energieumlage” vergoldet. Dafür wird den betroffenen Nachbarn durch Windkraftanlagen und riesige Solarfelder die Heimat verdorben. Mein Mitleid für diese Bauern hält sich deutlich in Grenzen. P.S. Wann werden endlich die ersten Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von über 100 Metern in Berlin Kreuzberg und Ostberlin Mitte, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg gebaut ?!?!?!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Cora Stephan / 08.04.2024 / 06:15 / 35

„Babys sind der Goldstandard des Menschenhandels“

Birgit Kelles Zorn ist in jedem Kapitel ihres neuen Buches über Leihmutterschaft zu spüren. Sie hat die ganze Szene und ihre Propagandisten bis ins letzte…/ mehr

Cora Stephan / 08.03.2024 / 06:15 / 49

Männer! Richtige Männer! Es gibt sie noch!

Botschaft an alle Männer, die heimlich daran zweifeln, dass es 99 Geschlechter gibt, ein Mann per Selbstermächtigung zur Frau wird und Frauen die besseren Menschen…/ mehr

Cora Stephan / 29.02.2024 / 11:00 / 51

Daniela Klette und der vergessene Linksextremismus

Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30…/ mehr

Cora Stephan / 15.02.2024 / 06:05 / 65

Toxische Weis(s)heit: Die Heuchler von Ulm

Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein…/ mehr

Cora Stephan / 10.02.2024 / 12:00 / 36

Merz in Grün?

Was geht im Kopf eine Politikers wie Friedrich Merz vor, der die Grünen erst zum Hauptgegner erklärt und dann eine Koalition mit ihnen nicht mehr…/ mehr

Cora Stephan / 01.02.2024 / 12:00 / 40

Toxische Weis(s)heit: Teure Migration

Eine holländische Studie ermittelte, dass zwei Drittel aller Einwanderer den niederländischen Staat Geld kosten. In Deutschland ist die Lage längst kritisch. Wer 2015 nicht nur Gefühle…/ mehr

Cora Stephan / 25.01.2024 / 10:00 / 35

Preisverleihungen nur noch auf Bewährung!

Wer einen Preis verliehen bekommt, weil er was besonderes geleistet hat, sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er künftig redet. Sonst ist der womöglich…/ mehr

Cora Stephan / 11.01.2024 / 10:00 / 55

Bauer, Trecker, Fußtritt

Was derzeit bei den Bauern los ist, hat eine weit längere Vorgeschichte als der Versuch einer unfassbar täppisch agierenden Regierung, bei den Landwirten Steuervergünstigungen und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com