Cora Stephan / 17.08.2023 / 10:00 / Foto: Dysmachus / 37 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz:  Natur kann tödlich sein!

Dieser Kitsch umwabert uns nun schon seit Jahren: Überlassen wir doch alles der Natur, und schon ist Frieden auf dem Planeten! Dabei ist kaum etwas gefährlicher als die ungebremste Natur.

Ich gebe alles zu: Ich wollte provozieren. Ich ahnte ja, was mich erwartete, am für Kunden des Baumarkts nicht zugänglichen Sperrbezirk mit dem Regal für allerlei Vernichtungsmittel wie Ameisenköder und Maulwurfsfallen. Darüber wacht eine strenge Blonde mit scharfen Falten um die Mundwinkel. Ich wusste also, was geschehen würde, als ich kühn nach Glyphosat verlangte. Glyphosat! Ausgerechnet! Das Entsetzen war ihr anzusehen.

Wofür ich das denn brauche, fragte sie streng. Für den Wohnzimmerteppich, hätte ich beinahe geantwortet. (Für das tiefwurzelnde Kraut in den Fugen zwischen den Gehwegplatten, die wir selbstredend nicht „versiegelt“ haben, darf man ja nicht!) Aber eigentlich erübrigte sich die Frage: Glyphosat sei verboten, sagte die Fachfrau streng, es vergifte Bienen und erzeuge Krebs. Ich widerspreche und weiß mich im Einklang mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die sieht eine erneute Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat in der Europäischen Union unkritisch. „Bei der Bewertung der Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt wurden keine kritischen Bereiche ermittelt, die Anlass zur Sorge geben“, erklärte die EFSA in einer am 6. Juli veröffentlichten Neubewertung von Glyphosat.

Das behauptet noch nicht einmal das grüngeführte Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft – wahrscheinlich nur höchst widerwillig, denn man widersetzt sich bei Cem Özdemir der europäischen Linie. Und doch heißt es dort: „Bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung des Wirkstoffs Glyphosat bestehen keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit.“ Aber das weiß die Fachfrau nicht und sie will es wahrscheinlich auch nicht wissen. Denn sie empfiehlt – „natürliche Gifte“. Die sind, das weiß doch jedes Kind, lieb und gut, ganz so lieb und gut wie die Natur.

Dann kommt das Biogemüse eben aus China

Das ist der Kitsch, der uns nun schon seit Jahren umwabert. Überlassen wir doch alles der Natur, und schon ist Frieden auf dem Planeten. Dabei ist kaum etwas gefährlicher als die ungebremste Natur, und die Gifte, die Pflanzen zur Abwehr von Fressfeinden entwickeln, sind auch für Menschen tödlich. Ohne menschliche Eingriffe überlebt keine Kulturpflanze, und es ist relativ wurscht, ob seine Konkurrenz – auch Unkraut genannt, was mittlerweile als politisch unkorrekt gilt – durch Pflügen und Grubbern aus dem Weg geschafft wird oder durch Mittel des menschlichen Erfindungsgeistes. In beiden Fällen leidet die „Artenvielfalt“. Aber „Chemie“ ist ja mindestens so „umstritten“ wie „Gen“ oder „Atom“.

Nein, die menschliche Hybris möchte sich selbst als den größten Unhold begreifen. Ein trübes Beispiel: Weil man den Wald gern der Natur überlassen möchte, hat man das Entfernen des Unterholzes abgeschafft. Die Folge: Waldbrände breiten sich schneller und effizienter aus. Der grüne Mensch aber glaubt, das läge an der „Klimakatastrophe“, die er mit untauglichen Mitteln bekämpft. Mittel, die mit der Axt an seine Lebensgrundlage gehen. 

An die eigene Lebensgrundlage zu gehen, ist allerdings vor allem unter der derzeitigen Regierung in Deutschland das Gebot der Stunde. Das beginnt mit dem Verzicht auf eigene Energiequellen wie die Kernkraft und hört beileibe nicht auf beim täglichen Bashing der Landwirte, die es darauf angelegt haben, Tiere zu quälen, das Grundwasser zu verseuchen und die eigenen Böden zu schädigen. Man mag über manch kleinbäuerlichen Betrieb der Vergangenheit die Nase rümpfen, dort ging es oft wenig idyllisch zu. Die moderne Landwirtschaft aber ist weit effizienter, das ist die Grundlage für die enorme Verbesserung der Lebensbedingungen weltweit. Nur in Deutschland möchte man am liebsten ohne sein. Bitteschön: Dann kommt das Biogemüse eben aus China.

Die Angst vor Glyphosat ist etwa so rational wie die Vorstellung, das „Klima“ – ein Durchschnittswert, der für sich nichts aussagt – könne durch die Bewirtschaftung eines einzigen Faktors (CO2) „gerettet“ werden und Deutschland könne dabei eine Vorreiterrolle spielen. Bitteschön: Dann kann China doch fröhlich weiter das Zeug emittieren, es liegt damit ja jetzt schon an der Spitze. China und Deutschland – beste Freunde!

 

Cora Stephan, geb. 1951, ist Publizistin und Schriftstellerin. Sie veröffentlichte Beiträge in zahlreichen Medien, darunter beim NDR. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Soeben ist ihr neuer Roman „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ erschienen.

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Leserpost

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Karsten Dörre / 17.08.2023

@dina weis, Ihr ökologisches Gleichgewicht in allen Ehren. Natur ist stetige Veränderung. Kein Frühling gleicht einem anderen Frühling. Da sind Veränderungen - unabhängig von Mensch und seiner Zerstörungskraft oder Nutzung zum Überleben, zum Bewirtschaften, zum Erholen oder schützen. Das Ahrtal sieht heute in Sachen Natur weder besser noch schlechter aus als im Juli 2021. Lediglich das Gleichgewicht der dort lebenden Menschen ist seit zwei Jahren massiv gestört. Die Natur ist weder gut noch böse, der Meteoriteneinschlag (Natur!) in der Kreidezeit war kein ökologisches Gleichgewichtsereignis. Und ja, wenn wir den Klimawandel menschengemacht fabrizieren, dann schaffen wir auch den Klimawandel auszuhalten und uns entsprechend anzupassen. Was spricht dagegen, dass Grönland eisfrei wird, neues Land entsteht, neuer Lebensraum, neue Herausforderungen, die den Geist anstrengen, Lösungen zu suchen, sich weiter zu entwickeln? Wenn Landstriche unbewohnbar werden, muss neues Land entstehen (siehe Niederlande). Wehren wir uns also nicht dagegen und lassen die Natur machen, damit wir Menschen nicht träge, faul und dumm werden. Denn das scheint im freiheitlichen Westen gerade in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein unausgesprochenes Ziel zu sein. Wenn die E-Batterie aus China stimmt, dass sie in zehn Minuten für 400 Kilometer auflädt, ist das ein großer technischer Fortschritt, der die Natur ausbeutet und Ihr ökologisches Gleichgewicht infrage stellt. Mehr Mobilität war und ist für die Menschheit ein Fortschritt, der den Hunger stoppte, da Nahrungsmittel schneller verarbeitet und vertrieben wurden und man nicht vom Wetter auf dem Feld und im Garten hinterm Haus abhängig wurde. Ohne Dieselschiffe aus der Ukraine, bekommt Afrika weniger Getreide. Man kann den Afrikanern sagen, denkt mal an den Klimawandel und baut euer Getreide auf dem kargen natürlichen Boden selbst an oder im untauglichen Dschungelboden ohne Sonnenlicht und stündlich prächtigen Wildwuchs.

Martin Schott / 17.08.2023

@dina weiß: “Die Natur ist immer im Gleichgewicht, wenn man sie lässt und auf jeden Fall nicht selbstzerstörerisch wie der Mensch.” - Da irren Sie sich. So gut wie nirgends in der Natur gibt es einen Gleichgewichtszustand. Im Gleichgewicht tut sich rein gar nichts. Gleichgewicht ist statisch, passiv, tot. Natur ist chaotisch, unberechenbar, dynamisch. Was es allerdings gibt ist das geradezu esoterische Gerede darüber, “die Natur” oder “der Planet” als solcher befinde sich im Gleichgewicht.

Rainer Nicolaisen / 17.08.2023

Tja tja tja—allerdings, Frau Stephan, werden Sie kaum bestreiten wollen, daß die KulturLandschaft längst zur KulturSteppe geworden ist und wir in jedem Lenz den “silent spring” hören, z.B. Glyphosat zum Dank. Oder?  Lassen Sie sich bitte doch einmal das Wort TOTALherbizid auf der Zunge zergehen. Klingt sehr lecker, oder? Daß “Natur” auch gefährlich sein kann, weiß ich schon lange, und “Romantiker” bin ich auch nicht, eher Dipl.-Chem….

Rainer Hanisch / 17.08.2023

@Rolf Mainz :“Jedem, der von “harmlosen” Wölfen faselt, wünsche ich eine Nacht allein mit einem hungrigen Wolfsrudel.” Hallo, wo haben Sie denn eine Nacht mit einem hungrigen Wolfsrudel verbracht?

W. Renner / 17.08.2023

Man sollte die gesamten Grünen nur der Natur überlassen. Die würde das Problem nachhaltig lösen.

Rainer Hanisch / 17.08.2023

Emil.Meins “Und meine Hoffnung ist, daß sich durch ein Überangebot an Habecks und Bärbocks auch deren Freßfeinde enorm vermehren und wieder Ordnung einkehrt.”  Nee, ich glaube nicht, dass die Fressfeinde haben! Wer will sich mit sowas den Magen verderben und eventuell hopps gehen? Ich nicht, Sie gewiss auch nicht und viele andere auch nicht.

Lutz Liebezeit / 17.08.2023

Glyphosat wird laut Wikipedia seit den 70er Jahren eingesetzt und ist unter dem Namen RoundUp bekannter. Damit kann man alle Pflanzen ausrotten, nur die überleben, die eine Genkur hinter sich haben und deshalb immun sind gegen Herbizide. Das Bienensterben wird von den synthetisch hergestellten Neonicotinoiden verursacht. Die sind schon in die Pflanzen hineingezüchtet. Neonicotinoide sind selektive und hochwirksame Nervengifte, die die Weiterleitung von Nervenreizen stören. Das sind Insektizide, die auf die Nerven von Insekten und Bienen rabiater wirken als auf die Nerven von Wirbeltieren. Spezialgemüse mit Neonicotinoiden wirken also nur nicht so stark auf unsere Nerven, aber es wirkt auf unsere Nerven. Das Bienensterben begann mit der Aussaat der Neonicotinoide. NABU ist ja gegen Bienensterben und die Damen von der Tagesschau sind das auch. Wir spenden ja auch fleissig an NABU, damit die dagen sind. Leider machen die nichts mit dem Geld, außer sich gute Löhne und Pensionen damit zu bezahlen. Der Mitarbeiterin verdient bei NABU zwischen 1500 uind 4700 Euro im Monat. Da ham wir uns verdient. Dafür stellen die dann Expertisen für Milch aus. Greenpeace stürzt zumindest hier und da mal spektakulär mit einem Motor-Drachen ab. Die tun was für ihr Geld. Aber NABU, was machen die eigentlich sonst so?

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