Cora Stephan / 25.02.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 13 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Im Untergrund

Es gibt Dinge, die bleiben. Zum Beispiel die deutsche Wertarbeit an der flämischen Kanalküste oder am französischen Atlantikstrand: Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Beton – kommt drauf an, was man draus macht! Insofern könnte ich die Frage einer Bekannten kühl beantworten, ob mir der Braunkohletagebau womöglich besser gefallen würde als die von mir geschmähten Windkraftanlagen am Horizont. Natürlich nicht! (Allerdings braucht man, wenn es schlecht läuft übers Jahr, ein paar tausend Windräder für ein Kohlekraftwerk).

Ich mag nichts, was mir allzu nah auf die Pelle rückt. Dennoch Einspruch in Anbetracht der Vergangenheit und im Sinne der Zukunft: Stahlbeton im Boden hat eine weit längere Lebensdauer als die Wunde, die der Kohleabbau in die Landschaft schlägt, samt Dörfern, die im Weg sind. Denn siehe da: Daraus kann eine ansehnliche Seenplatte werden, zur Freude von Wasservögeln, Badelustigen, Seglern und der Touristikbranche.

Kann man über den immerwährenden Kriegsbeton ähnlich Positives sagen? Touristenattraktion sind die Bunker allemal – und ein freundliches Habitat für Fledermäuse. Na also. Vielleicht wird man einst auch die Windmühlenruinen mit wohligem Schauer umrunden: seht her, so sehr können Menschen sich irren... (Kreisch! Hat sie jetzt den Bau von Windkraftanlagen mit dem 2. Weltkrieg verglichen? Ruhig, Brauner: hat sie nicht.)

Gewiss verändert der Mensch die Natur, und das nicht nur an der Oberfläche. Der menschliche Maulwurf gräbt, soweit wir das wissen, seit mindestens tausend Jahren, durchlöchert die Berge, holt alles heraus, Gold und Silber, Eisenerz und Blei, Kohle und Diamanten. Manch einer ist auf der Suche nach Schätzen blind geworden. Viel zu viele sind unten geblieben. 

1963 geschah das Wunder von Lengede: 129 Bergleute der Mittagsschicht wurden in einer überfluteten Grube eingeschlossen. 79 von ihnen konnten sich in den ersten Stunden retten. Die anderen blieben eingeschlossen, niemand glaubte mehr an ihr Überleben. Doch nach vierzehn Tagen gelang es tatsächlich, elf der Bergleute zu befreien. Ein Wunder aus einer heroischen Zeit, vergangen und vergessen, Stoff für Legenden. 

Mehr als 3 Millionen Tonnen Erzkonzentrat

Mittelgebirge wie der Harz sind porös wie ein Schwamm, von Schächten durchzogen, in denen man noch heute nach verborgenen Schätzen sucht: nach Nazigold oder dem Bernsteinzimmer. Nach den sieben Zwergen oder nach Hitlers Wunderwaffe, der V2. Deren Produktion wurde im August 1943 in einen Bergwerkstollen bei Nordhausen im Harz verlegt. Steuerteile für die Rakete setzte man auch andernorts zusammen, etwa, unter dem Decknamen „Grasmücke“, in einem Eisenbahntunnel in Freienseen, ganz in meiner Nähe. 

Wir haben hier nicht nur Wiesen und Äcker, wir haben Untergrund, wovon man meistens nichts merkt. Doch vor einigen Wochen tat sich direkt nebenan auf einer einsamen Landstraße ein großes Loch auf. Unter der Straße fand sich ein alter Grubengang. 

Ja, so ist sie, die Vergangenheit, sie meldet sich gern zurück, vor allem, wenn man nicht mit ihr rechnet. Dort, wo ich wohne, wurde beinahe hundert Jahre lang Eisenerz abgebaut, bis in die späten 60er Jahre des verflossenen Jahrhunderts. Aus 25 Grubenfeldern gewann man mehr als 3 Millionen Tonnen Erzkonzentrat. Der Bergbau war eine der wichtigsten Einnahmequellen, bis zu 600 Bergleute arbeiteten in den Gruben. Naturschön war da natürlich nichts, kilometerlange Seilbahnen, riesige Erzaufbereitungsanlagen, Verladestationen an den Bahnhöfen der Eisenbahnstrecken bestimmten die Landschaft. Heute ist davon nichts mehr zu sehen – doch: ein paar Tümpel, die Nichteingeweihte für Bombentrichter halten könnten. 

Es liegt ja nahe. Erst kürzlich wurde in Frankfurt am Main ein Stadtteil evakuiert, weil man eine Weltkriegsbombe gefunden hatte. An der ehemaligen Westfront des Ersten Weltkriegs gehen noch über hundert Jahre später Blindgänger hoch, die ein Bauer beim Pflügen in ihrer Ruhe gestört hat. 

Erdbewegungen sind selten so befriedigend wie in dem betörenden Film „The Dig“, der von einer wahren Begebenheit erzählt – und auf völlig unerwartete Weise versöhnlich ist. Im Sommer 1939, Wochen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, beschließt die Witwe Edith Pretty, die merkwürdigen Hügel auf Sutton Hoo in Suffolk erforschen zu lassen. Sie heuert Basil Brown an, einen Ausgräber ohne akademische Würden, aber mit Gespür für das, was unter der Grasnarbe verborgen sein könnte. In einem der Hügel findet er die Überreste eines Schiffs – und eines Toten, begraben mit Helm, Schild und Schwert, Gold, Edelsteinen und einer Lyra. 

Der Tote war kein Römer. Er war auch kein Wikinger. Er war ein Angelsachse, und er war kein Barbar. „Sie besaßen Kultur und Kunst.“ 

Ausgerechnet die alten Germanen. 

Foto: Pixabay

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Frances Johnson / 25.02.2021

Man muss sich nichts vormachen, Frau Stephan. Hier ist alles bis auf den letzten Quadratzentimeter zugepflastert oder zugeackert. Man vergleiche es mit Südengland, dem Lake District oder Schottland. Es ist noch Geschichte zu sehen und vor allem Erdgeschichte, die man bei uns nur sporadisch sieht, in den Alpen vor allem und im Erzgebirge. Ansonsten ist fast jede Fläche genutzt, und es wäre verwegen, zu behaupten, Wiesen und Äcker wären “Natur”. Auch der meiste Wald ist nicht “Natur”. Ich kenne in GB einen uralten Eichenwald, der ist schon eher Natur. Deutschland ist ein genutztes Land, und es ist effektiv zum Arbeiten meistens schöner gewesen als andere Länder, auch wegen des Verkehrsystems. per se schön, also natürlich schön, aber sind im Grunde am meisten Großbritannien, vermutlich auch Skandinavien und die Teile der Schweiz und Österreichs, die nicht mit deren schnöder, einfallsloser Betonbauweise zugekleistert wurden. Es gibt eine Rangordnung von Hässlichkeit, wo sich die Grünenpartei offenbar an die Spitze setzen will. Zubetonieren mit mehrstöckigem Brutusbau, Betonfundamente für Rotoren zu ungunsten von Flugtieren und Gehör, Solarfelder und Mais statt Weizen, der mir immer noch lieber ist. Aber über eins muss man sich klar sein: Wer Natur will, fährt am besten ins Ausland. Übrigens gilt das auch für die ebfs. zu dicht besiedelten Niederlande, brettlflach. Das vulkanische Italien, das auch gern Beton in alle Becken und Ebenen gießt, siehe Mailand, hat so viele Berge und Küstenfaltungen (Golf von Sorrent, Ligurien), dass es nicht völlig zerstört werden kann. God bless the mountains and oceans. Der Rest ist doch zunehmend zu Mist verunstaltet worden. Ich werd noch Misanthrop.

Rainer Hanisch / 25.02.2021

“Gewiss verändert der Mensch die Natur, und das nicht nur an der Oberfläche” Genau! Und meistens kommt Mist dabei heraus, getreu der Devise: “...seht her, so sehr können Menschen sich irren…”  Das liegt wohl daran, dass der Mensch in seiner grenzenlosen Arroganz sich noch immer für die “Krone der Schöpfung” hält und entsprechend dem Irrglauben anhängt, sich die Natur untertan machen zu können. Sooft die Menschen dabei schon auf die schnauze gefallen sind - sie lernen nichts aus gemachten Fehlern. Offenbar erkennen sie nicht, dass es i h r e Fehler sind und waren, die zum Misserfolg führten. Bestes Beispiel: Klimawandel. Das Klima als solches hat schon immer “Wandlungen” erfahren, auch in unterschiedlich langen Zeitabschnitten. Der sogenannte “menschengemachte” Klimawandel hat als Ursache eben nicht das CO2 (jedenfalls nicht allein), sondern die sich in 50 Jahren mehr als verdoppelte Bevölkerung auf der Erde. Und immer noch schreien viele nach höheren Geburtenzahlen, besonders im “gebildeten” Deutschland. Die begreifen einfach nicht, dass eine Überpopulation einer bestimmten Art (hier: Homo sapiens) oft gravierende Auswirkungen auf das gesamte System Erde, auch auf das Klima, hat! Und da kann die heilige Greta CO2 riechen oder nicht, dessen Vorhandensein liefert nur einen Grund, das Volk noch mehr zu verblöden und den letzten “Leistungserbringern” zusätzliches Geld aus der Tasche zu ziehen. Die neue CO2-Steuer bringt genau so viel, wie die seinerzeit eingeführte “Öko-Steuer”: Nichts! Oder vielleicht doch? Ja, Preiserhöhungen in allen Bereichen und damit noch mehr Armut unter denen, die keine “Diäten” erhalten, sondern beispielsweise mit der Altersrente auskommen müssen, oder mit “Minijobs”. Viva Germania!

Claudius Pappe / 25.02.2021

Gestern ist bei mir in der Stadt der Strom ausgefallen ( 6-10 Stunden) Schon der zweite Ausfall in einem Jahr. Hätte man in den letzten 30 Jahren mal modernisieren können und nicht in Ladestationen investieren sollen. Gell, ihr grünen Stadtwerkefuzzis ? Wäre das vor zwei Wochen mitten in der Nacht ( Minus 15 Grad) passiert hätten wir mehr Tote durch fehlenden Strom als mit/an/durch Corona an einem Tag gehabt. Einige wären dann wohl am nächsten Morgen erfroren in ihren Betten aufgefunden worden. Kaminbesitzer frieren nicht. Homeoffice ging noch nicht mal mit Handy. Allerdings die bösen Verbrennerautos, die fuhren ohne sich zu beschweren. Post funktionierte auch, der Postbote klopfte ans Fenster und fuhr mit seinem Diesel davon….................................schöne alte Verbrennerwelt

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