Cora Stephan / 26.01.2023 / 11:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 32 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Die Unsouveränen

Ist ein Land souverän, das sich auch, was Energie betrifft, derart abhängig gemacht hat von Nachbarn, die womöglich nicht immer „solidarisch“ gesonnen sind, wenn wir’s gerade bräuchten? Egal.

Deutschland ist nicht souverän. Oh. Ich glaube, das darf man nicht sagen. Weil: Das sagen die Reichsbürger! Wir wissen doch: Die wollen die Monarchie wieder einführen oder wenigstens Lauterbach entführen, so ganz präzise kann ich all die aufrührerischen Senioren nicht auseinanderhalten. Gewiss: Hier bei mir im Dorf gibt es Leute mit Waffen. Jäger halt. Aber soweit ich weiß, schießen die nicht aus Überzeugung, sondern weil sie gern Wildschwein essen. Wesen, die eine schöne Zeit im Wald hatten, also Tierwohl, wie es sein soll.

Und nein, es geht auch nicht um Carl Schmitts Diktum, „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Dann wären Lauterbach oder irgendein anderer unserer Coronamaßnahmenverordner der Übersouverän? Da lachen ja – das ist hier auf dem Land so üblich – die Hühner.

Und doch: In dreierlei Hinsicht ist dieses Land in der Tat nicht souverän. Nehmen wir die einst blühende deutsche Industrie. Die einen gehen pleite oder geben auf, weil sie die Energiekosten nicht mehr stemmen können. Die Glücklicheren lassen sich von den USA anwerben. Und die BioNTech-Betreiber, die sich in der sogenannten Pandemie eine goldene Nase verdient haben, verlassen Deutschland, weil sie in London bessere Arbeitsbedingungen für ihre Krebsforschung vorfinden: „(…) weil der Nationale Gesundheitsdienst, akademische Forschungseinrichtungen, die Aufsichtsbehörde und der Privatsektor beispielhaft“ zusammenarbeiten.

Autostandort Deutschland?

Tja. Die deutsche (und europäische) Bürokratenseligkeit erstickt so manche lobenswerte Initiative – das betrifft verschärft den Bausektor, weshalb aus den von der Koalition forsch versprochenen 400.000 neuen Wohnungen im Jahr natürlich nichts wird. Es fehlt an Baumaterial und Fachkräften – macht nix: Dafür fehlt es ganz und gar nicht an schier unerfüllbaren Auflagen.

Autostandort Deutschland? Erledigt. Braindrain? Gut ausgebildete Menschen zieht es ins Ausland – dafür wandern Analphabeten ein. Das Land kann sich nicht mehr selbst mit dem versorgen, was es braucht. Nicht mit Produkten, nicht mit Medikamenten, nicht mit Wohnraum, nicht mit Mobilität – haben wir schon über die Deutsche Bahn gesprochen?

Und hatte ich die Landwirtschaft bereits erwähnt? Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes ans Eingemachte. Der neueste Schrei: Statt Schwein und Rind lieber Insekten snacken. Wir sehen knusprigen Zeiten entgegen. Doch da es Insekten gerne warm haben, wird dieses Erfolgsmodell wohl in wärmeren Gefilden Umsatz machen. Energiekosten, you know.

Ist ein Land souverän, das seine Bewohner nicht halbwegs solide ernähren kann? Da lächelt der Globalist: Der Weltmarkt wird‘s schon richten. Hat ja immer prima geklappt. Es sei denn, jemand kommt auf die Idee einer Handelsblockade – wie die Briten im Ersten Weltkrieg. Damit war Deutschland effektiv vom Weltmarkt abgeschnitten. Das Aushungern der Zivilbevölkerung war zwar völkerrechtswidrig, aber es wirkte.

Nur nicht nostalgisch werden

Ach, was sollen uns Lehren aus der Geschichte, die vor allzu starker Abhängigkeit von anderen warnen! Auch die wundersame deutsche Energiewende basierte auf der Abhängigkeit von günstig und zuverlässig geliefertem russischen Gas, wie mittlerweile hinlänglich bekannt. Souverän ist, wer über möglichst viele eigene Energiequellen verfügt. Im grünen Wunderland aber sollen selbst die noch verfügbaren nicht genutzt werden – nicht die Kohle, nicht die Gasvorkommen, nicht die letzten funktionierenden KKW. Erinnert sich noch jemand daran, dass Deutschland einst führend in der Kernkrafttechnologie war? Ach. Nur nicht nostalgisch werden.

Frankreich jedenfalls will so schnell wie möglich vierzehn neue KKW bauen. Na, dann sind wir ja aus dem Schneider. Über „jedes AKW, das am Netz ist“ freuen sich sogar grüne Energiewender, wie der grüne Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller laut einem Bericht der Bild, die sich auf eine interne Sitzung des Netzagenturbeirats am Montag dieser Woche beruft. Klar: auch Fracking ist ja nur in Deutschland umweltfeindlich.

Ist ein Land souverän, das sich auch, was Energie betrifft, derart abhängig gemacht hat von Nachbarn, die womöglich nicht immer „solidarisch“ gesonnen sind, wenn wir’s gerade bräuchten?

Egal. Wieviel wohler ist uns doch, künftig von den USA abhängig zu sein statt von den putinesken Russen! Weshalb die Stadt Wiesbaden und das Land Hessen Auftritte der russischen Sopranistin Anna Netrebko bei den Internationalen Maifestspielen verhindern wollen, die Diva habe sich nicht weit genug vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert. Wir hier in der Provinz finden das – na, wie denn wohl? Unsouverän.

 

Cora Stephan, geb. 1951, ist Publizistin und Schriftstellerin. Sie veröffentlichte Beiträge in zahlreichen Medien, darunter beim NDR. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Dieter Grimm / 26.01.2023

Seit dem wir Insekten knabbern sollen hat der Begriff ” Schmetterlinge im Bauch” eine ganz neue Bedeutung.

Rudi Brusch / 26.01.2023

Wieso wollten die Reichsbürger Lauterbach nur entführen. Sie haben doch schon sichtbare Fortschritte gemacht. Jene Körpersegmente, die sich normalerweise zwischen den Ohren befinden, wurden durch die Reichsbürger offensichtlich schon entführt.

Dr. Stiehler / 26.01.2023

Wir müssen endlich begreifen, das wir von der Gesundheitsindustrie aus Gewimmgier und Erhaltungstrieb mit altbewährter Hilfe der Todesangst erbarmungslos über den Tisch gezogen wurden, wobei die unsouveränen Staatsmänner und -frauen aber auch die Mietmäuler der Ärzteschaft emsig mitgeholfen haben und dabei den Niedergang des Finanzkapitalismus weitgehend verschleiert haben. Der Nebel lichtet sich allmählich. Jetzt sorgt ein Krieg in altbewährter Weise für Ablenkung und Baerbock spricht in leichtsinniger Weise schon davon, dass wir mit Russland im Krieg seien. Das erfordert einen sofortigen Rücktritt dieser unverantwortlichen Außenministerin, die übrigens auch den Strom im Elektronetz für ein Industrieland speichern will.

Karl-Heinz Boehnke / 26.01.2023

Die Alliierten haben im 2.Weltkrieg beschlossen, daß Deutschland, West-, Ost- oder Gesamt-, ein- für allemal abhängig bleibt. Dazu wurden Deutsch-Französische Annäherung, Montanunion, EWG und EU unter Aufsicht der Nato geschaffen mit der Aufgabe, Deutschland jeweils alles wegzunehmen, was nicht für ein auskömmliches Leben - stets ein klein wenig über dem Niveau der Nachbarn, damit es nicht auffällt - notwendig ist. Vor allem durfte und darf diese Zahlkuh nicht in die Hände des Gegners fallen, was mit dem EURO, also der Vernichtung der DM, als Preis für die Wiedervereinigung und somit der Wegnahme aus dem Zugriff des östlichen Kriegsverbündeten verwirklicht worden ist. Jetzt ist es allerdings soweit, daß die Kuh keine Milch mehr geben kann und deshalb in den Krieg geschickt wird mit den Waffen des Westens, die die Wehrmacht damals schon so gerne von ihm bekommen hätte, um allein mit dem Osten fertig zu werden. Hitlers Kriegserklärung an die USA hat also doch noch seinen erhofften Kriegsverlauf genommen, nur mit 78 Jahren Unterbrechung.

Gus Schiller / 26.01.2023

@Paul Ehrlich. “”“Wenn man Deutschland mit einer Frucht vergleicht, ist es eine Zitrone.”“” Eindeutig falsch, weil ein Spritzer Zitrone viele Gerichte erst abrundet und richtig köstlich macht.  ++ Doofland ist eine VERFAULTE Kartoffel oder Steckrübe, ja da geh ich mit.

D. Katz / 26.01.2023

“Was du immer redest! Ich kann keinen deutschen Niedergang erkennen. Und rot-grün macht seine Sache doch erstaunlich gut! Und die Gasspeicher sind auch wieder voll. ” O-Ton eines, wie ich bisher dachte, eigentlich nicht völlig verblödeten Freundes. Eigentlich. Seine vierfache, stolz vor sich hergetragene Impfung hätte mich jedoch schon länger misstrauisch machen müssen. Aber jetzt ging es nicht mehr. Ich habe mich mit freundlichen Worten von ihm für alle Zukunft verabschiedet. Es muss eine Grenze des erträglichen geben. Wollte ich dummes Geschwätz hören, würde ich ARD und ZDF konsumieren. Offen bleibt für mich die Frage, wie Menschen geistig derart derangiert sein können. Denn mein Ex-Freund ist ja kein Einzelfall.

Sam Lowry / 26.01.2023

Ich habe mich schon immer gefragt, warum man eine Heuschreckenplage nicht einfach wegessen kann (In Ostafrika bedrohen riesige Heuschreckenschwärme die Existenzen von Millionen von Menschen). Jeder Mensch isst 50 Heuschrecken/Stunde, fertig… welchen Grund gibt es, dass das nicht gemacht wird?

Moritz Ramtal / 26.01.2023

Die transatlantischen Fäden reichen in jeden Winkel jedes Bereiches, die Besatzungstruppen sind doch nur die Spitze des Eisbergs. Das Wort Souveränität da überhaupt in den Mund zu nehmen ist schon albern.

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