Cora Stephan / 04.02.2021 / 10:00 / Foto: Elkawe / 52 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Die Tücken der Hütten

Hinaus, hinaus aufs Land? Auf vielfältigen Wunsch einiger im Ländlichen ansässigen Leser der „Stimme“ soll auch in dieser Folge davor gewarnt werden, statt Stadtmüden gar noch den Mund wässerig zu machen. Es ist nicht so, wie man sich das denkt, als Bewohner einer Etagenwohnung in der Stadt, sagen wir: traditionelle Kleinfamilie mit zwei Kindern und einem Wellensittich. Einfamilienhaus, Garten, Wald in der Nähe, endlich kann man sich einen Hund halten und der Schulbus kommt täglich? Schon. Aber welches Haus soll’s denn sein?

Seit es nur noch einen Landwirt braucht, um einen Ertrag zu erwirtschaften, der um die 135 Menschen ernährt, kommen viele Dörfer ganz ohne Bauern aus. Während der Dorfkern verödet, sind ringsum Neubaugebiete entstanden, quadratisch praktische Einfamilienbehausungen mit allem Schnick und Schnack – und viele davon so austauschbar wie Glühbirnen. Wer sich etwas „Authentisches“ vorstellt, mit Patina, eichenes Fachwerk mit Lehmstrich etwa, hat womöglich eher Glück. Immerwährendes Glück, denn die Arbeit an so einer alten Hütte höret nimmer auf. „Preisgünstig“ ist meist höchstens der Anschaffungspreis – je nach Lage.

Im Norddeutschen mag es noch die eine oder andere einsame Hofreite geben. Dort jedoch, wo die südwestdeutsche Gemengelage vorherrscht, sind die Dörfer meist stark verdichtet, Forsthäuser und Aussiedlerhöfe außerhalb des Dorfkerns sind, weil schon immer beliebt, kaum noch zu haben. Zu warnen ist auch vor idyllischen Flusslandschaften, die bei gründlichen Regenfällen in Verbindung mit Schneeschmelze in den höheren Lagen schon mal zu Seenlandschaften werden.

So kriegt man auch jahrhundertealte Häuser tot

Ich weiß, wovon ich rede. Immerhin dürften die meisten alten Bauernhäuser heute an den Kanal angeschlossen sein. Ich hatte noch die Grube am Haus – und wenn es, wie nicht gerade selten, Hochwasser gab, vermischten sich die Flüssigkeiten und ich hatte die Pampe im Haus. So ein Lehmstrich schluckt ganz schön was weg ...

Doch gottlob haben die Moderne und ein geschickter Vertreter um meine Hütte einen großen Bogen gemacht. So blieb mir erspart, was viele erlebt haben dürften, die ihr idyllisches Fachwerkhaus von den Eternitplatten befreit haben, die frühere Bewohner zwecks Dämmung vor die Fassade genagelt hatten. Das hat selbst eisenharte Eiche selten ausgehalten. Wenn dann noch von innen Rigips gegengehalten wurde, weil jemand gerade Wände haben wollte, hat sich das Fachwerk erledigt. Zu warnen ist auch vor Silikon! Fachwerk muss atmen.

Mindestens so schlimm sind kaputtsanierte Häuser, aus denen alles entfernt wurde, was an seine Vergangenheit erinnern könnte. Die Balken abgedeckt, den Lehmstrich entfernt, die alten Holzbohlen zugeklebt. Und dann die Fenster: dunkle Löcher, wo es vorher Sprossenfenster mit Oberlicht gegeben hat. Durch die es zog, na klar. Und da es ja vor allem energiesparend zugehen soll, darf sich im Haus kein Lüftlein rühren. So kriegt man auch jahrhundertealte Häuser tot. Merke: Sarrazin hatte recht. Man kann auch mal einen Pullover anziehen, statt die Heizung auf 25 Grad zu schrauben.

Ein altes Haus ist ein Fass ohne Boden

Mit anderen Worten: man muss vieles einfach sportlich sehen. Je nach Budget jahrelang auf einer Baustelle wohnen, ist auch ein Leben. Learning by doing: Es ist erstaunlich, was man bei der Renovierung einer Antiquität so alles lernt. Das ist im übrigen noch immer Gesetz auf dem Land: selbermachen! Wer Hand anlegt, erntet Respekt. Und es wird einem heute durchaus leicht gemacht, im Vergleich mit dem vergangenen Jahrhundert, als man alte Balken, alte Türen, handgeformte Klinker noch suchen musste. Längst gibt es den Ökobaumarkt, der das fachgerechte Renovieren leicht macht. Was man da an Geld versenken kann, steht selten in einem vernünftigen Verhältnis zum Kaufpreis. Ein altes Haus ist ein Fass ohne Boden.

Die entscheidende Frage lautet also: Warum tut sich jemand das an? Nur, um ein Dach über dem Kopf zu haben mit angeschlossener Wildnis, aus der so leicht kein Garten wird?

Romantiker. Leute mit Rettersyndrom. Bastler. Menschen mit Sinn für Vergangenheit. Verrückte. Also, nur zu: Kaufen Sie sich ein altes Haus auf dem Land! Sie sind gewarnt.

Foto: Elkawe via Wikimedia

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Leserpost

netiquette:

Robert Korn / 04.02.2021

@Andreas Rühl: “Das Dorf ist so intolerant wie es das schlimmste Klischee nicht zum Ausdruck bringen kann.” Ich lebe jetzt seit 20 Jahren hier, 35 Seelen, 80 Kühe. Am Ende der Welt und die Straße endet hier. Meine Nachbarn grüßen mich nicht nur, sie schätzen mich und helfen mir. Und ich ihnen,  wenn der Balkenmäher nicht anspringen will etc. Weil sowas kann ich. Ansonsten leben sie ihr Leben und ich meines. Und ich werde nie dazugehören. Und das ist so in Ordnung.

Michael Kunkel / 04.02.2021

Sprichwort: Wer zu viel Geld hat, und ist außerdem noch recht dumm, der kauft ein alt´ Haus und baut´s auch noch um. Wobei: Wer will schon in einer solch elendigen, voll vakuum abgedichteten Styroporhütte wohnen?

Klaus J. Nick / 04.02.2021

Jep. Der romantische Traum vom Landleben ist in einer vom professionellen Hausverwalter betreuten Stadt-Etagenwohnung am beständigsten. Wer unromantisch, handwerklich begabt, pragmatisch und psychisch stabil ist, nicht öfter, als 1x/Jahr zum Arzt muss, gerne Gartenarbeit macht, schwindelfrei ist, improvisieren kann, krumme Wände ok. findet, Motor-Kettensägen mag und lieber selber macht, als zu organisieren (habe ich was vergessen? - bestimmt!), der könnte schon zurecht kommen. Es gibt ja immerhin Stromnetz, fließend Wasser und Internet. Autofahren: Ein Muss.

Charles Brûler / 04.02.2021

Ich kannte mal einen Prüfingenieur für Baustoffe. Er und seine Baustoffindustrie haben sich immer gefreut, wenn die Bundesregierung oder die EU neue Gesetze verabschiedet haben.

Hennes Winter / 04.02.2021

Fehlt der Hinweis auf die Gartenarbeit. Immerwährende, knochenharte Maloche.

johann wayner / 04.02.2021

Sehr geehrte Frau Stephan, erscheint der Artikel auch in “DAS HAUS”?

Bernd Keller / 04.02.2021

Bleibt weg! Keiner will euch - selbst Ober- und Unterstrasse verbindet nur innige Feindschaft. Auch bei 12 Häusern im ganzen Weiler… Ihr werdet gehasst; wegen dem unerzogenen Kindern, dem Köter der ins Heu kackt, eurer dummen Idee Hähne nicht zu schlachten und alle halbwilden Katzen zu Füttern… Stadt-Dorf geht NICHT! Dorf-anderes Dorf ist schwer; ohne alte Beziehungen kennt man die Interna nicht und wird auch nicht auf Lebzeiten akzepiert. Euer Geld ist wertlos in der Not - euch hilft keiner bei Hochwasser wenn der Audi absäuft - erst ist “Gerda, Paul, die Rinder,...”  dran. Derweil überlege ich ob ich morgen am Altbau arbeite, im Garten angeln gehe oder Wildschweine in Gehweite erlege -oder im Dorfladen einen guten Braten für das Wochenende kaufe… Oder die Skulptur für die “grosse Stadt” weiterbaue, dem Altbau auf den Pelz rücke oder einfach mal nix mache… Man wähle seinen Wohnsitz mit Bedacht! Es kann super werden - mit Gratis-Hilfe an allen Enden/Es kann aber auch leicht im Psychoterror und fehlenden Radschrauben enden. Viel Glück:

Jens Kruse / 04.02.2021

Ja das Landleben. Ich liebe es. Die Hütte ist von Opa geerbt und in den 60er Jahren war Material teuer und Arbeitkraft billig somit gibt es immer was zu tun.  Kriminalität findet nicht wirklich statt denn wer kommt schon ins “nasse Dreieck” ? Im Kindergarten und in der Schule wird noch Deutsch gesprochen und man grüßt sich hier. Unser Gemeinde hat 2015 ein Heim für Asylanten mit Containern aus dem Boden gestampft. Die paar Hansel die dort untergebracht wurden waren schnell wieder weg. Am Sonntag die Kettensäge anwerfen? Da kommt aber der Nachbar. Aber nicht um sich zu beschweren sondern zu schauen ob die Säge neu ist oder ich noch ein Bier für ihn habe. Gut, für Kino oder Theater muß man schon in die Kreisstadt fahren aber das braucht man nicht täglich. Wer nicht mehr selber fahren kann dem helfen die Nachbarn oder der Bürgerbus. Ärzte gibt es, noch, genug und nur der Stammtisch ist, Coronabedingt, in den Keller vom Dorfkrug gezogen denn ab und an kommen mal die bösen Polizisten aus der Kreisstadt. Der eine Friseur macht Hausbesuche und der andere hat mal, als Hobby, einen Salon der 50er in seinem Keller gebaut. Bei Wartezeiten gibt es Bier oder Kaffee und man wartet gerne wenn man gleich nach dem Bürgermeister und dem Dorfsheriff dran ist. Hier wird zusammen gehalten und wer sich in diese Gemeinschaft einbringt kann damit rechnen dass ihm diese Gemeinschaft auch etwas zurück gibt.

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