Cora Stephan / 12.01.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Bauernsterben (1)

Jeder Bauer ist heutzutage eingekreist von einer stetig wachsenden Kontroll- und Überwachungsbürokratie. Man traut ihnen alles erdenklich Schlechte zu – von Tierquälerei über Vergiftung von Böden und Lebensmitteln bis hin zum Insektensterben. Kein Wunder, dass viele von ihnen das Handtuch werfen.

Als ich 1982 ein ziemlich ramponiertes Fachwerkhäuschen in einem winzigen Vogelsberger Dorf erwarb, war von Insektensterben noch nichts zu spüren. Jedenfalls, was Fliegen betraf, von der gemeinen Stubenfliege über die Essigfliege bis zur hinterhältigen Bremse, einer Blutsaugerin. Die schwirrten überall, obwohl es damals noch jede Menge Schwalben gab, die sich von den nervenden Viechern ernährten. Die fliegenden Geschwader brachten einem umgehend bei, Lebensmittel und benutztes Geschirr nicht lange stehenzulassen – und an die entscheidenden Stellen jene wunderbaren kackbraunen Streifen zu hängen, an denen alles klebenbleibt, was nicht aufpasst.

Die Biester kamen aus den benachbarten Ställen. In einem stand Milchvieh, in anderen Schweine oder Bullen. Mein persönliches Insektensterben begann, als die Nachbarn erst die Milchkühe abschafften, dann die Schweine (und damit deren durchdringenden Geruch) und zum Schluss die Bullen. Der letzte Schweinestall ist ein paar Häuser entfernt, ziemlich modern und es stinkt kaum noch. Im Nebenerwerb hält in der Nachbarschaft keiner mehr Tiere – außer Hunden, Katzen und Pferden.

Auch die Landschaft hat sich verändert. Der Maisanbau, eine Monokultur, die den Boden auslaugt, ist, gottlob, heute weniger verbreitet, zumal der Jubel über Biogasanlagen stark nachgelassen hat. Auf den Weiden stehen kaum noch Milchkühe, dafür Mutterkühe mit ihren Kälbchen, was allen Beteiligten bestimmt mehr Freude macht – auch den entzückten Zuschauern. Sie sollten nur keinem Kalb zu nahe kommen. Kühe haben mörderische Muttergefühle.

Traktorendemos bis nach Berlin

Es gibt wieder mehr Schafherden und Hühnerhaltung auf der Wiese, für die allseits beliebten Freiland-Bioeier. Das mögen auch Füchse und Greifvögel. Und natürlich gibt es, nachdem sie einst von Traktoren verdrängt wurden, wieder mehr Pferde, zum Reiten, nicht zum Arbeiten.

Der Maschinenpark der beiden verbliebenen Landwirte ist übrigens spektakulär. Die schaffen in Stunden weg, wozu man früher Tage gebraucht hätte. Jedenfalls ist der Bauernschwund sichtbar, und er hält schon länger an. In der letzten Zeit aber scheint er sich zu beschleunigen. Oder täuscht der Eindruck – und sie melden sich nur einfach mal deutlicher zu Wort, die sonst so maulfaulen Stallverweser und Ackerleute?

Grüne Kreuze auf den Äckern. Traktorendemos, bis nach Berlin. Zusammenrottungen wie „Land schafft Verbindung“ oder die Freien Bauern, Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe. Alle kritisch gegenüber angestammten bäuerlichen Vertretungen wie dem „Deutschen Bauernverband“. Und vor allem empört über das „Agrarpaket“ und grüne Propaganda gegen die Landwirtschaft, inklusive Werbung für Lifestylemoden wie Veganismus.

Die „Freien Bauern“ haben jüngst eine Kampagne gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein LVM gestartet, der in sozialen Medien zur Beteiligung an einer Kampagne fürs vegane Essen im Januar, dem „Veganuary“, aufgerufen hat (und bereits mit einer Großspende an den Nabu aufgefallen war). Der Bundessprecher Alfons Wolff: „Angesichts wahrheitswidriger Kampagnen gegen die Landwirtschaft, insbesondere gegen die Tierhaltung, sollten wir uns allerdings der eigenen Stärke bewusst werden. Wenn große Konzerne wie VW oder LVM sich im hippen Lifestyle urbaner Eliten suhlen, müssen sie halt auf uns und unsere Freunde als bodenständige Kundschaft verzichten.“

Den bäuerlichen Familienbetrieben das Leben schwermachen

Auch auf die Köchin Sarah Wiener, mittlerweile grüne Europaabgeordnete, sind die Bauern nicht gut zu sprechen: sie hat Landwirte, die Pflanzenschutzmittel einsetzen, mit Drogensüchtigen verglichen.

Vor allem sind die Bauern den zunehmenden Druck von Seiten der Grünen und der ihnen nahestehenden NGOs leid, denen sie vorwerfen, die Macht der Großkonzerne zu stärken, indem sie den bäuerlichen Familienbetrieben das Leben schwermachen. Tatsächlich ist jeder Bauer heutzutage eingekreist von einer auch noch stetig wachsenden Kontroll- und Überwachungsbürokratie. Man traut ihnen alles erdenklich Schlechte zu – von Tierquälerei über Vergiftung von Böden und Lebensmitteln bis hin zum Insektensterben. Die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast, einst Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, gab vor zwei Jahren der Landwirtschaft gar die Schuld an Corona.

Kurz: Es darf gar nicht genug Vorurteile gegen die Landwirte geben. Doch offenbar stört sich niemand daran, dass importierte Ware längst nicht den strengen Auflagen unterliegt, denen sich unsere Bauern unterwerfen sollen. Im Zweifelsfall greift auch der woke Konsument zur billigeren Ware. Tja. „Wer ein Hähnchen für 2,79 Euro kauft, gibt an der Supermarkt-Kasse das Recht ab, sich über Massentierhaltung aufzuregen.“

So spricht einer der umtriebigsten Agrarblogger, „Bauer Willi“. Eigentlich heißt er Dr. Willi Kremer-Schillings, und im Stall oder auf dem Acker steht er zwar nicht mehr, aber er kennt sich aus. Sein soeben erschienenes Buch „Satt und unzufrieden“ liest als erstes den Konsumenten die Leviten, kreidet ihnen Unwissen und Doppelmoral an und widerspricht so ziemlich allem, was grünerseits hoch und heilig gehalten wird. Nein, Tierhaltung „verbrauche“ kein Wasser oder furze Methan und CO2 in die Luft; nein, nicht die Landwirtschaft, sondern Flächenstilllegungen reduzieren die Artenvielfalt. Und ja, Biospritzmittel seien selbstverständlich giftig und nicht freundlicher als das zu Unrecht geächtete Glyphosat. Auch „Bio“ bedeute stets einen Eingriff in die Natur, die im übrigen kein friedlich-beschauliches Paradies sei, sondern der man menschliche Nahrung mühselig abringen muss.

Das Buch lohnt sich. Mehr darüber nächste Woche in Teil 2.

„Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“ von Dr. Willi Kremer-Schillings, 2023, Westend Verlag: Frankfurt am Main 2023. Hier bestellbar.

Foto: Pixabay

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Sam Lowry / 12.01.2023

Letztendlich werden doch auch polnische Erntehelfer ausgebeutet, ich seh´s doch auch hier auf der Insel Niederwerth. Schäbige alte Wohnwagen statt vernünftige Zimmer. Den Bauern geht es schlecht, ja, aber sie haben es mit ihrem Verhalten mit selbst ausgelöst. Unmenschliche Bedingungen zur Verfügung gestellt, die osteuropäischen Menschen ausgebeutet bis aufs Blut. Nee, sorry, da hält sich mein Mitleid mit den meisten Bauern in extrem engen Grenzen! Dazu Glyphosat in rauhen Mengen… sollten sich mal an dem eigenen Schopf da wieder rausziehen.

W. Renner / 12.01.2023

Viel rot-grüner Mummenschanz, verdirbt die Futterernte ganz.

A. Ostrovsky / 12.01.2023

Die Bauern sterben doch nicht, die machen nur was anderes. Oder nichts und kassieren Leistungen. Die hören nur auf zu ackern. Das mach jeder, wenn er alt genug ist.

Manfred Knake / 12.01.2023

Die Autorin hat den dramatischen Artenschwund von bodenbrütenden Vögeln, Insekten (die Stubenfliege ist nicht gemeint) oder Wildpflanzen (vulgo „Unkraut“) durch die industrielle Landwirtschaft wohl noch nicht so richtig mitbekommen. Diese Wirtschaftsweise macht nicht nur die Arten platt, sondern auch den Boden kaputt, Stichwort Bodenverdichtung mit schwerem Gerät und Zerstörung des Bodenlebens. Bauer bekommt als Direktzahlungsempfänger üppige EU-Subventionen vom Steuerzahler, kann man im Internet unter dem Stichwort „agrar-fischerei-zahlungen“ namentlich (!) abrufen. Dazu gehören auch öffentliche Mittel für den „Erhalt der biologischen Vielfalt“. Was wird damit gemacht? Und Bauer profitiert ebenfalls üppig als “Energiewirt” von der Verpachtung von Flächen und/oder dem Betrieb von nutzlosen Windkraftanlagen, die ebenfalls Arten vernichten und die Anwohner um die Gesundheit bringen. Alles nützlich für das angenehme “Klima” auf den Bankkonten.

Stefan Müller / 12.01.2023

Frau beim Obsthändler: “Ich suche Äpfel für meinen Mann… sind die hier mit Gift bespritzt?” Antwortet der Händler: “Nein, das müssen Sie schon selber machen.”

Claudius Pappe / 12.01.2023

28 % der Landfläche in der Ukraine gehört amerikanischen Investoren

Sam Lowry / 12.01.2023

Wir müssen Afghanistan aus der Schusslinie nehmen: Baut doch endlich Mohn und Hanf an statt Kartoffeln und Getreide! Lohnt sich, zudem werden die Grünen das sicher befürworten…

Dr. Hans Elmsheuser / 12.01.2023

Im Geschichtsunterricht habe ich gelernt, dass die Kommunisten in den 20er Jahren des Letzten Jahrhunderts die Arbeiter auf den Gütern der Adligen in Ostelbien zum Kommunismus bekehren wollten. Zur gleichen Zeit haben die Bauern im Westen rechte Parteien gewählt.  Seitdem hassen alle Grünen und Linken die Landwirtschaft arbeitenden Menschen. Gleichzeitig hat in der Landwirtschaft eine Produktion Revolution stattgefunden. Vor 50 Jahren musste man 50 % des Einkommens für Nahrung ausgeben. Heute nur noch 10 %. Der ganze Wohlstand beruht hauptsächlich auf den Erfolgen der Landwirtschaft in Europa und Weltweit. Auf Chemie:  Mineraldünger und Pestiziden. Man braucht keine Landwirte mehr: Computer füttern Schweine, Computer melken Kühe. Computer lenken Traktoren. Computer plannen die Höfe. Das ist zwar schwierig zu verstehen, ist aber ist die Realität. In Indonesien werden auf riesigen Plantagen Pflanzen Öl produziert, um in Autos zu verbrennen, da man behauptet – ohne einen wissenschaftlichen Beweis- das CO2 aus Erdöl schädlich sei. Ich musste das auch in meinem Wissenschaftlichem und Landwirtschaftlichen Leben lernen das alles zu verstehen. Jetzt bin ich zu alt gegen die Dummheit zu kämpfen.

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